Zitate von Jean Paul
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Die Eltern sollten, um etwas zu bewilligen, oder abzuschlagen, sich bloß 1/8 Stunde Bedenkzeit nehmen.
Der Soldat wird kriegerisch, der Dichter dichterisch, der Gottesgelehrte fromm erziehen – und nur die Mutter wird menschlich erziehen.
Er leidet Sätze in seinem Buche, die anderen widersprechen; es ist dies ein Zeichen seiner Toleranz.
Man muß, um einen Menschen zart und fein zu behandeln, nicht bloß nach der hohen Achtung messen, die man für ihn hat, sondern auch die (vielleicht irrige) Achtung erraten, die er für uns hegt und nach deren Größe ihn unsere Vernachlässigungen schmerzen.
Wer die Menschen nicht mehr liebt, findet wieder Liebe und Interesse an einem, der leidet. Der Schmerz führt uns die alte Liebe des ganzen Geschlechts zurück.
Die Menschen haben überall die Neigung, alles auf etwas Höheres zu deuten, so die Linien in der Hand.
Man beruft sich immer auf die Nachwelt, als ob sie nicht oft ebensoviel Lob nähme als gäbe.
Das Leben, besonders das sittliche, hat Flug, dann Sprung, dann Schritt, endlich Stand; jedes Jahr läßt sich der Mensch weniger bekehren, und einem bösen Sechziger dient weniger ein Missionär als ein Autodafé.
Nicht die Fühlsamkeit und der Enthusiasmus der jüngern Jahre ist in ältern vermindert, sondern man kann nur, bei erweitertem Ideenkreis, von andern, bessern, also seltnern Gegenständen gerührt werden.
Man verteidiget oft eine Sache mit schwachen Gründen, weil man die stärksten sich nicht zu sagen getraut.
Der Autor vermengt das Vergnügen, das ihm ein Buch als Künstler gibt, mit dem, das es andern als Lesern gibt.
Sogar in unserer Erinnerung ist uns die Vergangenheit als Fülle früherer Erinnerung schön.
Wir müssen Hoffnung haben, um die Gegenwart zu genießen. Wir wollen lieber eine schlimme Gegenwart mit schöner Aussicht als umgekehrt.
Der Schmerz des Kindes reicht nicht ins Knabenalter hinüber, der Schmerz des Knaben nicht ins Jünglingalter, und der des Jünglings nicht ins männliche; und keiner über das enge Leben hinaus.
Der stärkste und wildeste Mann hält’s gegen das ewig weibliche Zürnen und Untergraben in die Länge nicht aus. Um nur Ruhe und Frieden zu haben, läßt ein solcher, der vor der Ehe tausend Schwüre tat, er wolle darin seinen Willen durchsetzen, am Ende gern der Herrin ihren.
Die Eitelkeit ist nur hassenswert, wo sie große Gegenstände zu ihrem Dienst mißbraucht und das Große um ihretwillen affektiert. Mit Kleinem darf man eitel sein, mit einer Schnalle, nicht aber mit einer großen Empfindung, oder mit dem Mangel an Eitelkeit.
Der erste Gedanke eines Menschen, der etwas nicht findet, ist der, man hab‘ es ihm gestohlen; und so häufig auch das bloße Verlieren und Verlegen gegen das seltene Bestehlen vorkommt, so glaubt er doch das nächste Mal wieder an einen Dieb.
Man sollte eine Sammlung aller Sprachkeckheiten großer Autoren haben, um die Zunge immer mehr zu befreien.
Die besten Weiber verklagen oft gegen einen Fremden ihre Männer, ohne sie darum im geringsten minder zu lieben.
Ob man uns das Maß zu einem Krönungskleid oder zu einem Sarge genommen, kommt auf niemand anderes als auf uns selber an.
Eine nie auf die Probe gesetzte Frau denkt stets von sich zu gut und von dem Sieg zu leicht.
Wer nach Sonnenaufgang reist, gewinnt einen Tag – wer nach der Freude reist, der gewinnt viel mehr als Jahre – ein langes Stück Ewigkeit.
Wir haben nichts darwider, was der andre von sich hält, wenn er nur von uns noch mehr hält.
Traue nicht dem lieblichen Lächeln einer Frau, Es kann sein, daß sie die ganze Nacht geweint hat.
Die Ministerin war im Gespräche […] auf den Satz geraten, daß Kindern keine Schule nötiger sei als die der Geduld, weil entweder der Wille in der Kindheit gebrochen werde oder im Alter das Herz.
Je mehr man mit einer Empfindung, Bemerkung vertraut ist: desto allegorischer und versteckter drückt man sie aus.
Man darf über alles unter dem Monde und über ihn selber Phantasien haben, wenn man nur nicht die Phantasien für Wahrheiten nimmt.
Die Eitelkeit besteht nicht in der Kleidung, oft kaum im Handeln, sondern in der ewigen unmerklichen Stellung jedes Worts, damit es höheres Lob abwerfe.
Der Frühling des Lebens und das Gespinnst des Nachsommers weben uns das Winterkleid des Alters.
Man genießt und fühlt den Reichtum nur in der Minute, wo man ihn unverhofft bekommt; darauf wird er zur Armut.
Ich begreife nicht, wie ein Mann sagen oder glauben kann, er sei schön, ohne rot zu werden.
Die Weiber lieben den ganzen Tag; den Männern fällt das verdrießlich, sie möchten es gern haben, daß jene gerade zur Stunde mit der Liebe da wären, wo sie sie haben.
Es ist nicht immer Heuchelei, wenn derselbe Mann, der zu Hause tobt, in fremder Gesellschaft mild erscheint. Zu Hause findet er eingewurzelte wiederholte Fehler, die er zu bestrafen hat.
In den Mannjahren sehnt man sich unendlich aber vergeblich nach einem Freunde, der wie ein Jüngling der frühern Jahre alles anhört und aufnimmt.
Werke, die man schreibt und die man tut, kann man erst lange nach ihrer Vollendung korrigieren.
Fühltest du etwa […] daß alles, was die Liebe tut, um zu sterben, nur ein Mittel ist, um wieder zu auferstehen, und daß alle ihre Epilogen nur Prologen zum zweiten Akte sind?
Kleine Seelen fühlen in ihrem Unglück nur ihren Zustand, große noch Zusammenhang, ihr Ich.
Geheimnisse in der Ehe sind gefährlich und nichtig, ihre Scheide bedeckt immer einen Dolch, den die Zeit endlich zieht.