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So steht der arme Mensch allemal mit zugebundenen Augen vor deinem scharfen Schwerte, unbegreifliches Schicksal! Und wenn du es aufziehest und schwingest, ergötzet ihn das Pfeifen und Wehen desselben kurz vor dem Schlage!
Jean PaulDer Mensch sieht nur das Spinnrad des Schicksals, aber nicht die Spindel; daher sagt er: seht ihr nicht den ewigen, leeren Kreislauf der Welt?
Jean PaulWas ist die Zeit? Es sendet sie der allmächtige Gott ja nicht vom Himmel, wie Schnee und Regen; Menschen machen sie; aus Thaten und Gedanken geht sie auf.
Jean PaulWer an das Gute im Menschen glaubt, bewirkt das Gute im Menschen.
Jean PaulDer Spott über Abscheulichkeit (wenn es nicht juvenalischer ist), z.B. Päderastie, mindert den Abscheu mehr, als er ihn mehrt.
Jean PaulTrocknet die Tränen der Kinder ab! Das lange Regnen in die Blüten ist so schädlich.
Jean PaulDas Leben ist ein Schlaf, ein gedrückter heißer Schlaf, Vampyren sitzen auf ihm, Regen und Winde fallen auf uns Schlafende, und wir greifen vergeblich aus zum Erwachen.
Jean PaulDer Mensch hat mehr Scham über einen scheinbaren (unwirklichen) Fehler, den der andere ihm vorwirft, als über einen wahren, den man sich selber endlich eingesteht.
Jean PaulVerschweigen und verstellen fließen leicht zusammen.
Jean PaulOhne eine Gottheit gibt's für den Menschen weder Zweck, noch Ziel, noch Hoffnung, nur eine zitternde Zukunft, ein ewiges Bangen vor jeder Dunkelheit und überall ein feindliches Chaos unter jedem Kunstgarten des Zufalls.
Jean PaulManche können nur fremde Meinungen, nicht ihre eigenen berichtigen.
Jean PaulWo die Menschen an Verstand übertroffen werden, glauben sie, es sei nur an Wissenschaft.
Jean PaulEs gibt Leute, die, um tugendhaft zu sein, erst Gelegenheit brauchen.
Jean PaulFreude am Strafen hat nur der Teufel.
Jean PaulDer Mensch gewöhnt sich an wiederholte Liebe, nicht an wiederholte Ungerechtigkeit.
Jean PaulDie Freude und das Lächeln sind der Sommer des Lebens.
Jean PaulDie höchste Liebe glaubt und fordert höchste Vollkommenheit, daher ist sie ihrem Ende am nächsten.
Jean PaulWie Deutsche Straßenraub außer Landes für erlaubt hielten, so Mord im Krieg 18/12; so überall; Fehler, die man sich nicht gegen seine Familie etc. und Anhänger erlaubt, verstattet man sich gegen Fremde.
Jean PaulUm den Einsamen schleichen Gespenster.
Jean PaulWitz ist Bemerkung des Verhältnisses zwischen entfernten Ideen; Tiefsinn Bemerkung des Verhältnisses zwischen den nächsten.
Jean PaulDer Mann bequemt sich zuweilen, um frei zu werden - die Frau muß sich ewig bequemen.
Jean PaulKörperliche Abhärtung ist, da der Körper der Ankerplatz des Mutes ist, schon geistig nötig.
Jean PaulDie Wunden, die die Maschinen des Schicksals in uns schneiden, fallen bald zu; aber eine, die uns das rostige stumpfe Marterinstrument eines ungerechten Menschen reißet, fängt zu eitern an und schließet sich spät.
Jean PaulLeiden sollen läutern, sonst hat man gar nichts von ihnen. Zurückgeschlagen werden sie nicht durch Freude - diese führen sie ergrimmter zurück - sondern durch tapfere Arbeit und Anstrengung.
Jean PaulEs gibt noch süßere Freudenthränen, als die im Wachen - es sind die im Traume.
Jean PaulNichts hasset man so, als die erste Äußerung eines Lasters, das man nicht erwartet.
Jean PaulNie zeichnet der Mensch den eigenen Charakter schärfer, als in seiner Manier, einen fremden zu zeichnen.
Jean PaulKrankheiten nützen nicht nur dem Doktor, sondern auch der Seele.
Jean PaulMut besteht nicht darin, dass man die Gefahr blind übersieht, sondern darin, dass man sie sehend überwindet.
Jean PaulWißt, daß der Gang des bessern entfesselten Menschen immer ein Flug ist.
Jean PaulEinmal innerlich deine Affekte ganz ausreden lassen und sie abhören und ausfragen, was sie denn eigentlich wollen!
Jean PaulDa wir ein matteres Gedächtnis für Größe und Zahl der Leiden haben als für Freuden: so vergessen wir mit ihnen leicht auch, welche Früchte uns ihre Stechpalmen getragen.
Jean PaulEs ist der Geist der Ewigkeit, der jeden Geist der Zeit richtet und überschauet.
Jean PaulJeder hat mehr Selbstliebe, als man ihm zutraut.
Jean PaulSprecht nicht: wir wollen leiden; denn ihr müßt. Sprecht aber: wir wollen handeln; denn ihr müßt nicht.
Jean PaulWenn an den Großen alles erstirbt, sogar der Ehrgeiz, grünet doch die Eitelkeit noch.
Jean PaulManche Staatseinrichtungen zünden ein Schadenfeuer an, um die eingefrorenen Wasserspritzen aufzutauen, damit sie es löschen.
Jean PaulDie Wiederholung ist die Mutter - nicht bloß des Studierens, sondern auch der Bildung.
Jean PaulUnd wie viele Menschen verdienen es denn überhaupt, daß man sich von ihnen lieben lässet? Mich ausgenommen, nicht zwei, und kaum.
Jean PaulJeder bewundert den Mut des andern und findet seine Freiheit edel; treffen beide ihn, dann erregen sie seinen Zorn.
Jean PaulDas Landleben ist in, nicht außer uns.
Jean PaulDas Alter hat moosige Auswürfe der Schwäche, die Jugend hat die grünende der Kraft.
Jean PaulNichts macht die Menschen vertrauter und gegen einander gutgesinnter als gemeinschaftliche Verleumdung eines Dritten.
Jean PaulDer Eitelkeit oder ihrem Scheine entgeht niemand, wenn ihn nicht eine große Idee erfüllt, die ihn gegen sein Selbst verblendet.
Jean PaulIch ärgerte mich über den Menschenlärm unter mir und konnte nicht eher schlafen, als bis ich wußte, es waren Pferde.
Jean PaulWenn man von gewissen Sekten etc. höret: glaubt man, sie wären unsinnig, so etwas zu glauben. Aber wenn man mit ihnen bekannt wird: findet man wenigstens Zusammenhang in ihren Irrtümern.
Jean PaulWollen wir uns die Unsterblichkeit wegdenken aus dem Weltplane, so wählte also Gott ein stäubendes Vorüberfliegen von Seelen, deren Zeitlichkeit für ihn gar keine Existenz haben kann.
Jean PaulDer Unendliche schweigt. Er hat sich längst über Seiner Welt erbarmt, aber die Geister wissen nicht wie.
Jean PaulUm in Gesellschaft etwas zu erfahren, muß man die Antwort nicht durch eine Frage, sondern eine Veranlassung herauslocken.
Jean PaulJeder Mensch wünscht sich im Frühling zu verlieben.
Jean Paul