Zitate von Jean Paul
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So steht der arme Mensch allemal mit zugebundenen Augen vor deinem scharfen Schwerte, unbegreifliches Schicksal! Und wenn du es aufziehest und schwingest, ergötzet ihn das Pfeifen und Wehen desselben kurz vor dem Schlage!
Der Mensch sieht nur das Spinnrad des Schicksals, aber nicht die Spindel; daher sagt er: seht ihr nicht den ewigen, leeren Kreislauf der Welt?
Was ist die Zeit? Es sendet sie der allmächtige Gott ja nicht vom Himmel, wie Schnee und Regen; Menschen machen sie; aus Thaten und Gedanken geht sie auf.
Der Spott über Abscheulichkeit (wenn es nicht juvenalischer ist), z.B. Päderastie, mindert den Abscheu mehr, als er ihn mehrt.
Das Leben ist ein Schlaf, ein gedrückter heißer Schlaf, Vampyren sitzen auf ihm, Regen und Winde fallen auf uns Schlafende, und wir greifen vergeblich aus zum Erwachen.
Der Mensch hat mehr Scham über einen scheinbaren (unwirklichen) Fehler, den der andere ihm vorwirft, als über einen wahren, den man sich selber endlich eingesteht.
Ohne eine Gottheit gibt’s für den Menschen weder Zweck, noch Ziel, noch Hoffnung, nur eine zitternde Zukunft, ein ewiges Bangen vor jeder Dunkelheit und überall ein feindliches Chaos unter jedem Kunstgarten des Zufalls.
Die höchste Liebe glaubt und fordert höchste Vollkommenheit, daher ist sie ihrem Ende am nächsten.
Wie Deutsche Straßenraub außer Landes für erlaubt hielten, so Mord im Krieg 18/12; so überall; Fehler, die man sich nicht gegen seine Familie etc. und Anhänger erlaubt, verstattet man sich gegen Fremde.
Witz ist Bemerkung des Verhältnisses zwischen entfernten Ideen; Tiefsinn Bemerkung des Verhältnisses zwischen den nächsten.
Körperliche Abhärtung ist, da der Körper der Ankerplatz des Mutes ist, schon geistig nötig.
Die Wunden, die die Maschinen des Schicksals in uns schneiden, fallen bald zu; aber eine, die uns das rostige stumpfe Marterinstrument eines ungerechten Menschen reißet, fängt zu eitern an und schließet sich spät.
Leiden sollen läutern, sonst hat man gar nichts von ihnen. Zurückgeschlagen werden sie nicht durch Freude – diese führen sie ergrimmter zurück – sondern durch tapfere Arbeit und Anstrengung.
Nie zeichnet der Mensch den eigenen Charakter schärfer, als in seiner Manier, einen fremden zu zeichnen.
Mut besteht nicht darin, dass man die Gefahr blind übersieht, sondern darin, dass man sie sehend überwindet.
Einmal innerlich deine Affekte ganz ausreden lassen und sie abhören und ausfragen, was sie denn eigentlich wollen!
Da wir ein matteres Gedächtnis für Größe und Zahl der Leiden haben als für Freuden: so vergessen wir mit ihnen leicht auch, welche Früchte uns ihre Stechpalmen getragen.
Sprecht nicht: wir wollen leiden; denn ihr müßt. Sprecht aber: wir wollen handeln; denn ihr müßt nicht.
Manche Staatseinrichtungen zünden ein Schadenfeuer an, um die eingefrorenen Wasserspritzen aufzutauen, damit sie es löschen.
Und wie viele Menschen verdienen es denn überhaupt, daß man sich von ihnen lieben lässet? Mich ausgenommen, nicht zwei, und kaum.
Jeder bewundert den Mut des andern und findet seine Freiheit edel; treffen beide ihn, dann erregen sie seinen Zorn.
Nichts macht die Menschen vertrauter und gegen einander gutgesinnter als gemeinschaftliche Verleumdung eines Dritten.
Der Eitelkeit oder ihrem Scheine entgeht niemand, wenn ihn nicht eine große Idee erfüllt, die ihn gegen sein Selbst verblendet.
Ich ärgerte mich über den Menschenlärm unter mir und konnte nicht eher schlafen, als bis ich wußte, es waren Pferde.
Wenn man von gewissen Sekten etc. höret: glaubt man, sie wären unsinnig, so etwas zu glauben. Aber wenn man mit ihnen bekannt wird: findet man wenigstens Zusammenhang in ihren Irrtümern.
Wollen wir uns die Unsterblichkeit wegdenken aus dem Weltplane, so wählte also Gott ein stäubendes Vorüberfliegen von Seelen, deren Zeitlichkeit für ihn gar keine Existenz haben kann.
Der Unendliche schweigt. Er hat sich längst über Seiner Welt erbarmt, aber die Geister wissen nicht wie.
Um in Gesellschaft etwas zu erfahren, muß man die Antwort nicht durch eine Frage, sondern eine Veranlassung herauslocken.