Zitate von Jean Paul
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Jede neue Lage (und wär’s nur ein Stubenwechsel) ist stärkende frische Luft; wir fahren und graben sonst unser Gleis und unsern Hohlweg so tief ein, daß wir enge drin stecken, ohne Himmel und Erde zu sehen.

Aber auf der andern Seite ist ja das Aufblühen der verjüngten Erde die beste Kurzeit gegen den Schmerz über die, die in ihr liegen, und Blumen verhüllen uns Gräber besser als Schnee.

Das Alter ist nicht trübe, weil darin unsere Freuden, sondern weil unsere Hoffnungen aufhören.

Ohne Lächeln kommt der Mensch, ohne Lächeln geht er. Drei fliegende Minuten lang war er froh.

Wenn ein Lehrer immer weiter lehrt und lernt; wenn er das Gelesene sogleich zu einem Gelehrten vor Schülern machen kann: so muß ihn jedes neue Buch unendlich heben, weil er damit andere hebt und die erkauften Gewinste für kräftige Eroberungen ansieht.

Dem Traume sind wir mehr Geschöpfe als Schöpfer; das Leben wird uns gereicht, aber wir ordnen es nicht, sondern wir unterordnen uns ihm.

Je verdorbener ein Zeitalter, desto mehr Verachtung der Weiber. Je mehr Sklaverei der Regierungsform oder -unform, desto mehr werden jene zu Mägden der Knechte.

Junge Liebe und junge Vögel haben anfangs nur Wärme durch Bedeckung nötig, erst später Nahrung.

Ein Mensch, der uns bloß in unseren eigenen Talenten übertrifft, erhebt uns – einer, der in ganz fremden groß ist, demütigt uns.

Im längsten Frieden spricht der Mensch nicht so viel Unsinn und Unwahrheit als im kürzesten Kriege.

Mancher wird ein freier Diogenes, nicht wenn er in dem Fasse, sondern wenn dieses in ihm wohnt.

Je mehr Vorzüge an einem Menschen anerkannt werden, desto mehr neue will er dazusetzen und dichten, aus Gefühl seiner Unvollendung.

Am wichtigsten ist mir das erste Gewitter im Frühjahr und im Ehestand – die andern ziehen alle aus seiner Gegend her.

Man vergisst darin am leichtesten, worin man am wenigsten weiß; je weniger im Sieb, desto mehr fällt es durch.

Der Tod, er ist der Argus mit Millionen Augen, aber zugeschlossenen. Aber er schließt sie zu, damit wir unsere auftun, und schläft, damit wir wachen. Tun wir unsere Augen erst dann auf, wenn er seines öffnet und uns damit ansieht, so ist’s hart für uns.

Die Zeit ist ein Augenblick, unser Erden-Sein wie unser Erden-Gang ein Fall durch Augenblick in Augenblick.

Ein Mensch, den die Sonnennähe eines großen Menschen nicht in Flammen und außer sich bringt, ist nichts wert.

In der Tat ist ein Buch, das nicht wert ist, zweimal gelesen zu werden, auch nicht würdig, daß mans einmal lieset.

Wie viel mehr hat das kleine friedliche Athen für die Welt getan als das würgende Riesen-Rom!

Niemand hat die Kraft – wenn er auch will – in einem fort unglücklich zu sein, sondern er wird glücklich.

O, wenn wir doch jede Sünde, zu der wir oder Andere uns versuchen, ein paar Tage vorher von einem wahren Schuft hätten begehen sehen, den wir anspeien!

Nichts ist gefährlicher als eine unvollendete Versöhnung, sie erschwert die vollendete mehr als keine.

Du liebes Bayreuth, auf einem so schön gearbeiteten, so grün angestrichenen Präsentierteller von Gegend einem dargeboten – man sollte sich einbohren in dich, um nimmer heraus zu können.

Es ist mit den Lügen, wie mit den falschen Zähnen, die der Goldfaden nur an ein paar echte hinterbliebene schließen kann.

Die Liebe bringt bei Mädchen entgegengesetzte Eigenschaften vor; sie macht die Starken sanft, die Sanften stark, die Feinen minder fein, die Ordentlichen unordentlich.

Vor dem Unendlichen ist eine Bitte um eine Welt und die um ein Stückchen Brot um nichts verschieden, als in der Eitelkeit der Beter.

Die andere Welt ist keine gleichgestellte Allee und Orangerie, sondern die Baumschule unserer hiesigen Samenschule.

Denn die Fehler der Mädchen kommen wie Schokolade und Tabak dem Gaumen anfangs desto toller vor, je besser sie ihm nachher schmecken.

Kein Enthusiasmus der Liebe ist so groß als der der Zusammengewöhnung, der auf jenen folgt.

Man gewinnt mehr, wenn man Mädchen etwas für sich tun lässet, als wenn man etwas für sie tut.

Freiheit ist ein Gut, dessen Dasein weniger Vergnügen bereitet als seine Abwesenheit Schmerzen.

Die Vergangenheit und die Zukunft verhüllen sich uns – aber jene trägt den Witwen-Schleier und diese den jungfräulichen.

Jämmerliche Erde, die drei, vier große oder kühne Menschen verbessern und erschüttern können; du bist ein wahres Theater; auf dem Vordergrund sind einige fehlende Akteurs und einige Zelte aus Leinwand, im Hintergrund wimmelt’s von gemalten Soldaten und Zelten.

Bettet doch alte Menschen weich und warm und lasset sie recht genießen, denn weiter vermögen sie nichts mehr; und beschert ihnen gerade im Lebens-Dezember und in ihren längsten Nächten Weihnachtsfeiertage und Christbäume: sie sind ja auch Kinder, ja Zurückwachsende.