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Aber in Maußenbach bedenkt kein Mensch, daß der Abt Galiani [...] gesagt hat, daß die Weiber ewige Kranke sind. Jedoch bloß an Nerven; die Gefühlvollsten sind die Kränklichsten; die Vernünftigsten oder Kältesten sind die Gesündesten.
Jean PaulIn starken Menschen werden große Schmerzen und Freuden zu überschauenden Anhöhen des ganzen Lebensweges.
Jean PaulDas stille häusliche Glück ist darum das edelste, weil wir es ununterbrochen genießen können. Geräuschvolles Vergnügen ist nur ein fremder Gast.
Jean PaulGewiß kein Freund der Gärtnerei wäre zufrieden, wenn auf einmal alles reif gewachsen da stände und er nichts zu tun hätte als zu pflücken.
Jean PaulWer verrät, er verwahre ein Geheimnis, hat schon dessen erste Hälfte ausgeliefert. Und die zweite wird er nicht lange behalten.
Jean PaulDas Alter, der Mondschein des Lebens, hat keine Gewitter der Leidenschaften; aber unter dem frühern Sonnenschein blitzen sie.
Jean PaulDas Lob, das man im Enthusiasmus einer Frau über eine Eigenschaft gibt, gefällt ihr wenig, wenn man diese für eine der Weiblichkeit, des Geschlechts, ausgibt.
Jean PaulDer Mensch [...] findet die stoischen Trostgründe gegen alle Schmerzen wahr und stark; nur gerade gegen den jetzigen nicht, und wenn er aus Stichwunden blutet, denkt er: Quetschwunden schließen sich leichter.
Jean PaulNur wer irgendein Ideal, das er ins Leben ziehen will, in seinem Inneren hegt und nährt, ist verwahrt gegen die Gifte und Schmerzen der Zeit.
Jean PaulWäre die Tugend nichts wie Stoizismus: so wäre sie ein bloßes Kind der Vernunft, deren Pflegetochter sie höchstens ist. Der Stoizismus stellt die Tugend so nützlich, so vernünftig dar, daß sie nichts weiter ist als ein Schluß; man hat bei ihr nichts zu überwinden als Irrtümer.
Jean PaulHinter einem voranziehenden Gott würden alle Menschen Götter. Tilgt ihr aber das Ideal aus der Brust, so verschwindet damit Tempel, Opferaltar und alles.
Jean PaulIch kenne nur eine Sache, die süßer ist, als ein Buch zu machen, nämlich eines zu entwerfen.
Jean PaulBloß darum müssen wir soviel lesen, weil wir alles in 10 Büchern lesen müssen, anstatt es aus einem zu merken.
Jean PaulDer Scherz fehlt uns bloß aus Mangel an - Ernste, an dessen Stelle der Gleichmacher aller Dinge, der Witz, trat, welcher Tugend und Laster auslacht und aufhebt.
Jean PaulDie Hoffnung mag eintreffen oder nicht, so hat sie doch das Gute, daß sie die Furcht verdrängt.
Jean PaulNiemand wird in der Welt leichter betrogen - nicht einmal die Weiber und die Fürsten - als das Gewissen.
Jean PaulEs ist ein namenloses Gefühl, einen Freund lieben zu wollen aus Erinnerung und ihn fliehen zu müssen aus Ehre.
Jean PaulWarum stechen denn durch alle unsre Bündnisse Schmerzen, und warum blutet das Herz wie seine Adern am reichsten, wenn es erwärmt wird?
Jean PaulGib dem kleinen Kind einen dürren Zweig, es wird mit seiner Phantasie Rosen daraus sprießen lassen.
Jean PaulDer Gedanke an die Unsterblichkeit ist ein leuchtendes Meer, wo der, der sich darin badet, von lauter Sternen umgeben ist.
Jean PaulNach Ähnlichkeit der schön polierten englischen Einlegmesser gibts auch Einleg-Kriegsschwerter oder - mit andern Worten - Friedensschlüsse.
Jean PaulDer stille Egoismus der jetzigen Gefühlsmänner liegt schon darin, daß sie dem Helden Briefe an einen Freund diktieren, gegen den er keine Liebe zeigt und den er nur hat, um eine Adresse für seine Publikums-Briefe zu haben.
Jean PaulZum Engel der letzten Stunde, den wir so hart den Tod nennen, wird uns der weichste, gütigste Engel zugeschickt, damit er gelinde und sanft das niedersinkende Herz des Menschen vom Leben abpflücke.
Jean PaulDie Schriftsteller, welche ihre Schriften mit der Feile in der Hand verfertigen, werden im gemeinen Leben wenig oder schlecht sprechen. Sie sind zu sehr gewohnt, gut zu sprechen, um geschwind zu sprechen.
Jean PaulDie Existenz Gottes beweisen oder bezweifeln, heißt die Existenz der Existenz beweisen oder bezweifeln.
Jean PaulIch bin so an Freiheit gewöhnt, daß mich schon eine bloße Einladung quält, besonders lange voraus.
Jean PaulDas Schicksal legt Nacht um uns und reicht uns nur Fackeln für den nächsten Weg, damit wir uns nicht betrüben über die Klüfte der Zukunft und über die Entfernung des Ziels.
Jean PaulViele Tugenden des Alters sind nur Folgen gestillter Wünsche und verengter oder erweiterter Schranken.
Jean PaulO! der Mensch sieht es oft spät ein, wie sehr er geliebt wurde, wie vergeßlich und undankbar er war, und wie groß das verkannte Herz.
Jean PaulWer nicht den Mut hat, auf seine eigne Art närrisch zu sein, hat ihn schwerlich, auf seine eigne klug zu sein.
Jean PaulPoesie ist wie ein Duft, der sich verflüchtigt und dabei in unserer Seele die Essenz der Schönheit zurückläßt
Jean PaulWenn ich ein teures Wesen sehr zärtlich lieben und ihm alles vergeben will, so habe ich es nur einige Zeit schweigend anzusehen.
Jean PaulWarum denk' ich: die tiefsten Schmerzensstriche auf unserer Stirn, die Runzeln des Lebens sind nur kleine Linien aus dem ungeheuern Bauriß, den der Weltgeist zieht, unbekümmert, welche Stirnen und Freuden seine Glückslinie schmerzhaft durchschneide?
Jean Paul