Zitate von Jean Paul
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Eine neue Rolle des Lebens spielt der Mensch am wärmsten und am besten; über unsern Antrittspredigten schwebt der Heilige Geist brütend mit Taubenflügeln – nur später liegen die Eier kalt.
Es ist eine lebensverwirrende Gewohnheit, daß der Mensch sich das fremde Hassen viel öfter und lebhafter in das Herz hineinredet, als das fremde Lieben, daher er das eine stärker erwidert als das andere.
Das milde, wohlwollende weibliche Geschlecht führt uns nur dann auf Irrwege, wenn es selber mitgeht.
In jeder Liebe ist ein Schmerz, denn welches Geliebte ist glücklich genug, auch wenn man es nicht verliert.
Man liebt am schönsten und reinsten die Wesen, die nicht wiederlieben, Hunde, Kinder; Geliebte, von denen man nichts fordern kann.
Wer die Erde verloren, schaue gen Himmel; wer sie gewonnen, schaue wieder zum Himmel; er heilt das verblutete wie das pochende Herz.
Die Kinder sagen unzählige zarte Gefühle heraus, die die Erwachsenen auch haben, aber nicht sagen.
Und welche Sekunde ist die wichtigste im ganzen Leben? Gewiß nicht die letzte, wie Theologen sonst sagten, sondern wahrscheinlich die erste, wie Ärzte bewiesen.
Die Weiber gleichen dem Pater Lodoli, der (nach Lambergs Tagebuche) nichts so mied als das Wörtchen Ja; wenigstens sagen sie es erst nach dem Nein.
Erweiche dich durch die Ausmalung der Leiden des Feindes, denke dir ihn als einen geistig Gebrechlichen, der Mitleid verdient.
Bücher wirken wenig auf Individuen, aber doch auf das Jahrhundert und mithin auch auf jene.
Zürnet dein Freund mit dir, so verschaff ihm eine Gelegenheit, dir einen großen Gefallen zu erweisen. Darüber muß sein Herz zerfließen, und er wird dich wieder lieben.
Jede Liebe glaubt an eine doppelte Unsterblichkeit, an die eigne und an die fremde. Wenn sie fürchten kann, jemals aufzuhören, so hat sie schon aufgehört. Es ist für unser Herz einerlei, ob der Geliebte verschwindet oder nur seine Liebe.
Ein Herz voll Liebe kann alles vergeben, sogar Härte gegen sich, aber nicht Härte gegen andere; denn jene zu verzeihen ist Verdienst, diese aber Mitschuld.
Niemand ändert sich schwerer, als der stets unter andern oder in Geschäften lebt, d. i. träumt – die andringende, überhäufende Gegenwart ersticket jeden stillen Keim.
Die Ursache, warum ein Mensch neben einem andern soviel mehr Mut hat, als allein, liegt tief. Das Alleinsein ist uns der fürchterlichste Gedanke der Schöpfung und eine Furcht, die nie recht aus uns will.
So wie über dem Künstler, über dem Dichter, über dem Helden u. s. w., so steht über der Mutter der Mensch, und so wie z. B. mit dem Kunstwerk der Künstler zugleich noch etwas Höheres bildet, den Schöpfer desselben, sich: so bildet die Mutter mit dem Kinde zugleich ihr heiligeres Ich.
Kleine Freuden laben, wie Hausbrot, immer ohne Ekel; große wie Zuckerbrot, zeitig mit Ekel.
Kürze ist der Körper und die Seele des Witzes, ja er selber, sie allein isoliert genugsam zu Kontrasten.
Eine schöne Frau soll sich schön ankleiden, eine häßliche reich, so gefallen sie zwei Geschlechtern.
Wir sind viel zu höflich, um vor ansehnlichen Leuten ein Ich zu haben. Ein Deutscher ist mit Vergnügen alles, nur nicht er selber.
Es ist die größte Weisheit, sich über die Menschen hinauszusetzen, ohne sie zu hassen oder zu verachten.
Liebe ist ewig ein Schmerz, entweder ein bitterer oder ein süßer, immer eine Nacht, worin kein Stern aufgeht, ohne daß einer hinter unserm Rücken untertaucht. – Freundschaft ist ein Tag, wo nichts untergeht, als einmal die Sonne, und dann ist’s schwarz, und der Teufel erscheint.
Alles Heilige ist früher als das Unheilige; Schuld setzt Unschuld voraus, nicht umgekehrt.
Wie es Schreibmenschen, so gibt es auch Sprechmenschen, die nur durch zweite Menschen zu ganzen werden, und welche, um viel Witz, Scharfsinn, Feuer zu haben, durchaus Zuhörer bedürfen.
Jede Verleumdung, wenn man sie auch verwirft, läßt eine geringere Meinung vom Verleumdeten auf kurze Zeit zurück.
Heiterkeit, die nur der Mensch haben kann – obwohl Genuß das Tier -, schließet wie ein Frühling alle Blüten des Innern auf; ein verdrüßlicher Gott wäre ein Widerspruch, und das Seeligsein ist um eine Ewigkeit älter als das Verdammtsein.
In der Jugend wird fast jedes Bedürfnis zum Genuß, im Alter jeder Genuß zu einem Bedürfnis.
Jeder hält sein Leben für die Neujahrnacht der Zeit und mithin, wie der Abergläubige, seine – aus Erinnerungen zusammengehefteten – Träume darin für Prophezeiungen aufs ganze Jahr.
Wie viele Sünden gehen wie nächtliche Räuber ungesehen und mit sanften Mienen durch uns, weil sie, wie ihre Schwestern in Träumen, sich nicht aus dem Kreise der Brust verlaufen und nichts Fremdes anzufallen und zu würgen bekommen!
Wenn man sich einmal vorgesetzt hat, sich kalt zu stellen, so wird man es noch mehr, wenn man Ursachen findet, es nicht zu werden.