Zitate von Johann Gottfried Herder
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Die Zeit hilft alles tragen, die lindernde macht alle Schmerzen, alle Qualen leicht.
Bildung der Denkart, der Gesinnungen und Sitten ist die einzige Erziehung, die diesen Namen verdient, nicht Unterricht, nicht Lehre.
Wir messen unsere trägen Schritte nach Raum und Zeit und sind – wir wissen es nicht – inmitten der Ewigkeit.
Laß es sein, daß der Gutherzige lang unterdrückt werde; mit der Zeit werden sich andre Gutherzige zu ihm sammeln und ihre Kräfte mit den seinigen vereinen.
Glaube ist weder Wissen noch Ahnen, weder ein bloßes Hoffen noch Wünschen; er ist eine stille Zuversicht des Unsichtbaren nach dem Maßstabe des Sichtbaren; ein Ergreifen der Zukunft.
Selten wissen die Menschen, weshalb sie streiten; je länger aber, desto hartnäckiger hadern sie.
Wir tragen alle ein Ideal in und mit uns, was wir sein sollen und nicht sind; die Schlacken, die wir ablegen, die Form, die wir erlangen sollen, kennen wir alle.
Die höchste Liebe wie die höchste Kunst ist Andacht. Dem zerstreuten Gemüt erscheint die Wahrheit und die Schönheit nie.
Süß wie dem durstenden Wandrer in Mittagshitze der Quell ist; süß wie nach Wintergefahr Schiffern das blumige Land; Also und süsser noch ists, wenn nach langer Entfernung glückliche Liebe zwei sehnende Seelen vereint.
In ein Gewebe wanden Die Götter Freud‘ und Schmerz; Sie webten und erfanden Ein armes Menschenherz.
Zähle dich nicht zu Menschen, so lange Zorn dich empört; nur in der Ruhe gedeiht, Menschheit, des Menschen Verstand.
Die Maschinen des Epischen Dichters müssen nicht Allegorische Abstrakta seyn: bei Homer sind sie es nicht.
Das eine Menschengeschlecht hat sich allenthalben auf der Erde klimatisiert.
An nichts Geliebtes mußt du dein Gemüt Also verpfänden, daß dich sein Verlust Untröstbar macht.
Freundschaft: Aufschluß und Teilung der Herzen, innige Freude aneinander, gemeinschaftliches Leid miteinander, Rat, Trost, Bemühung, Hilfe füreinander sind die Kennzeichen, ihre Süßigkeiten und innere Belohnung.
Fehlschlüsse, wenn man die Succeßion der Töne für das Hauptmerkmal der Poesie annimmt.
Rohe Kräfte können nur durch die Vernunft geregelt werden; es gehört aber eine wirkliche Gegenmacht, d.i. Klugheit, Ernst und die ganze Kraft der Güte dazu, sie in Ordnung zu setzen und mit heilsamer Gewalt darin zu erhalten.
Unsere Lebensalter sind die der Pflanze: wir gehen auf, wachsen, blühen, blühen ab und sterben.
Nicht auf dem Boden deiner Erde wandelst du, armer Mensch, sondern auf einem Dach deines Hauses, das durch die vielen Überschwemmungen erst zu dem werden konnte, was es dir jetzt ist.
Je gröber der Irrtum, desto kürzer und gerader der Weg zur Wahrheit, dahingegen der verfeinerte Irrtum uns auf ewig von der Wahrheit entfernt halten kann, je schwerer uns einleuchtet, daß er Irrtum ist.
Ekel kommt eigentlich allein dem Geschmack und Geruch zu; andern Sinnen nur, so fern sie sich an deren Stelle setzen. Nicht alles Häßliche also ist ekelhaft.
Was in Sitten auf die Gesellschaft am meisten wirkt, ist nicht Lehre und Befehl, sondern Vorbild, Beispiel.
Wir lieben immer mehr das Halbe als das Ganze, den versprechenden Morgen als den Mittag in höchster Sonnenhöhe.
Verstand ist der Gemeinschatz des menschlichen Geschlechts; wir alle haben daraus empfangen, wir alle sollen unsre besten Gedanken und Gesinnungen hineintragen.
Ein Wunsch, der still für uns und andere fleht, ein Seufzer, der dem Herzen leis entweht, den keine Lippe spricht, ist ein Gebet.
[…] Und im menschlichen Leben sollte nicht eben dies Gesetz walten, das, innern Naturkräften gemäß, aus dem Chaos Ordnung schafft und Regelmäßigkeit bringt in die Verwirrung der Menschen? Kein Zweifel! wir tragen dies Principium in uns, und es muß und wird seiner Art gemäß wirken
Frieden gab er der Welt, aber sie kennt ihn nicht. Wahrheit, und sie verschließet lästernd die Augen ihr. Welchen Sklaven die Kette freut, genießt der Freiheit nie.
Was nicht in Deiner Macht, O Thor, das wünschest Du; Und was in Deiner Macht, Verlierst Du drüber – Ruh!
Auf Treu und Glaube sind Freundschaft, Ehe, Handel und Wandel, Regierung und alle andre[n] Verhältnisse zwischen Menschen und Menschen gegründet. Man untergrabe diesen Grund; alles wankt und stürzt; alles fällt auseinander.
Vorübergehend ist also alles in der Geschichte, die Aufschrift ihres Tempels heißt: Nichtigkeit und Verwesung.
Ohne Begeisterung geschah nichts Großes und Gutes auf der Erde; die man für Schwärmer hielt, haben dem menschlichen Geschlecht die nützlichsten Dienste geleistet.
Ich liebe den Frieden, aber keinen andern als einen guten, standhaften, ehrenvollen Frieden.
Soll die Kunst nichts Vorübergehendes zu ihrem Anblicke wählen: so verliert sie ihr Leben. Soll sie für jede wiederholte Erblickung arbeiten: so ihr Wesen.
Die Schöpfung kennt nichts Edleres als zwei freiwillig und unauflöslich zusammengeschlungene Hände, zwei freiwillig einsgewordene Herzen und Leben.
Energie ist das oberste Gesetz der Dichtkunst: sie malet also nie Werkmäßig.
Der Mensch muß am längsten lernen, weil er am meisten zu lernen hat, da bei ihm alles auf eigen erlangte Fertigkeit, Vernunft und Kunst ankommt.
Keine andere Dichtungsart versteht dem menschlichen Herzen so feine Dinge so fein zu sagen, als das Märchen.
Die Seele des Kindes ist heilig und was vor sie gebracht wird, muß wenigstens den Wert der Reinlichkeit haben.