Zitate von Johann Gottfried Herder
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Wie wir gegen andre handeln, so handeln andre gegen uns; ja sie werden von uns gezwungen, so zu handeln.
Die Jahre wissen keinen Halt, sie achten keiner Zügel. Der Mensch wird unversehens alt, als hätt er schnelle Fügel.
Ehre kann nur genießen, wer das Bewußtsein des Verdienstes in sich hat, sonst wird ihm bei einiger Ehrlichkeit gegen sich selbst die äußere Ehre unerträglich.
Nicht Buchstabe, Zeremonie, Vorurteil, Herkommen, Gesetze oder Zwangspflichten, sondern Geist, Licht und Kraft der Wahrheit soll uns als Religion gelten.
Das Menschengeschlecht wird nicht vergehen, bis dass alles geschehe! Bis der Genius der Erleuchtung die Erde durchzogen!
Wer sich um Wahrheit müht und nicht anwendet Weisheit, gleicht dem Manne, der pflügt, aber zu säen vergißt.
Der Mensch ist also eine künstliche Maschine, zwar mit genetischer Disposition und einer Fülle von Leben begabt; aber die Maschine spielet sich nicht selbst, und auch der fähigste Mensch muß lernen, wie er sie spiele.
Am innigsten aber wird Sprache und Rede durch Umgang gebildet; und leider wir Deutsche nutzen den Umgang zu Bildung unsrer Sprache und Rede fast gar nicht: daher heißen wir bei andern Nationen so oft stumme, oder ungeschickt Sprechende, grobe Barbaren.
Wörter sind nicht bloß Zeichen, sondern gleichsam die Hüllen, in welchen wir die Gedanken sehen.
Niedrige und spießbürgerliche Geister bleiben im Lande und sitzen da fest – höhere aber reisen.
Eine schöne Menschenseele finden, ist Gewinn. Ein schönerer Gewinn ist, sie erhalten, und der schönste, und schwerste, sie, die schon verloren war, zu retten.
Du bist tugendhaft gewesen: zeige mir deine Tugend auf. Sie ist null, sie ist nichts! Sie ist ein Gewebe von Entsagungen, ein Fazit von Zeros.
Wie wir sind, sind unsere Kinder; niemand kann was besseres als sich selbst der Nachwelt geben. […] Denn kein Abfluß springt höher als seine Quelle.
Mensch, genieße dein Leben, als müßtest du morgen weggehen; Schone dein Leben, als ob du ewig weiltest hier.
Wo sind denn die Zwecke, für die Welt zu leben, je (wenn man beides einzurichten weiß) den Zwecken, für sich zu leben, entgegen?
Wer sich auf himmlische Kräfte verläßt, indem er den eigenen entsagt, ist ein Tor.
Lob befruchtet die Seele, wie den Acker milder Regen, damit die Saat im ersten Wuchs nicht sterbe.
Komm hinaus, Jüngling, aufs freie Feld und merke: die urälteste, herrlichste Offenbarung Gottes erscheint mir jeden Morgen als Tatsache, großes Werk Gottes in der Natur.
Dem Künstler sind Götter und geistige Wesen nicht blos personisirte Abstrakta, so bald er sie in Handlung kann erscheinen lassen.
Geist ist von Sittlichkeit nicht zu trennen. Mein Geist ist ohne Sittlichkeit nicht zu haben. Ich gebe nur beides zusammen… Wert hat nur das Sittliche. Wie für die Völker gilt für den einzelnen, daß Sittlichkeit immer mehr bedeutet als Geistesarbeit.
Der Mensch ist der erste Freigelassene der Schöpfung; er steht aufrecht. Die Waage des Guten und Bösen, des Falschen und Wahren hängt in ihm; er kann forschen, er soll wählen.
Das Los der Gesegneten ist: Genuß höherer Erkenntnis, erweiterte Tätigkeit und Seligkeit, Gottesgemeinschaft für geringe Taten und gegen kleine Leiden.
Sag, o Weiser, wodurch du zu solchem Wissen gelangtest? Dadurch, dass ich mich nie andre zu fragen geschämt.
Wir alle haben Stunden der Einsamkeit nötig. Stunden, in denen wir uns erforschen, wo wir wieder suchen, was wir verloren haben.
Was der Frühling nicht säete, kann der Sommer nicht reifen, der Herbst nicht ernten, der Winter nicht genießen.
Homers Nebel und Unsichtbarwerden sind keine Poetische Phrases: sondern gehören mit zum Mythischen Wunderbaren seiner Epopee. Unsichtbar seyn ist nicht der natürliche Zustand der Homerischen Götter.
Ein Mensch in verschiedenen Lebenszeiten ist sich nicht gleich, denkt anders, nachdem er anders empfindet.
Der stolze Mensch wehret sich, sein Geschlecht… als einen Raub der alleszerstörenden Verwesung zu betrachten; und dennoch, dringen Geschichte und Erfahrung ihm nicht dieses Bild auf? Was ist denn Ganzes auf der Erde vollführt? Was ist auf ihr Ganzes?
Freie Untersuchung der Wahrheit von allen Seiten ist das einzige Mittel gegen Wahn und Irrtum, von welcher Art sie sein mögen.
Wer nicht läuft, gelangt nie zum Ziele, und wer sich nicht anstrengt, wird nie seine Absicht erreichen.
Wer für andere nur weiß, der trägt wie ein Blinder die Fackel, leuchtet voran und geht selber in ewiger Nacht.
Ein Traum Ein Traum ist unser Leben auf Erden hier. Wie Schatten auf den Wogen schweben und schwinden wir, und messen uns’re trägen Tritte nach Raum und Zeit; und sind (und wissen’s nicht) in Mitte der Ewigkeit.
Was dich regt, sei die Sache, Die du thust, nicht ihre Folgen; Elend wird, wer sie berechnet, Weisheit ruhet in der Handlung.
Die Menschheit ist ein großer Leib voll Glieder. Fühlst du dich nicht in deine Brüder, So fühlt in dich sich niemand wieder.