Zitate von Johann Wolfgang von Goethe
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Das herrliche hat die Natur, wie man auf sie losgeht, daß die immer mehr entfaltet, immer neu erscheint, ob sie gleich die alte, immer tiefer, ob sie gleich immer dieselbe bleibt.

Die Kranken sind wie Schwamm und Zunder, ein neuer Arzt tut immer Wunder.

Ein irdischer Verlust ist zu bejammern, ein geistiger treibt zur Verzweiflung hin.

So kann ich nicht billigen, dass man von den studierenden künftigen Staatsdienern gar zu viele theoretisch gelehrte Kenntnisse verlangt, wodurch die jungen Leute vor der Zeit geistig wie körperlich ruiniert werden.

Denn in der Jugend glaubt man noch an die Möglichkeit einer Ausgleichung und Vereinbarung, in alten Jahren aber sieht man diesen großen Irrtum ein und hält das Ungleichartige und Unzusagende geradezu von sich ab.

Was ist ein Philister? Ein hohler Darm, mit Furcht und Hoffnung ausgefüllt; daß Gott erbarm!

Wahr ist’s, daß wahre Verbindungen Zeit brauchen, wie Bäume, um Wurzeln zu treiben, Kronen zu bilden und Früchte zu bringen.

Ich verfluche allen negativen Purismus, daß man ein Wort nicht brauchen soll, in welchem eine andere Sprache vieles oder Zarteres gefaßt hat.

Es ist dem geselligen Menschen ganz gleichgültig, ob er nutzt oder schadet, wenn er nur unterhalten wird.

Man darf keinen Zustand, der länger dauern, ja, der eigentlich ein Beruf, eine Lebensweise werden soll, mit einer Feierlichkeit anfangen. Man feiere nur, was glücklich vollendet ist!

Man will bemerkt haben, daß zwei verschiedene Menschenmassen, in einem engen Raum, zum Beispiel eines Schiffs, vereinigt, wenn schon beide gesund, doch einen gefährlichen, krankhaften Zustand erzeugen.

Es gibt problematische Naturen, die keiner Lage gewachsen sind, in der sie sich befinden, und denen keine genug tut. Daraus entsteht der ungeheure Widerstreit, der das Leben ohne Genuß verzehrt.

Unarten, die in der Jugend oft sogar interessant und am Manne noch erträglich sind, werden ganz unleidlich, wenn man sie ins Alter hinübernimmt.

Heiraten, Engel, ist wunderlich Wort: Ich meint‘, da müßt‘ ich gleich wieder fort.

Von früher Jugend an hatte mir und meiner Schwester der Vater selbst im Tanzen Unterricht gegeben, welches einen so ernsthaften Mann wunderlich genug hätte kleiden sollen, allein er ließ sich auch dabei nicht aus der Fassung bringen.

Nicht allein die ganz frische Jugend, sondern auch der schon herangebildete Mann wird, sobald ihm ein prägnanter folgerechter Gedanke aufgegangen, sich mitteilen, bei andern eine gleiche Denkweise anregen wollen.

Was der Mensch leisten soll, muß sich als ein zweites Selbst von ihm ablösen, und wie könnte das möglich sein, wäre sein erstes Selbst nicht ganz davon durchdrungen?

Es ist nichts inkonsequenter als die höchste Konsequenz, weil sie unnatürliche Phänomene hervorbringt, die zuletzt umschlagen.

Das Falsche hat den Vorteil, daß man immer darüber schwätzen kann; das Wahre muß gleich genutzt werden, sonst ist es nicht da.

Aus den Ärzten ist nichts zu bringen. Man weiß niemals, ob sie etwas geheimhalten oder ob sie selbst nicht wissen, woran sie sind.

Die wunderbarsten Phänomene der Ökonomie der Insekten, besonders bei dem Bau ihrer Wohnungen, lassen sich vielleicht auf das unmittelbare Gefühl des Bedürfnisses, des Materials und Lokals am besten reduzieren.

Soll dein Kompaß richtig leiten, hüte dich vor Magnetstein‘, die dich begleiten!

Laß mich an den Wohltaten deiner Überzeugungen teilnehmen und behalte deine Zweifel für dich selbst, da ich hieran schon genug allein zu tragen habe.

Wir wollen einander nicht aufs ewige Leben vertrösten. Hier noch müssen wir glücklich sein.

Der wahre Reichtum bestünde also in dem Besitz solcher Güter, welche man zeitlebens behalten, welche man zeitlebens genießen und an deren Genuß man sich bei immer vermehrten Kenntnissen immer mehr erfreuen könnte.

Zum Leben braucht’s nicht just, daß man tapfer ist. Man kommt auch durch die Welt mit Schleichen und mit List.

Wie unbedeutend erscheint dem Menschen in leidenschaftlichen Augenblicken alles, was ihn umgibt.

Ein großer Fehler ist: daß man sich mehr dünkt, als man ist, und sich weniger schätzt, als man wert ist.

Man ist nur vielseitig, wenn man zum Höchsten strebt, weil man muß (im Ernst), und zum Geringern herabsteigt, wenn man will (zum Spaß).

Die größten Menschen hängen immer mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zusammen.

Denn meist versprechen sie* mehr, als sie halten, und es scheint, als wenn die Natur unter anderen schelmischen Streichen, die sie uns spielt, auch hier sich ganz besonders vorgesetzt, uns zum besten zu haben.

Doch haben freilich von jeher die Philosophen besonders den Hass, nicht allein ihrer Wissenschaftsverwandten, sondern auch der Welt- und Lebensmenschen auf sich gezogen, und vielleicht mehr durch ihre Lage als durch eigene Schuld.

Ein wohlausgedachter Plan, wenn er ausgeführt dasteht, läßt alles vergessen, was die Mittel, um zu diesem Zweck zu gelangen, Unbequemes mögen gehabt haben.

Bescheidenheit und Mut sind die unzweideutigsten Tugenden; denn sie sind von der Art, daß Heuchelei sie nicht nachahmen kann.