Zitate von Berthold Auerbach
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Die Juden sind die Kinder des Mitleids, sie verstehen Leid zu tragen, zu lindern, weit besser, als Freude zu schaffen; die Erinnerung vergangener Gedrücktheit macht sie verständnisvoll für alles Leiden.

Eine Idee muss Wirklichkeit werden können, oder sie ist nur eine eitle Seifenblase.

Ich habe noch nie gefunden, daß ein allzeit fertiger Citirmichel eigene Gedanken aus produktiver Seele habe.

Wenn in einer Seele eine sittlich nötige Eigenschaft fehlt, oder ihr durch Umstände entzogen ist, entwickelt sich nichts Ganzes und Gerechtes.

Die höchste Aufgabe der Bildung ist aber die Erziehung zur Pflicht, zur Erfüllung des Gesetzes, das wir in der Erkenntnis finden.

Unbefriedigtheit ist die Quelle vieler Leiden, aber auch die alles Fortschritts im Leben des Einzelnen und der Völker.

Heimisch in der Welt wird man nur durch Arbeit. Wer nicht arbeitet, ist heimatlos.

Das normale oder normgebende Genie hat mit dem anormalen, das als Wahnsinn erscheint, das gemein, daß es genetisch nicht nachweisbar, sondern meteorartig erscheint.

Die meisten Menschen machen sich für ihre Teilnahme bei einem Mißgeschick oder einem Fehltritt gleich dadurch bezahlt, daß sie ihrem freundschaftlichen Ärger und ihren weisen Ermahnungen Luft machen.

Eine Mietswohnung suchen macht verstimmt und mißmutig. Warum? Wohl weil du dir deines Fremdsein auf der Welt neu bewußt wirst.

Wer sich über Verkennung und Undank der Menschen beklagt, hat sich zuerst über sich selbst zu beklagen, daß er sein Lebenskapital Unbekannten, ja im Stillen eigentlich als zahlungsunfähig Gekannten hingab.

Wir fassen überhaupt alles Überirdische nicht durch den Begriff, sondern durch den Glauben.

Nur arbeitsame Menschen sind aus sich heraus fröhlich, friedfertig und gut, Müßiggänger werden aber zu Trunk- und Spielsucht verleitet, werden ärgerlich, zänkisch, ränkesüchtig und schlecht.

Manche Menschen bringen im Gespräche zugespitzte Treffworte von ehedem vor, die wie eingelegte Gemüse sind; sie haben etwas Stickiges, Müffiges.

Manche Gedanken sind wie ungespaltenes Holz. Wer den geeigneten Ofen hat, kann damit heizen. Andere müssen spalten und manche müssen die wärmehaltenden Scheite liegen lassen und derweilen frieren.

Das ist echte Humanität, wenn der Geschützte, Behütete und aufrecht Stehende sich des Unbeschützten, Unbehüteten und Gefallenen erbarmt und nicht den Stein der Verwerfung gegen ihn aufhebt.

Was wäre die Menschengeschichte ohne die Heroen, die uns den weiten Blick ins Geistreich geben? Etwas vom freien reinen Atem der Berge zieht in uns ein, wenn wir uns neben die Heroen des Geistes versetzen.

Ein Freund, der in der Trauer bei uns ist, ist wie ein Licht in der Nacht, er zwingt uns doch oder gibt uns wenigstens Gelegenheit, die Gegenstände um uns her zu sehen, zu wissen, daß noch eine Welt da ist und wir uns nicht ganz in der Nacht der Einsamkeit vergraben.

Ich denke aus mir selber, darum bin ich – Ich. So mag für nachfolgende Blätter „cogito ergo sum“ übersetzt sein. Aber was bin ich? Wer kann sagen, was aus ihm selber stammt, und was er unbewußt überkommen und nur in sich aus- und umgebildet hat? Der Vater ist auch Kind.

Die Natur tut immer das Gleiche, und wir müssen ihr dienen, es ihr nachtun. Die Natur wiederholt sich im Gesetz, der Mensch in der Pflicht.

So sind die Menschen! Wenn sie sich in gereizter Stimmung befinden, behalten sie immer nur f’as eine im Sinne, was sie verletze, und übersehen alles andere noch so Liebreiche.

Eine große Frage der Lebenskunst ist, inwieweit wir unsere Persönlichkeit, unsere Eigentümlichkeit mit in die Gesellschaft nehmen und an sie hinausgeben dürfen. Zu viel Persönlichkeit atomisiert die Gesellschaft, zu wenig Persönlichkeit verflacht sie und macht sie farblos, fade und vag.

Die widerwärtigste Menschengattung ist der reservierte Philister; er lächelt zu allem, was gesagt wird; er weiß alles besser, was zu geschehen hat; er kompromittiert aber seine Stellung und seinen Verstand nie.

Warum ist dir ein andauerndes Geräusch weniger störend wenn es von einem Strome als wenn es von einer Maschine kommt? […] Du bist keine Minute sicher, daß das jetzt aufhören kann, und das macht unruhig.

Es rächt sich früher oder später, was man mit halber Wahrheit oder mit Widerspruch in der Seele unternimmt.

Die in die Hauskultur gebrachte Henne gackert lange, wenn sie ein Ei legt, der Vogel im Walde macht keinen Lärm davon.

Geld erwerben erfordert Klugheit; Geld bewahren erfordert eine gewisse Weisheit. Und Geld schön auszugeben ist eine Kunst.

Bei allem schweren Denken in die Ferne fordern die Gegenwart und der Tag ihr Recht.

Epigone! Das ist nichts als ein Wort des Katzenjammers. Sind die Griechen Epigonen der Ägypter, die Römer Epigonen der Griechen und so fort durch die Zeiten? Der Lebende hat recht, sagt das Dichterwort, und alles Lebende ist ein Werdendes, Neues.

Solange es berufstreue Schulmeister gibt, Menschen, deren Glückseligkeit in der Seelenweckung anderer besteht, solange gibt es hoffende, zukunftsreiche, siegesstarke Völker.

Fleiß und Ordnung kann sich jeder angewöhnen; das Angeeignete ist die höhere Tugend, Fähigkeit und Geschick aber sind nur überkommene Naturgaben.

Von allen Qualen, die den Menschen heimsuchen können, ist die Selbstverachtung die höchste, freilich nur für ein ehrlich Gemüt, denn die zahllosen anderen kommen nie dazu, sich selbst die volle Wahrheit zu gestehen.

Viele Charaktere sind nichts als ein Mosaik von Stimmungen; mit der Zeit bröckeln sie leicht ab.

Die Einsamkeit hat eine heilende Trösterin, Freundin, Gespielin: es ist die Arbeit.

Um einen Toten verwest auch der Schmerz, wenn das Tote zu Erde geworden; um ein lebendes Verlorenes lebt der Schmerz ständig fort.