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Die ersten Menschen, die eine Sprache für die Zukunft erfanden, taten dies im Glauben an wiederkehrende Zyklen. Die erste Zukunft war die Vergangenheit.
Elmar SchenkelWenn Nahestehende sterben, wundert man sich, dass man selbst noch lebt. Dann wird einem die eigene Sterblichkeit fühlbar oder man fantasiert sich eine eigene Unsterblichkeit herbei.
Elmar SchenkelUnschärferelation: der Zugreisende wundert sich, dass die Autos in diesem Land so still stehen. Er übersieht, dass der Zug die Ursache für das Stillstehen ist.
Elmar SchenkelAuch Gedanken haben ihre Schwerkraft. Man kehrt dann immer wieder zu ihnen zurück. Sie umkreisen den Geist wie Planeten die Sonne.
Elmar SchenkelDie physischen Hindernisse, die Frage des Gleichgewichts, die Konzentration und der Blick nach vorn, das alles macht das Fahrrad zu einem Spiegel der Seele.
Elmar SchenkelMan hat Glück, aber weiß es nicht, und so geht man an den besten Dingen und Menschen ahnungslos vorbei. Andere wissen, aber haben kein Glück.
Elmar SchenkelWarum zeigen MP3-Hörer keine Gestik? Welche Folgen hat es, dass sie fortwährend die körperliche Rhythmik unterdrücken, die doch von der Musik gefordert wird?
Elmar SchenkelAngst vor Vampiren und Ahnenverehrung stehen nicht im Widerspruch. Sie bedingen einander.
Elmar SchenkelDa die Welt so groß geworden ist, müssen wir vieles klein halten, um ihr noch standzuhalten.
Elmar SchenkelMit dem, was wir heute tun, sprechen, denken und fühlen, verwandeln wir Geschichte in Zukunft und geben den Wörtern ein Gesicht.
Elmar SchenkelDie Alchemie verkauft zwei Rezepte gegen das Unglück: den Stein der Weisen, der die unedlen Dinge in Gold verwandelt, und das Elixier des Lebens, das die Unsterblichkeit oder zumindest ein langes, langes Leben verspricht. Beide sind Rezepte gegen den Tod.
Elmar SchenkelMarcel Proust schrieb einmal, Bücher seien Grabsteine auf Verlorengegangenes, auf Erinnrungen und Gefühle. Umgekehrt ließe sich sagen: Auch Friedhöfe sind Bücher.
Elmar SchenkelDas Wichtigste, was Bibliotheken versprechen, ist Dauer. Sie geben dem Geist eine Bleibe, und zwar auf länger. Buchhandlungen verschwinden wie Sandkörnchen im Sturm, elektronische Medien fressen sich selber auf, doch Bibliotheken bleiben wie Pyramiden im Sand stehen.
Elmar SchenkelWie oft wird einem eine Lebensleistung mit nur einem winzigen Wort weggefegt, als handele es sich bei dieser Leistung nur um einen Schneehaufen.
Elmar SchenkelDie Zeit - einer der Begriffe, über die man fast alles sagen kann, wie eben über einen Unbekannten.
Elmar SchenkelImmer auf der Suche nach dem Ghostwriter. Wer anders könnte es sein als der Zeitgeist.
Elmar SchenkelEine Philosophie des Glücks müsste in erster Linie das Phänomen der Erleichterung ins Auge fassen.
Elmar SchenkelJedem Menschen ist eine eigene Entfernung zugeordnet, in der er am besten aussieht. Ändere den Maßstab, und er zerfällt.
Elmar SchenkelUnentschlossen diese Geste: zwischen Händefalten zum Gebet und Beifallklatschen zum Mord. (Eine Figur auf François Bunel III).
Elmar SchenkelDer Name ist... ein Lebensfunke, ein Hauch des Schöpfers in das Ungeformte, in den Lehm.
Elmar Schenkel