seite 4
Wer werden im Rückblick die Götter unserer Zeit gewesen sein? Welche Namen werden sie tragen: Sicherheit, Abfall, Größe, Angst, Geschwindigkeit, Kleinheit?
Elmar SchenkelManche Fragen, die das Teleskop stellt, kann nur das Mikroskop beantworten. Das Umgekehrte gilt auch.
Elmar SchenkelAuch Gefühle sind Architekturen: immer wieder geht man durch dieselben Korridore und schaut durch dieselben Fenster. Aber das Haus hat noch viele andere Korridore und Fenster.
Elmar SchenkelAus der Geschichte lernen? Ja, aus Geschichtsbüchern kann man etwas lernen. Nur vergisst man es bei der nächsten Gelegenheit, denn Geschichte wird nicht aus Erkenntnissen betrieben, sondern aus Gefühlen. Und Gefühle haben keine Geschichtsschreibung. Sie wiederholen sich einfach.
Elmar SchenkelBeim Essen in einem Thai Restaurant. Es gab einst mehrere Paradiese, doch Gott kümmerte sich nur um eines. Die anderen scheint es noch zu geben.
Elmar SchenkelEs gibt Tage, da folgen einem die Aphorismen wie Eisenspäne dem Magneten, es gibt Monate, da geht man taub. Woran mag es liegen? Manchmal auch auf Reisen in bestimmte Länder. Eine gewisse Muße? Muss gegen Muße, das ist das Problem.
Elmar SchenkelEs ging das Gerücht, der Kosmos sei in einer Minute der Abgelenktheit geschaffen worden.
Elmar SchenkelWir glauben alle einzeln an unserer Selbstverwirklichung zu arbeiten, doch als ganzes erreichen wir die Selbstunverwirklichung.
Elmar SchenkelDass man morgens immer noch als das einigermaßen selbe Wesen aufwacht, ist schon ein Wunder. Warum bin ich nicht ein Tisch oder ein Pferd? Immer dieselben Schultern, dieselben Arme, die man im Halbschlaf wendet.
Elmar SchenkelWenn Sprache Gesichter formt, so müsste man doch an den Falten und anderen Spuren erkennen, welche Muttersprache einer hat.
Elmar SchenkelDass etwas ein Fluss ist, erkennt man am Schlängeln. Das ist auch bei Reden der Fall - man sieht gleich, ob sie Flüsse sind oder Kanäle.
Elmar SchenkelDie Geschichte des Kragens! Der Rüschenkragen im 17. Jahrhundert als die Grenze zwischen Geist und Leib, eine ausufernde Grenze.
Elmar SchenkelWir lebten alle in derselben Zeit? Während es dem einen dämmert, ist es beim andern noch Mitternacht.
Elmar SchenkelDie wahre Autorin aller Literatur ist die Grammatik. Das Futur erschafft die Science Fiction, die Vergangenheit das Epos, die Gegenwart das Gedicht. Das Konditional spielt mit Möglichkeiten. Der Konjunktiv zaubert die Fantasy herbei.
Elmar SchenkelDer Mensch ist weniger die Krone der Schöpfung als ihre Armbanduhr. Die Zeit ist eine Linie, doch die Uhr ist rund.
Elmar SchenkelDie Welt berechenbar zu machen, aber das Rechnen zugleich zu vereinfachen, darin lag das eigentliche Ziel dieses viktorianischen Helden, von dem behauptet wird, er habe den Vorläufer des Computers erfunden.
Elmar SchenkelWir haben eine Welt produziert, in der wir uns Unsicherheit gar nicht erst leisten können, ob es nun Autos sind oder Atomkraftwerke.
Elmar SchenkelRituale, Religionen, Mythen: evolutionäre Restbestände im Übergang aus dem Tierreich ins Unbekannte.
Elmar SchenkelManche Gräber sehen aus wie gigantische Gelddruckpressen. Was ist eigentlich die Währung im Jenseits?
Elmar SchenkelIn dem Maße, wie alles mit allem zu korrespondieren anfängt, nehmen die Zufälle zu. In einer Welt, die so planbar wie möglich sein soll, erleben wir fortwährend Überraschungen.
Elmar SchenkelAls das Mittelalter durch ein Datenleck erfuhr, dass es Strom gab, installierte es unverzüglich große Lichtshows in den Kathedralen, übertrug die Messen per Radio und Lautsprecher und nutzte riesige Leinwänder auf den Marktplätzen, um den Glauben zu beleben.
Elmar SchenkelWenn die Erinnerung stockt, wenn man nicht mehr weiter weiß, muß man das betrachten, was gerade vor Augen liegt.
Elmar SchenkelFür das Aufschieben: Wenn man immer alles sogleich machen würde, käme man zu nichts anderem mehr.
Elmar SchenkelDas Verschwinden der Hand-Schrift führt auch zum Verschwinden der Verwandlung. Vor dem Druckbild sind wir alle gleich.
Elmar Schenkel