seite 8
O Wanderer am Bach geh' nur dem Wasser nach. Es führet sicher dich zu Menschen Dach und Fach.
Friedrich RückertWenn du mich fragst: auf wen darf ich in Treue baun? Ich sage dir: auf die, die selber andern traun.
Friedrich RückertWer etwas ist, bemüht sich nie zu scheinen. Wer scheinen will, wird niemals etwas sein.
Friedrich RückertNicht die Sorge, noch die Plage Schiebe du zum andern Tage, Sondern tu die beiden ab Frisch im Nu, wie Gott sie gab!
Friedrich RückertStell' eine Blume vor das Fenster dein, So läßt sie dir keinen bösen Gedanken herein.
Friedrich RückertLerne groß erst sein im Kleinen aber dann im Großen klein, und im Großen wie im Kleinen wird dein Maß das rechte sein.
Friedrich RückertLerne von der Erde, die du bauest, die Geduld; Der Pflug zerreißt ihr Herz, und sie vergilt's mit Huld.
Friedrich RückertMan kann, wenn wir es überlegen: Wein trinken fünf Ursachen wegen: Einmal um eines Festtags willen, desgleichen künftig abzuwehren, ferner dem guten Wein zu Ehren, und endlich um jeder Ursache willen.
Friedrich RückertHerr, deine Welt ist schön, deine Welt ist gut; Gib mir nur hellen Sinn, gib mir nur frohen Mut! Ich fühle, daß ich bin, ich fühle, daß du bist, Und daß mein Sein von dir ein selger Abglanz ist.
Friedrich RückertEs sollen ein Gebet die Worte nicht allein, es sollen auch ein Gebet die Gedanken sein.
Friedrich RückertWenn die Gewährung du nicht siehst im Angesicht des, den du bitten willst, so tu die Bitte nicht.
Friedrich RückertDie Welt ist nur, weil du bist Körper, körperlich; Der Geist geht frei hindurch und nirgend stößt er sich. Das ist der Vorschub, den die Geistigkeit dir leistet: Die Welt stößt minder dich, je mehr du dich ergeistest.
Friedrich RückertIch muß, das ist die Schrank', in welcher mich die Welt von einer, die Natur von andrer Seite hält.
Friedrich RückertVon deinen Kindern lernst du mehr, als sie von dir. Sie lernen eine Welt von dir, die nicht mehr ist, Du lernst von ihnen eine, die nun wird und gilt.
Friedrich RückertSich im Spiegel zu beschaun, Kann den Affen nur erbaun Wirke! nur in seinen Werken Kann der Mensch sich selbst bemerken.
Friedrich RückertDer Tod ist das Ende der Mühsal, und wen er heute trifft, der braucht ihn morgen nicht zu scheuen.
Friedrich RückertEin niedrer Sinn ist stolz im Glück, im Leid bescheiden. Bescheiden ist im Glück ein edler, stolz im Leide.
Friedrich RückertMan glaubt die Wahrheit nicht, wenn sie ein Armer spricht, doch selbst die Lüge glaubt man einem reichen Wicht.
Friedrich RückertDein Vergangenes ist ein Traum und dein Künftiges ist ein Wind. Hasche den Augenblick, der ist zwischen den beiden, die nicht sind.
Friedrich RückertVerlangen kann ein Menschenherz nichts Besseres auf Erden als fühlen Liebeslust und -schmerz und dann begraben werden.
Friedrich RückertAn Sittensprüchen hat der Arge sein Vergnügen, nicht um danach zu tun, doch um damit zu trügen.
Friedrich RückertDir geht die Wissenschaft Vorbei auf dunklen Bahnen, Und um dein Urlicht schwebt Der Andacht sel'ges Ahnen.
Friedrich RückertDer Liebsten Vater gab mir seinen Segen, Er sprach: Wenn du dich nun statt meiner plagen Willst mit dem Trotzkopf, hab' ich nichts dagegen.
Friedrich RückertDem Müßiggänger fehlt es stets an Zeit zum Thun, Und nie am Grund, warum er's lasse ruh'n.
Friedrich RückertErhabnes, findet es erhabne Stimmung nicht, Erscheint lächerlich im Leben, im Gedicht.
Friedrich RückertO wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück! Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück.
Friedrich RückertWer stolz auf Vorzüg' ist, fühlt irgendein Gebrechen, und wer sich brüsten mag, ist sich bewußt der Schwächen.
Friedrich RückertNiemals, ob die Uhr du stellen magst zurück, kehrt die versäumte Zeit und ein verträumtes Glück.
Friedrich RückertIn dem großen Verband, Welcher Staat sich nennet, Zu achten ist jeglicher Stand, Der seine Pflicht erkennet.
Friedrich RückertLebt in der Gegenwart! Zu leer ist und zu weit Der Zukunft Haus, zu groß das der Vergangenheit.
Friedrich RückertDas Fleckchen an der Wang ist eine Zier, das schwarze; doch wenn es zu groß wird, so ist es eine Warze.
Friedrich RückertDu bringst nichts mit hinein, du nimmst nichts mit hinaus, laß eine goldene Spur im alten Erdenhaus.
Friedrich RückertHarmlosigkeit im Ohr hört überall Musik, Und Schönes überall sieht ein harmloser Blick. Harmlosigkeit im Mund macht niemals Herzen wund, Und ein harmloses Herz ist selbst im Weh' gesund.
Friedrich RückertDer alte Barbarossa, Der Kaiser Friederich, Im unterird'schen Schlosse Hält er verzaubert sich... Er hat hinabgenommen Des Reiches Herrlichkeit, Und wird einst wiederkommen Mit ihr zu seiner Zeit.
Friedrich RückertSieh, auf dem Pfuhl wie schwimmt das zarte Lotosblatt! So bleibt der Reine rein auch an unreiner Statt.
Friedrich RückertDie Freunde bitte fein, dich nicht zu sehr zu ehren, Sonst werden Feinde dir dafür den Krieg erklären.
Friedrich RückertLaß dir diesen Mut nicht rauben: Du mußt an dich selber glauben, wenn du etwas leisten willst.
Friedrich RückertZur Liebe kommst du nicht, so lang du hängst am Leben; Du findest mich nicht eh'r, bis du mich aufgegeben.
Friedrich RückertWenn du zum Wort nicht ohne Not, nicht ohne Hunger greifst zum Brot, bringt dir dein Reden nicht Verdruß, nie Unbehagen dein Genuß.
Friedrich RückertEs lassen Schein und Sein sich niemals einen, nur Sein allein besteht durch sich allein. Wer etwas ist, bemüht sich nicht zu scheinen. Wer scheinen will, wird niemals etwas sein.
Friedrich RückertErst nach dem Nachbarn schaue, Sodann das Haus dir baue! Wenn der Nachbar ist ein Schuft, So baust du dir deine Totengruft.
Friedrich RückertDer Erfolg ist offenbar, Die Absicht aber niemals klar. Drum wird man alle Menschengeschichten Ewig nach dem Erfolge richten.
Friedrich RückertWer mit Eigenliebe beginnt, den Schatz des Herzens zu verschwenden, wird mit Eigenliebe enden.
Friedrich RückertJe höher du wirst aufwärts gehn, Dein Blick wird immer allgemeiner; Stets einen größern Teil wirst du vom Ganzen sehn, Doch alles Einzle immer kleiner.
Friedrich Rückert