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Ich lasse meinen meisten Zorn an Schubladen, Töpfen, Hemdknöpfen und dergelichen aus. Das kommt den Menschen zugut, daß so viel Wut nach der Seite abläuft.
Friedrich Theodor VischerDie meisten Menschen wissen sich nicht zu behandeln, daher stehen sie mit sich selbst auf so schlechtem Fuß.
Friedrich Theodor VischerEs ist gesorgt, brauchst nicht zu sorgen: Die Menschheit stirbt nicht aus, sie feiert ewig neue Morgen.
Friedrich Theodor VischerWir wandeln auf Glatteis und sind keinen Augenblick sicher, daß wir nicht fallen.
Friedrich Theodor VischerAuf! Frischauf und nicht gezaget! Weiter in die Welt hinein! Immerzu und frisch gewaget, Heute darf nicht gestern sein!
Friedrich Theodor VischerDer Verstand ist ein Kammerdiener. Ein unentbehrlicher, tüchtiger - aber er ist einer.
Friedrich Theodor VischerEine der liebenswürdigsten Etappen auf Gottes Weltgang vom Guten zum Besseren ist die Schöpfung des Hundes.
Friedrich Theodor VischerDie lyrische Dichtung ist Poesie des Gefühls, das reine Gefühl aber ist nicht beredt, weil es nicht Bewußtsein ist.
Friedrich Theodor VischerGroßgewachsene Kinder-Teufelei habe ich die Grausamkeit gegen das Tier genannt.
Friedrich Theodor VischerMan sollte schlechterdings niemand heiraten lassen, der oder die nicht ein Examen über Erziehung bestanden hat. Das Wissen macht nicht alles, aber etwas, ja viel. Es ist niemand berechtigt, Kinder zu erzeugen, der nichts von Erziehung weiß.
Friedrich Theodor VischerEin Schwabe ist ein Gemüt, das heute von einer hohen Frau einen freundlichen Blick bekommt und morgen schon hofft, sie werde ihm in schwesterlicher Zutraulichkeit einen abgerissenen Knopf an den Rock annähen.
Friedrich Theodor VischerDie Mehrheit der Menschen besteht nicht gerade ganz aus Betrügern, Dieben, Mördern, aber aus sozialen Ungeheuern, und zwar durch alle Stände und beide Geschlechter.
Friedrich Theodor VischerIn die Liebe zumeist darf nur sich wagen, Wer auch enden kann und entsagen.
Friedrich Theodor VischerDer Zweck der Moral ist, auf einer Höhe anzukommen, wo die Sinnlichkeit so erzogen ist, daß sie diesen Pflichten von selbst sich fügt, auf einer Höhe, wo das Gute zur Neigung wird, Sittengesetz und natürliche Lust übereinstimmen. Das ist Tugend.
Friedrich Theodor VischerIst sie auch geistreich? fragt ihr jetzt zumeist. Was wollt ihr denn? Herz heißt des Weibes Geist; wird sie unendlich lieben können, dürft ihr getrost sie geistreich nennen.
Friedrich Theodor VischerEs ist etwas Schlimmes um alle Art von Fanatismus, er erstickt das allgemeine Menschengefühl
Friedrich Theodor VischerDas reine und ungeteilte Wirken der Phantasie in einem Individuum ist Genie.
Friedrich Theodor VischerMan muß arbeiten können, man muß aber auch müßiggehen können, nur betrachten. In diesen Momenten muß man sich verhalten können wie bloße Natur oder eigentlich sich selbst betrachtende Natur. Im glücklichen Wechsel mit Arbeit sind sie so gut, so wertvoll wie Arbeit.
Friedrich Theodor VischerDer Pietist ist Religiöser von métier, der Pietist ist der Professionist der Religion, Pietist ist, wer nach Religion riecht.
Friedrich Theodor VischerWas ich nicht aushalten kann, das ist ein Mensch ohne Leidenschaft, und ein Mensch, der gemeine Leidenschaften hat.
Friedrich Theodor VischerFreue dich an Formen, Tönen, Lausche, wenn ein Dichter spricht, Labe deinen Geist am Schönen, Aber Schöngeist werde nicht!
Friedrich Theodor VischerDie Moral sagt: Du sollst! Die Religion: Und ich allein gebe dir die Kraft zu können, was du sollst, denn ich allein breche die Selbstsucht.
Friedrich Theodor VischerWie nobel ist selbst die verrückteste politische Leidenschaft gegen die Gelbsucht der Geldsucht! Gestern ein paar solche Gesichter in der Gesellschaft. Zum Erbrechen. Ein grausig Mördergesicht ist flott dagegen.
Friedrich Theodor VischerDas Lächerliche ist der uralte Todfeind des Erhabenen, und zwar am wirksamsten dadurch, daß er nicht von außen kommt, sondern das Erhabene ihn im eigenen Schoße trägt.
Friedrich Theodor VischerIch gehe an keinem gewaltsamen Unglück zugrund, sondern stolpere über einen Strohhalm.
Friedrich Theodor VischerEin Dichter ist immer gescheiter als er selbst; freilich auch dümmer als er selbst.
Friedrich Theodor VischerDie Politik ist doch ein merkwürdiges Gebiet, Theater, worin wie ein Narr sitzt, wer nicht hinter die Kulissen sieht. Und was dort hinten spielt, ist die List... Man muß nur zum Beispiel bedenken, was da alles gelogen wird!
Friedrich Theodor VischerDer Glaube, womit die Religion glaubt, nicht das, was dieser Glaube glaubt, ist die Bedeutung der Religion.
Friedrich Theodor VischerWie oft in der Gesellschaft, die sich für so recht gebildet und interessant hielt, bei all dem Gerede und Feintun, seufzte ich innerlich: Wenn doch nur ein Hund da wäre!
Friedrich Theodor VischerDer Humor ist voll Unschuld, aber er ist nicht die einfache Unschuld eines Kindes, sondern eine solche, die, durch innere Wehen, durch Zerrissenheit, Kampf, Schuldbewußtsein hindurchgegangen, sich wieder mit ihrem Gott versöhnt hat.
Friedrich Theodor VischerZu Tübinger Studenten, die im Kolleg rauchten: Meine Herren, ich mache Ihnen hier keinen blauen Dunst vor, ersuche Sie aber, mir auch keinen vorzumachen.
Friedrich Theodor VischerWißt es, ihr Köpfe, mit meinen Fehlern und mit meinem Wahnsinn hab' ich so gut ein Recht, zu existieren, wie ihr mit euren Fehlern und mit eurem Kahlsinn!
Friedrich Theodor VischerWer über die Mode schreibt, wäre ein Narr, wenn er meinte, auch nur das Geringste zur Heilung ihrer Verrücktheit beitragen zu können.
Friedrich Theodor VischerDaß wir in der Jugend nicht an den Tod denken, ist gut und recht, ist vernünftig. Aber daraus folgt, daß wir erst recht nicht an ihn denken sollen, wenn er in Sicht kommt. Sonst machen wir uns bange ohne Nutzen und Grund.
Friedrich Theodor VischerDer Deutsche genießt sich in seiner Substantialität bei unglücklicher Form, der Engländer ist stolz auf seine Stärke, der Franzose eitel in seiner Eleganz und seinem "point d'honneur", der Italiener genießt in légèrem Behagen das Bewußtsein, ein klassisches Volk zu sein.
Friedrich Theodor VischerDie Welt ist das Dasein Gottes nicht in ruhiger Weise, sondern so, daß Gott sein Dasein darin stets verbessert, stets auf neue eine geringere Form durch eine bessere beschämt. Gott ist eben diese wunderbare und heilige Unruhe.
Friedrich Theodor VischerKein Ende Nichts ruhet aus. In tollem Schwanken Wahnsinnig dreht die Welt um mich. Kein Ende haben die Gedanken, Und das, und das ist fürchterlich!
Friedrich Theodor VischerNatur, du seltsam Ding! An einem Ende gemein, Am andern seelisch fein Und doch geschloßner Ring.
Friedrich Theodor VischerHimmelstrahl ins Leben ist namentlich auch das Lächeln... Es vereinigt, es zaubert Getrenntes zusammen, ist Leuchten von Seele zu Seele.
Friedrich Theodor VischerWenn ein Hund seinem Herrn oder einem Freunde seines Herrn sich bemerkbar machen, seine Anwesenheit ihm anzeigen möchte,... so stupft er ihn ein weniges mit der Nase an die Wade an. - Mit seinem feinsten Organ. Wie zart!
Friedrich Theodor Vischer