Zitate von Luc de Clapiers
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Wer vor acht Uhr morgens aufsteht, um bei der Gerichtssitzung zuzuhören oder um Gemälde im Louvre zu besichtigen oder sich bei den Proben eines Stückes einzufinden und sich etwas darauf zugute tut, jegliche Arbeit anderer zu beurteilen, dem fehlt es oft nur an zweierlei: an Geist und an Geschmack.
Plötzliches Glück aller Art ist auf schwankendem Grund gebaut, weil es selten verdient ist.
Natürlichkeit ist leichter verständlich als die Rede, deren Stärke der scharf formulierte Begriff ist. Sie ist als Sprache des Gefühls jener des Verstandes vorzuziehen, sie ist schön und volkstümlich.
Wenn es wahr ist, daß man das Laster nicht entkräften kann, sollte die Weisheit der Regierenden dahin gehen, es in den Dienst des allgemeinen Wohls zu nehmen.
Es ist immer ein Zeichen von Mittelmäßigkeit, wenn ein Mensch nicht aus vollem Herzen loben kann.
Es gibt Schriftsteller, die ihre Moral nach denen richten, die von ihr dasselbe verlangen, wie von der modernen Architektur: Bequemlichkeit.
Man gibt niemandem Schuld, daß er ein Dummkopf ist, und vielleicht ist das richtig. Doch ist die Vorstellung zu angenehm, daß es seine eigene wäre.
Armut kann einen Menschen soweit demütigen, daß er sogar über seine Vorzüge errötet.
Selten nur ergründet man die Gedankengänge eines anderen in ihrer ganzen Tiefe. Stellt man aber später einmal, durch Zufall, dieselbe Überlegung an, bildet man sich leicht ein, sie sei neu. So viel hat man übergangen, was in jenem Gedanken lag.
Es ist besser, den Menschen zuzusehen, wie sie ihre eigenen Interressen schädigen, als sie zu Knechten fremder Ratschläge zu machen.
Die meisten hervorragenden Menschen haben den größten Teil ihres Lebens in einer Umwelt verbracht, von der sie nicht verstanden, nicht geliebt und kaum beachtet wurden.
Ich beklage einen verliebten Alten: die Leidenschaften der Jugend richten eine schreckliche Verheerung in einem abgenutzten und verwelkten Körper an.
Spiel, Bigotterie, Schöngeistigkeit – drei Auswege für Frauen, die nicht mehr jung sind.
Die Diplomatie bedarf keiner langen Lehrzeit. Ist doch unser ganzes Leben eine ständige Einübung im Ränkespiel und Eigennutz.
Allzuviel an Zerstreuung und an Studium erschöpfen gleicherweise den Geist und rauben ihm die natürliche Spannkraft. Der kühne Einfall versagt sich dem ermüdeten und abgespannten Geist.
Der menschliche Geist ist durchdringender als folgerecht und umfaßt mehr, als er vereinigen kann.
Die Mitmenschen verzeihen den Unglücklichen das irrtümliche Streben nach Ruhm nicht.
Die Schande mancher Menschen ist eher ein Unglück als ein Laster; Schmach ist ein Gesetz der Armut.
Um erkennen zu können, ob ein Gedanke neu ist, muß man ihn zuerst in einer klaren Formulierung vor sich haben.
Es gehört viel Geistes- und Charakterstärke dazu, die Aufrichtigkeit interessant zu finden, selbst wenn sie kränkt, oder sich ihrer zu bedienen, ohne zu verletzen. Wenige Menschen sind tief genug, die Wahrheit zu ertragen und zu sagen.
Mancher Schriftsteller hat in der Moral dasselbe Ziel wie die moderne Architektur, die vor allem die Bequemlichkeit anstrebt.
Allzu großes Mißtrauen ist ebenso schädlich wie allzu großes Vertrauen. Wer das Risiko, hintergangen zu werden, nicht auf sich nehmen will, wird es im Leben nicht allzu weit bringen.
Wer das Leben eines einzelnen betrachtet, findet darin die Geschichte der ganzen Menschheit, und erkennt, daß weder Wissenschaft noch praktische Erfahrung sie zum Guten wenden konnte.
Man schätzt die Philosophen nur mäßig, weil sie uns zu wenig von dem sprechen, was wir wissen.
Darf man sich über eine Politik freuen, deren Ziel es ist, einige wenige auf Kosten der Ruhe vieler anderer glücklich zu machen? Und worin besteht die oft gelobte Weisheit solcher Gesetze, die so vielen Übelständen Tür und Tor öffnet und so wenig Glück sichert?
Die kurze Dauer des Lebens kann uns seine Freuden nicht verleiden und uns über seine Leiden nicht trösten.
Man schränke die Souveränität in einem Staate noch so sehr ein, kein Gesetz kann den Tyrannen verhindern, seine Stellung zu mißbrauchen.