Zitate von Marie von Ebner-Eschenbach
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Nicht, was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
Die Rücksichten, die uns in der Welt erwiesen werden, stehen meistens in näherer Beziehung zu unseren Ansprüchen als zu unseren Verdiensten.
Was geschehen ist, solange die Welt steht, braucht deshalb nicht zu geschehen, solange sie noch stehen wird.
Je weiter unsere Erkenntnis Gottes dringt, desto weiter weicht Gott vor uns zurück.
Daß andere Leute kein Glück haben, finden wir sehr leicht natürlich, daß wir selbst keins haben, immer unfaßbar.
Die uns gespendete Liebe, die wir nicht als Segen und Glück empfinden, empfinden wir als eine Last.
Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir sie aber nur dort, wo es uns beliebt.
Der sich gar zu leicht bereit findet, seine Fehler einzusehen, ist selten der Besserung fähig.
Wohlerzogene Menschen sprechen in Gesellschaft weder vom Wetter noch von der Religion.
Wir unterschätzen das, was wir haben, und überschätzen das, was wir sind.
Über das Kommen mancher Leute tröstet uns nichts als – die Hoffnung auf ihr Gehen.
Wie vieles wurde nur aufgeschrieben, um wieder ausgestrichen zu werden, und hat doch aufgeschrieben werden müssen.
Der Tadel der Gehässigkeit hat schon manchem Verdienst zur Anerkennung geholfen.
Die kleine Seligkeit, ohne Widerspruch angehört zu werden, kosten alle gerne bis zur Neige aus.
Überlege wohl, bevor du dich der Einsamkeit ergibst, ob du auch für dich selbst ein heilsamer Umgang bist.
Die Sehenden sind es nicht, die sich für sehend halten, immer nur die Blinden.
Der Philosoph zieht seine Schlüsse; der Poet muß die seinen entstehen lassen.
Beim Tode eines geliebten Menschen schöpfen wir eine Art Trost aus dem Glauben, daß der Schmerz über unseren Verlust sich nie vermindern wird.
Die Gedankenlosigkeit hat mehr ehrliche Namen zugrunde gerichtet als die Bosheit.
Kein Tag vergeht mir so rasch, hinterlässt mir eine so angenehme Erinnerung wie einer, an dem ich weder einen Besuch zu machen noch zu empfangen brauche. Kein Abend scheint mir besser angewendet als der, den ich in meiner Kaminecke verträume, allein mit meinen Gedanken und mit meiner Strickerei.
Bevor aus deinem Stil etwas werden kann, muß aus dir selbst etwas geworden sein.
Bücher sind oft die besten Freunde. Aber sie sollten nicht die einzigen in unserem Leben sein.
Ein einziges Wort verrät uns manchmal die Tiefe eines Gemüts, die Gewalt eines Geistes.
Verwöhnte Kinder sind die unglücklichsten; sie lernen schon in jungen Jahren die Leiden der Tyrannen kennen.
Nur die allergescheitesten Leute benutzen ihren Scharfsinn zur Beurteilung nicht bloß anderer, sondern auch ihrer selbst.
Glaube deinen Schmeichlern – du bist verloren; glaube deinen Feinden – du verzweifelst.
Sich von einem ungerechten Verdacht reinigen zu wollen, ist entweder überflüssig oder vergeblich.
Wenn du sicher wählen willst im Konflikt zweier Pflichten, wähle die, die zu erfüllen dir schwerer fällt.
Ein nackter Affe hat mir noch nie soviel Mitleid eingeflößt wie ein Affe in seidenem Jäckchen, mit einem Barett auf dem Kopfe und einem kleinen Gewehr auf der Schulter.
Die Reue treibt den Schwachen zur Verzweiflung und macht den Starken zum Heiligen.
Die Wunden, die unserer Eitelkeit geschlagen werden, sind halb geheilt, wenn es uns gelingt, sie zu verbergen.
Theorie und Praxis sind eins wie Leib und Seele, und wie Seele und Leib liegen sie großenteils miteinander in Streit.
Wenn der Kunst kein Tempel mehr offen steht, dann flüchtet sie in die Werkstatt.
Ein gutes Buch, einen guten Freund, die lernt man nicht aus. Ein weises Buch ist ebenso unergründlich wie ein großes Menschenherz.