Marie von Ebner-Eschenbach Zitate
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Wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten und keine zu fordern.

Der Künstler versäume nie, die Spuren des Schweißes zu verwischen, den sein Werk gekostet hat. Sichtbare Mühe ist zu wenig Mühe.

Was sind Erkenntnisse, die nicht von der inneren Kraft des Glaubens getragen werden? Erkenntnis ohne Glauben ist tote Abstraktion.

Das schönste Freundschaftsverhältnis: Wenn jeder von beiden es sich zur Ehre rechnet, der Freund des anderen zu sein.

Die Natur hat leicht verschwenden; auch das scheinbar ganz nutzlos Verstreute fällt zuletzt doch in ihren Schoß.

Auch der ungewöhnlichste Mensch ist gehalten, seine ganz gewöhnliche Schuldigkeit zu tun.

Die Vernunft zu Besinnung auf ihren Ursprung im Wort bringen, das ist mehr als eine philosophische Tat.

Schillertag Dem Tage Heil, an dem in allen Weisen Wir unsern Schiller jubelvoll lobpreisen! Noch gestern hätte keiner ihm gehuldigt, Der sich vorher bei Goethe nicht entschuldigt.

Man bleibt jung, so lange man noch lernen, neue Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen kann.

Die größte Gleichmacherin ist die Höflichkeit; durch sie werden Standesunterschiede aufgehoben.

In der Jugend meinen wir, das Geringste, das die Menschen uns gewähren können, sei Gerechtigkeit. Im Alter erfahren wir, daß es das Höchste ist.

Was wir unseren besten Freunden nicht anvertrauen würden, rufen wir ins Publikum.

Am bittersten bereuen wir die Fehler, die wir am leichtesten vermieden hätten.

Nichts entfernt zwei innerlich wenig verwandte Menschen mehr voneinander, als das Zusammenleben.

Rücksichtslosigkeiten, die edle Menschen erfahren haben, verwandeln sich in Rücksichten, die sie erweisen.

Herrschaft behaupten wollen, heißt kämpfen wollen. Nutzen stiften wollen, heißt freilich auch kämpfen wollen, aber – um den Frieden.

Es darf so mancher Talentlose von dem Werk so manches Talentvollen sagen: Wenn ich das machen könnte, würde ich es besser machen.

Die Sitte ist schon gerichtet, zu deren Gunsten wir kein anderes Argument vorzubringen wissen als das ihrer Allgemeinheit.

Ein Hauptzweck unserer Selbsterziehung ist, die Eitelkeit in uns zu ertöten, ohne welche wir nie erzogen worden wären.

Die größte Gewalt über einen Mann hat die Frau, die sich ihm zwar versagt, ihn aber in dem Glauben zu erhalten versteht, dass sie seine Liebe erwidere.

Ein wirklich guter und liebenswürdiger Mensch kann so viel Freunde haben, als er will, aber nicht die, die er will.

Es gibt Frauen, die ihre Männer mit einer ebenso blinden, schwärmerischen und rätselhaften Liebe lieben wie Nonnen ihr Kloster.

Beim Tode eines geliebten Menschen schöpfen wir eine Art Trost aus dem Glauben, daß der Schmerz über unseren Verlust sich nie vermindern wird.

Entlasse dein Talent beizeiten, warte nicht, bis du von ihm entlassen wirst.

Charakter eines Menschen: seine gebändigte, zugehauene, zugeschliffene, oder seine wild wuchernde Natur.

Man kann unterscheiden zwischen einer Höflichkeit, die anzieht und einer Höflichkeit, die fernhält.

Es ist schlimm, wenn zwei Eheleute einander langweilen; viel schlimmer jedoch ist es, wenn nur einer von ihnen den anderen langweilt.

Traurigkeit ist Stille, ist Tod; Heiterkeit ist Regsamkeit, Bewegung, Leben.

Es gibt Menschen im Zopfstil: viele hübsche Einzelheiten, das Ganze abgeschmackt.

Es ist noch jeder leicht durch diese Welt geschritten, der gut zu danken wußte und gut zu bitten.

Denkfaulheit, Oberflächlichkeit, Starrsinn sind weibliche, Genußsucht, Rücksichtslosigkeit, Roheit, sind männliche, Trotz, Eitelkeit, Neugier sind kindische Fehler.

Ihr jubelt über die Macht der Presse – graut euch nie vor ihrer Tyrannei?

Wenn Scarron sich in Geldnot befand, widmete er sein neuestes Werk irgendeiner hohen Persönlichkeit, wenn er bei Kasse war – dem Hündchen seiner Schwester.

Der Kritizismus kann dich zum Philophen machen, aber nur der Glauben zum Apostel.

Der Staat ist am tiefsten gesunken, dessen Regierung schweigend zuhören muß, wenn die offenkundige Schufterei ihr Sittlichkeit predigt.