Zitate von Moritz Gottlieb Saphir
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Du hältst dich für den Ersten, für den Einzigen. Bist du der Einzige, wie kannst du der Erste sein? Bist du der Erste, wie kannst du der Einzige sein?
Die Liebe ist bei den Frauen eine Himmelsleiter, bei den Männern ist sie zuerst eine Sturmleiter hinauf, dann die Feuerleiter, auf der man sich in Sicherheit bringt.
Worte sind wie die Kleider der Gedanken; wenige Schriftsteller aber wissen ihre Gedanken zu kleiden.
Inwiefern sind Minister und Pantoffeln sich oft so gleich? Man gewinnt beide oft erst dann lieb, wenn sie abgetreten sind.
Glück und Unglück wandern miteinander. Im Unglück wird der Mensch erprobt, im Glück der Unmensch.
Die Nächstenliebe dehnt sich neuerdings auch übers Meer aus. Frankreich bringt Algier den Schutz, den Algier nicht braucht, und nimmt Marokko den Schirm, den Marokko braucht.
Die Frauen hassen nichts mehr, als Vorreden, lieben nichts mehr, als Nachreden, lassen sich gerne vieles einreden, aber selten etwas ausreden.
Jede Gesellschaft ist nichts anderes als ein großes Picknick aus Notlügen. Eine der Lügen heißt: Jeder Mensch hat sein Schicksal. Das ist nicht wahr; die Gesellschaft ist ihr Schicksal!
Das weibliche Herz soll sein wie eine Auster, es soll sich nur einmal aufschließen, um den Tau der Liebe in sich aufzunehmen und ihn als Perle ein Leben lang in sich tragen. Wiederum soll es nicht sein wie eine Auster, es soll keine harte Schale haben.
Die Liebeskraft hat eine mächtige Feindin in der Geisteskraft und eine mächtige Gönnerin in der Einbildungskraft.
Nur wenn ein Mensch beide Augen zudrückt, drücken wir ein Auge für ihn zu. Nur wenn er nichts mehr hören kann, reden wir Gutes von ihm.
Wir haben Mutterwitz und nicht Vaterwitz; denn daß der Vater schweigen muß, wenn die Mutter spricht, das eben ist Mutterwitz.
In der Liebe verliert man den Verstand, in der Ehe sieht man erst, was man verloren hat.
Ein gute Gesellschaft muß wie ein gutes Fernrohr zusammengesetzt sein, aus flachen und erhabenen Gläsern. Die meisten jetzigen Gesellschaften sind bloß aus vollen Gläsern zusammengesetzt.
Diogenes trug nicht nur eine Laterne, mit der er Menschen suchte, sondern, für den Fall, daß er Menschen finden sollte, trug er auch noch einen Knüppel.
Zum Lieben gehören zwei. Er muß lieben, sie muß haben. Wenn sein Lieben Gegenhaben findet, findet ihr Haben Gegenliebe.
In der Jugend liebt der Mensch mehr, im Alter haßt er mehr. In der Morgensonne erscheinen ihm die moralischen Schatten der Menschen klein und kurz. In der Abendsonne sieht er sie lang und groß, weil eine untergehende Sonne ihr Licht schief und einseitig auf die Menschen fallen läßt.
Spekulieren? Ach, mein Lieber, Das ist Krankheit, schwarz auf weiß, Das verursacht Wechselfieber, Und der dritte Tag bringt Schweiß.
Die Wohnungen sind so teuer geworden, daß das kleinste Herz noch ein Zimmer mit separatem Eingang vermietet.
Alle Menschen wären bescheiden, wenn sie in ihrem Leben nur ein einziges Mal gestorben wären. Dann würden sie sehen, wie leicht die Welt ohne sie besteht.
Alle großen Herren, die einem sonst nichts in die Hand drücken, drücken sie selbst, um ihre Leere nicht fühlbar werden zu lassen.
Die erste Liebe ist wie der erste Schnee; er bleibt gewöhnlich nicht lange liegen.
Ich für meinen Teil, ich finde nie mehr Lust, zu schlafen, als bei einer Illumination, bei einem Feuerwerk, und die Feuerspritzen sind mancher Orten nie von einem tieferen Schlaf befallen als bei einem hellen Brande.
„Weiber, Glück und Gold, sind dem Narren hold!“ heißt es. Also kann es doch nichts Klügeres geben, als ein Narr zu sein.
Eine Frau, die heiratet, nimmt den Namen ihres Mannes an, so wie der General den Namen der Festung, die er eroberte.
Jeder Mensch hat Druckfehler und Schreibfehler. Gegen seine Schreibfehler sei man in Gottes Namen so streng, wie man will. Aber die Druckfehler, die ihm der Druck des Schicksals beigebracht hat, gegen diese Druckfehler sei man nachsichtig.
Ein Mann liebt in der Liebe vor allem, daß er geliebt wird. Darum sind die Männer noch eifersüchtig, wenn sie längst aufgehört haben zu lieben.
Von was spricht der Mensch mit dem Kopfkissen? Von sich! Von sich! Von sich! Kann man bei einem so interessanten Gespräch einschlafen? Das wäre eine Beleidigung an sich, und sich selbst beleidigt kein Mensch sobald!
Der Mensch kommt aus dem Staub, kämpft siebzig Jahre gegen den Staub und macht sich endlich aus dem Staub, um sich selbst zu Staub zu machen.
Der Wein und die Wahrheit sind sich nur insofern ähnlich, als man mit beiden anstößt.
Die Liebe ist stumm; aber je weniger sie spricht, desto mehr schreibt sie. Die Liebenden, die beisammen sind, schweigen, weil die Empfindungen sie überwältigen. Wenn sie getrennt sind, überwältigen sie die Empfindungen und schreiben.
Wer nach einer glücklichen oder unglücklichen Liebe ein Narr ist, der ist keiner geworden, der ist einer geblieben, mit erhöhtem Charakter.
Witz ist ein Gnadenband des Geistes, das er nur seinen Auserkorenen umhängt; wahrer Witz speist an der Table d’hôte des ganzen Universums; Scheinwitz hat Gasthäuser, wo er zu Borge speist.
Was ist der Tod? Der Tod ist nichts als der lebendige Beweis, daß kein Mensch in der Welt unentbehrlich ist.
Das Herz der Männer ist wie ein Keller; im Frühling und im Sommer ist es kalt darin, im Herbst lau.
Der Mensch ist wie ein Lachs, er geht gern dem Lichte nach. Was machen die Fischer? Sie halten dem Lachs ein Licht hin, und er geht ihnen ins Netz.
Der Glaube ist der Grund des Gebäudes, je tiefer er in uns ausgegraben ist, desto fester stehen die Pfeiler.
Der Titel ist bloß die Harpune, mit welcher der Autor und der Verleger den Walfisch „Publikum“ heranziehen, um ihm sein bißchen Geldtran abzuzapfen.
Der heutige Weg zur Ehe ist eine einzige Beutelschneiderei. Zuerst führt der Strickbeutel mit dem Tabaksbeutel ein Vorpostengefecht, dann kommt der Geldbeutel und schneidet dem Herzbeutel den Rückzug ab.
Die Frauen gönnen sich gegenseitig alles, mit Ausnahme von schönen Kleidern, Juwelen, Equipagen, Sommergärten, schönen Männern und Kindern.
Mit der Wahrheit kommt man weit, sagt das Sprichwort. Ja, weil man überall fortgeschickt wird.
Anmut ohne Schönheit ist ein Magnet, der heimlich, aber fest zieht, ein Glanz, der nicht blendet, aber wohltut, ein Zauber, der nicht überrascht, aber beseligt.
Ich hab doch nichts, weder Dukaten, noch Liebe, besitze auch kein Talent, bin unverheiratet, kurz ein Eigentümer aller Erfordernisse zum Schlaf, und – kann doch nicht schlafen!
Wenn der Mann nur eine gute Zunge hat, wenn er nur gut reden kann; vom Reden zum Überreden ist es nicht weiter als vom Mut zum Übermut.
Die Männer verschließen ihr Herz nur deshalb, damit niemand sieht, daß nichts drin ist.
Der Mensch kann dem Menschen und der Sonne nur, wenn sie untergehn und von ihm scheiden, freundlich und offen in’s Antlitz schauen und nachsehen; am Tage und wenn sie bei ihm weilen, sieht er in beiden nur – die Flecken.
Eine Frau kann vielleicht wunschlos glücklich sein, aber niemals sprachlos glücklich.
Es gibt nur eine glückliche Liebe: Wenn man den Gegenstand seiner Liebe zu seinem Glücke nicht kriegt!