Novalis Zitate
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Die Tischzeit ist die merkwürdigste Periode des Tages und vielleicht der Zweck, die Blüte des Tages. Das Frühstück ist die Knospe.

Scham ist wohl ein Gefühl der Profanation. Freundschaft, Liebe und Pietät sollten geheimnisvoll behandelt werden. Man sollte nur in seltnen, vertrauten Momenten davon reden, sich stillschweigend darüber einverstehen. Vieles ist zu zart, um gedacht, noch mehres, um besprochen zu werden.

Eine Ehe ist ein politisches Epigramm. Epigramm ist nur ein elementarischer, poetischer Ausdruck – poetisches Element – primitives Poem.

Handeln nach Grundsätzen ist nicht der Grundsätze halber schätzenswert, sondern der Beschaffenheit der Seele wegen, die es voraussetzt.

Man versteht das Künstliche gewöhnlich besser als das Natürliche. Es gehört mehr Geist zum Einfachen als zum Komplizierten, aber weniger Talent.

Was ist eigentlich alt? Was ist jung? Jung, wo die Zukunft vorwaltet. Alt, wo die Vergangenheit die Übermacht hat.

Zum Leiden ist der Mensch geboren. Je hilfloser, desto empfänglicher für Moral und Religion.

Siehst du einen Riesen, achte auf den Stand der Sonne, ob es nicht der Schatten eines Zwerges ist.

Die Fabellehre enthält die Geschichte der urbildlichen Welt, sie begreift Vorzeit, Gegenwart und Zukunft.

Mit den Frauen ist die Liebe und mit der Liebe sind die Frauen entstanden, und darum versteht man keins ohne das andere.

Ihre sogenannte Religion wirkt blos, wie ein Opiat: reizend, betäubend, Schmerzen aus Schwäche stillend.

Jede Menschengestalt belebt einen individuellen Keim im Betrachtenden. Dadurch wird diese Anschauung unendlich, sie ist mit dem Gefühl einer unerschöpflichen Kraft verbunden und darum so absolut belebend.

Wo keine Götter sind, walten Gespenster, und die eigentliche Entstehungszeit der europäischen Gespenster, die auch ihre Gestalt ziemlich vollständig erklärt, ist die Periode des Übergangs der griechischen Götterlehre in das Christentum.

Die Synthese von Seele und Leib heißt Person. Die Person verhält sich zum Geist wie der Körper zur Seele. Sie zerfällt auch einst und geht in veredelter Gestalt wieder hervor.

Unter Menschen muß man Gott suchen. In den menschlichen Begebenheiten, in menschlichen Gedanken und Empfindungen offenbart sich der Geist des Himmels am hellsten.

Bedürfnis nach Liebe verrät schon eine vorhandene Entzweiung in uns. Bedürfnis verrät immer Schwäche.

Dichter und Priester waren im Anfang eins, und nur spätere Zeiten haben sie getrennt. Der echte Dichter ist aber immer Priester, so wie der echte Priester immer Dichter geblieben. Und sollte nicht die Zukunft den alten Zustand der Dinge wieder herbeiführen?

Seele und Körper berühren sich im Akt: chemisch oder galvanisch oder elektrisch oder feurig. Die Seele ißt den Körper (und verdaut ihn) instantant; der Körper empfängt die Seele (und gebiert sie) instantant.

Der Grund aller Verkehrtheiten in Gesinnungen und Meinungen ist – Verwechslung des Zwecks mit dem Mittel.

Das Zahlensystem ist Muster eines ächten Sprachzeichensystems – Unsre Buchstaben sollen Zahlen, unsre Sprache Arithmetik werden.

Der Tod ist eine Selbstbesiegung, die, wie alle Selbstüberwindung, eine neue leichtere Existenz verschafft.

Auch im Schlimmsten entsteht eine Progression. Wenn man sich gehen läßt, so entsteht allmählich ein Ungeheuer in seiner Art. So in Brutalität, in Grausamkeit, in Frömmelei usw.

Du hast noch nicht geliebt, du Armer; beim ersten Kuß wird eine neue Welt dir aufgetan, mit ihm fährt Leben in tausend Strahlen in dein entzücktes Herz.

Aller Anfang des Lebens muß antimechanisch, gewaltsamer Durchbruch, Opposition gegen den Mechanism(us) sein; absolute Materie – primitives Element der Geistes-Seele.