Rainer Kohlmayer Zitate
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Akademisches Gleichgewicht des Schreckens. – „Ich werde Sie zitieren!“ – „Ich Sie auch!“
Rainer KohlmayerDo you speak English? – „Hi!“ sagte der Tiefseetaucher und hob grüßend die Hand. Der Hai schnappte zu.
Rainer KohlmayerMoral Aid(s). – Virtus aut virus.
Rainer KohlmayerHosen runter. – Tatsachen sind nackt. Lügen dagegen erkennt man daran, daß sie sich keine Blöße geben wollen.
Rainer KohlmayerHomo scribens. – Alles Geschriebene ist Teil eines jahrtausendelangen Fortsetzungsromans: Keine Pointe, die nicht verwässert, kein Quark, der nicht stark gemacht würde. Der Turm von Babel besteht aus Büchern.
Rainer KohlmayerParadoxe Symmetrie. – Reichtum und Armut haben eines gemeinsam: Beide sind Vergrößerungsgläser für Tugenden und Laster.
Rainer KohlmayerStilfragen. – Es ist oft schwer zu unterscheiden, ob ein komplizierter Stil die Folge gedanklicher Komplexität ist – oder ob es sich um Stelzen handelt. Klare Gedanken können sich Transparenz leisten; sie verzichten auf sekundäre Legitimation.
Rainer KohlmayerZum Systembauen gehören Ausdauer und Verblendung – im Idealfall ein Retortenhirn, das von einem Oberlehrer kommandiert wird. Zum Systemzerstören eignen sich besonders Kinder, Narren und schöne Frauen.
Rainer KohlmayerProf. Dr. XY. – Er hatte alles gelesen und alles gelernt. Nur eines nicht: Subjekt seines Wissens zu sein.
Rainer KohlmayerTheater aus der Sicht des Schauspielers. – Einübung in die Vergänglichkeit.
Rainer KohlmayerMauer und Scheidung. – Seit dem Erfolg der Familienzusammenführung und der deutschen Wiedervereinigung steigt die Scheidungsrate unaufhaltsam.
Rainer KohlmayerEugenetik. – Seit Beginn der Menschheit betreibt diese ein eugenetisches Programm zur Züchtung des Übermenschen: die ehrgeizige Verbindung von Ehe, Liebe und Kindererziehung.
Rainer KohlmayerBerufserfahrung. – „Bei uns läuft viel in Teamarbeit“, verkündet der Chef. „Haben Sie darin Erfahrung?“ „O ja“, sagt die Neue. „Ich war immer gern intim.“
Rainer KohlmayerPerücke auf der Zunge. – Der Schönredner frisiert seinen Atem mit verbalen Dauerwellen, charmanten Intonationssträhnen und Schmachtlöckchen schmeichelnden Adressatenbezugs. Für den Erfolg braucht er allerdings gedankenlose Zuhörer.
Rainer KohlmayerErziehungserfolg. – „Willst du sofort spontan sein!“ Sofort war Peterchen spontan.
Rainer KohlmayerGattungsprobleme. – Liebesroman: sie kriegen sich. Ehedrama: sie be-kriegen sich.
Rainer KohlmayerDie Natur feiert jeden Morgen Premiere.
Rainer KohlmayerMakabre Dialektik. – Daß die erste Silbe des wichtigen deutschen Wortes „sauber“ ausgerechnet „sau“ lauten muß! Ähnlich abgründige Beziehungen bestehen zwischen „sterben“ und „erben“, „treue“ und „reue“, „hoden“ und „oden“, „heiter“ und „eiter“, „werde“ und „erde“. Es ist zum Karl-Valentin-werden!
Rainer KohlmayerTranslatorische Rezeptionsanalyse, target-oriented. – Was ist hohe Literatur? Literatur für höhere Kreise. Was ist niedere Literatur? Lektüre für die Unterschicht. Was ist also Bratwurst? Es ist das, was Bratwurst-Esser essen.
Rainer KohlmayerVon Geschmack reden diejenigen am meisten, die von Kunst keine Ahnung haben.
Rainer KohlmayerWegweiser. – Erst spät erkannte er, daß die großen geistigen Wegweiser keinen Weg weisen, sondern nur weg weisen: Wer weise ist, soll schnell seiner eigenen Wege gehen. „Weg, Weiser!“
Rainer KohlmayerInsektenforscher und Urologen liefern sich seit Jahren einen erbarmungslosen Kampf über die Priorität der Entdeckung der Urinsekten.
Rainer KohlmayerBescheiden wie immer. – „Vielleicht sollte ich, da ich womöglich nicht der richtige Mann für so ein wichtiges Amt bin, besser verzichten. Andererseits ist es meine Pflicht, mich nicht leichtfertig aus der Verantwortung zu stehlen…“
Rainer KohlmayerMadonna der permissiven Gesellschaft. – Die eilige Jungfrau.
Rainer KohlmayerIn der Komik protestiert die Wirklichkeit gegen den Realismus.
Rainer KohlmayerNostalgie hat immer Zukunft. – Hinter seiner Zeit zurückbleiben kann genau so befriedigen wie ihr voraus sein. Welcher intelligente Mensch gäbe sich schon damit zufrieden, nichts als Zeitgenosse der Gegenwart zu sein.
Rainer KohlmayerMarktlücke für arbeitslose Musiker. – „Es gibt Vokalquartette und Vokalkonzerte, aber leider noch keine Konsonantenquartette und Konsonantenkonzerte. Wär das nichts für Sie?“ „Brrrrchchchhchch!“
Rainer KohlmayerÀ la carte. – Er suchte die Einsamkeit, um wieder einmal über seine sozialen Pflichten nachzudenken.
Rainer KohlmayerSchwierigkeiten mit dem deutschen Präteritum. – Vergessen, vergasen, vergessen.
Rainer KohlmayerOffene Türen, die nicht ständig eingerannt werden, werden leicht zugemauert.
Rainer KohlmayerIch gehe davon aus, daß… – Der eigene Standpunkt ist doch immer der springende Punkt bei jeder Argumentation.
Rainer KohlmayerJungwissenschaftler auf der Suche nach einer Seilschaft. – Sein Aufsatz besteht aus Verbeugungen in alle Himmelsrichtungen und endet mit einem höflich lächelnden Abgang – nach rückwärts auf allen Vieren.
Rainer Kohlmayer„und/oder“. – Eine der irritierendsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts ist die Konjunktion „und/oder“. Wenn man sich die logische Abkürzung als Wegweiser vorstellt, erblickt man ein Denkmal der Orientierungslosigkeit.
Rainer KohlmayerMadame de Staels berühmter Additionsfehler. – „Volk der Dichter und Denker.“
Rainer KohlmayerGewichtung. – Ein Gramm Liebe wiegt schwerer als eine Tonne Talent.
Rainer KohlmayerWho is Who? – Bei Demonstrationen kommt es manchmal zu Schlägereien zwischen Polizisten in Zivil und uniformierten Demonstranten. Durch eine engagierte Presseberichterstattung kann das Verwirrspiel dann noch weiter verkompliziert werden.
Rainer KohlmayerMagritterie. – Wahrheit nagt am Rand der Wirklichkeit. Wirklichkeit nagt am Rand der Wahrheit.
Rainer KohlmayerKarriereknick. – Ich habe nie etwas angestellt, darum durfte ich Angestellter werden. Ich habe nie viel vorgestellt, daher durfte ich Vorgesetzter werden. Als ich vieles abstellen wollte, hat man mich abgesetzt.
Rainer KohlmayerWelche Unterschiede gibt es zwischen den Einwohnern Deutschlands? – Die Nachrichten unterscheiden zwischen „Personen“, „Menschen“ und „Bürgern“. Ob das immer mit dem Grundgesetz vereinbar ist?
Rainer KohlmayerFamilienstand? – „Mittelmäßig“, schrieb ein ehrlicher Kandidat ins Kästchen des Fragebogens.
Rainer KohlmayerIn der Wissenschaft beruht jede Gewißheit der Behauptung auf einer gewissen Ahnungslosigkeit.
Rainer KohlmayerSpätherbst, wenn die Baumskelette sichtbar werden. – Das Leben ist eine vorübergehende Verschleierung tödlicher Wahrheiten.
Rainer KohlmayerTheorie und Praxis. – Geisteswissenschaftler sprechen von Kreativitätsmodellen und dergleichen im Brustton der Überzeugung. Wenn sie dann praktische Beispiele geben sollen, ertönt plötzlich eine dünne Fistelstimme.
Rainer KohlmayerZwischen Kunst und Geschmack gibt es durchaus Verbindungen; die engste ist wohl die zwischen Kunst und – Geschmacksverletzung.
Rainer KohlmayerStartschuß zum Rentenalter. – „Los! – Fertig!! – Auf die Plätze!!!“
Rainer KohlmayerMediensprache. – Sprache im öffentlichen Dunst.
Rainer KohlmayerGemeinschaft macht stark. – Nichts garantiert das gegenseitige Verstehen und Vertrauen so zuverlässig wie die gemeinsame Ignoranz.
Rainer KohlmayerNuancen der deutschen Sprache. – Mit über setzen bezeichnet man die Fahrt ans andere Ufer, mit über setzen die Hin- und Rückreise.
Rainer KohlmayerPsychotheater. – Die Figuren haben kein Unterbewußtsein – sie sagen absolut alles. Also müßten sie eigentlich geheilt sein. Aber sie reden weiter. Ihre Krankheit ist ihre Geschwätzigkeit.
Rainer KohlmayerMiß-verständnis. – Als gerade von einer Mißernte die Rede war, mischte sich der schwerhörig gewordene Casanova ins Gespräch. „Ich habe früher auch manche Miß geerntet.“
Rainer Kohlmayer