Rainer Kohlmayer Zitate
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Kunst geht nach Brot. – In einer Zeit, wo alles dem Geld hinterher rennt, ist die Tatsache, daß die Kunst nach Brot „geht“, ein letztes Signal von Würde und Protest.
Rainer KohlmayerWie kann man „in Hülle und Fülle“ steigern? – „In Fülle ohne Hülle.“
Rainer KohlmayerFlurbereinigung. – Der Glaube versetzt Berge. Und hinterläßt Krater.
Rainer KohlmayerJe forscher die Lehre, desto leerer die Forschung.
Rainer KohlmayerKorrektur. – Viele „Prof. Dr. phil.“ müßten eigentlich „Prof. Dr. filz“ geschrieben werden.
Rainer KohlmayerDer Redakteur bezeichnete seine Freundin als Wochenendbeilage: Hochglanz, anregend, unverbindlich.
Rainer KohlmayerDiskreter orthographischer Hinweis auf die Bestechlichkeit von Parteimitgliedern. – „Werden auch Sie Mietglied der Fortschrittspartei!“
Rainer KohlmayerWer bestimmt hier? – Etwas, zum Beispiel ein Panzer oder ein Flugzeug, wird „seiner Bestimmung“ übergeben. Welcher „Bestimmung“? „Seiner“. Schlau gesagt! Man verlagert das Kommando ins Objekt.
Rainer KohlmayerDie vierte Gewalt? – Legislative, Exekutive, Jurisdiktion und – Finanz.
Rainer KohlmayerHalluzinationen. – Der Junkie war so süchtig, daß er statt „Herein“ immer „Heroin“ zu hören glaubte.
Rainer KohlmayerDie Karrieristen des Nationalsozialismus hätten auch ohne diesen Karriere gemacht. Die Menge an persönlicher Bosheit und Dummheit der Menschen scheint immer etwa gleich groß bleiben zu müssen.
Rainer KohlmayerDie Vokale sind die Augen, durch die das Wort dich anblickt. Ein Wort, dem der Vokal fehlt, ist blind geworden. Ja, blnd gwrdn.
Rainer KohlmayerViele Politiker standen schon vor der Wahl, zurückzutreten oder zurückzutreten. Die einen haben erst zurückgetreten und sind dann zurückgetreten. Die andern sind erst zurückgetreten und haben dann zurückgetreten.
Rainer KohlmayerDie Gattung der Komödie entstand, als die Anarchie entprivatisiert wurde.
Rainer KohlmayerCasanovas marktwirtschaftliche Ausrede. – „Die empfindliche Lücke.“
Rainer KohlmayerWo soll hier ein Druckfehler sein? – „Prof. Dr. Müller, seit vielen Jahren Lehnstuhlinhaber an unsrer Universität“.
Rainer KohlmayerVariante zu Friedrich Schlegel, Fragment 12. – „In dem, was man Sprachwissenschaft nennt, fehlt gewöhnlich eines von beiden: Entweder die Wissenschaft oder die Sprache.“
Rainer KohlmayerMeiner Meinung nach. – Das lockere Wörtchen „Meinung“ hat, im Gegensatz zur strengeren „Wahrheit“, eine dunkle Vorliebe für das Possessivpronomen. Ob zwischen „Meinung“ und „mein“ nicht gar eine inzestuöse Verbindung besteht?
Rainer KohlmayerKunstmarkt. – „Mache ich Kunst gegen den Strich oder auf dem Strich“, fragt sich der Künstler gewissenhaft. Der Markt der Massengesellschaft ist egalitär genug, um beide Alternativen zu ermöglichen. Denn – es sind keine mehr.
Rainer KohlmayerRegietheater. – Jahrelang hat man die Klassiker interpretiert. Jetzt kommt es darauf an, sie zu verändern.
Rainer KohlmayerAus der Nähe wird alles tragisch. Aus der Vogelperspektive wird alles komisch. Aus der Fernsehperspektive wird alles gleichgültig.
Rainer KohlmayerKonstruktionsfehler. – Das Hirn ist immer auf der Flucht. Die Beine sind evolutionäre Bremsen.
Rainer KohlmayerSo oder so. – Es gibt zwei Richtungen der modernen Übersetzungswissenschaft. Die eine behauptet, um richtig übersetzen zu können, müsse der Mensch eine Maschine sein. Die andere: Um richtig übersetzen zu können, müsse die Maschine ein Mensch sein.
Rainer KohlmayerPsychiatrie. – Das schlechte Gewissen der Gesellschaft ist zahm und respektabel geworden, seit es einen schönen griechischen Namen bekommen hat.
Rainer KohlmayerTitel für eine Festschrift. – „Immer in Eile – und immer in die falsche Richtung.“
Rainer KohlmayerWer nicht schreien darf, wird schreiben. Wer nicht schreiben kann, wird schreien.
Rainer KohlmayerEhrlicher Philosoph. – „Ich denke. Also lebe ich nicht.“
Rainer KohlmayerAlles eine Frage der Routine. – Das Problem, ob Denken ohne Sprache möglich sei, ist immer noch umstritten. Dagegen wird die Tatsache, daß Sprache ohne Denken durchaus möglich ist, täglich tausendfach bewiesen.
Rainer KohlmayerDouble. – A und B galten als gute Freunde. Nach dem Tod von A stellte sich jedoch heraus, daß B nichts als die Perücke von A war. Eine Zeitlang wurde der Perückenausweis obligatorisch.
Rainer KohlmayerRetortenbabys. – Heutzutage hat jede Frau das Recht auf unbefleckte Empfängnis.
Rainer KohlmayerWelcher Zusammenhang besteht wohl zwischen Gebetsmühlen und Schallplatten?
Rainer KohlmayerHeimweh des Ungarndeutschen. – Statt „Budapest“ las er immer „Bundespost“.
Rainer KohlmayerStilkritik. – Es gibt Formulierungen, denen man die stilistische Perücke abnehmen muß, um die Nichtigkeit des Gedankens zu beweisen.
Rainer KohlmayerVom Nazismus zum Narzißmus. – Die Großväter verstecken die Vergangenheit (no past). Die Enkel verzichten auf die Zukunft (no future).
Rainer KohlmayerLadendiebstahl. – Wer Ladeninhaber bestehlen will, begeht Ladendiebstahl. Wer Kunden bestehlen will, begeht Preiserhöhungen.
Rainer KohlmayerKummer des Demokraten. – „Ich wäre viel höflicher, wenn da nicht diese störende Etymologie des Wortes „höflich“ wäre. Warum können „vulgär“ und „höflich“ nicht die Bedeutungen tauschen?“
Rainer KohlmayerIm Rampenlicht. – Die englische Sprache hat für „handeln“ und „schauspielern“ ein und dasselbe Wort: „to act“. Ein gelungenes Bonmot auf die Politiker des Fernsehzeitalters.
Rainer KohlmayerDialektik. – Da er sich nach jahrelanger Forschung und Lehre nur noch in seinem Fachjargon fließend ausdrücken konnte, sah er sich gezwungen, für seine Alltagsgespräche einen Kommunikationsexperten zu Rate zu ziehen.
Rainer KohlmayerFeministin beim Singen der Hymne an die Freude. – „Alle Männchen werden Brüter…“
Rainer KohlmayerOrientierung. – Wer nach Wahrheit strebt, hat alle gegen sich. Wer zu den Quellen will, muß gegen den Strom schwimmen.
Rainer KohlmayerPoetische Triebsublimierung. – Der Wortpflanzungstrieb.
Rainer KohlmayerParadigmenwechsel. – „Grundlegend neue und allgemeine Theorie“, verkündete ein philosophischer Leithammel. „Gemeine Theorie“, echoten die Böcke. „Meine Theorie“, bestätigten die Schafe. „Eine Theorie“, blökten die Lämmer.
Rainer KohlmayerLyrikwettbewerb. – Nachwuchspoeten, um die Gunst der Kritiker und Lektoren buhlend – auf dem literarischen Babystrich.
Rainer KohlmayerDie beiden verstehen sich. – Zwischen „verliebt“ und „verheiratet“ besteht ein ähnlich großer Unterschied wie zwischen „kopiert“ und „kapiert“.
Rainer KohlmayerLiteratur und Literaturvorlesung. – Dort die Rohkost, hier das Verdaute. Welches Menu empfehlen Sie mir?
Rainer KohlmayerWie, du hast dich noch nie verirrt? Du weißt also gar nicht, wo du wohnst!
Rainer KohlmayerDas muß in Fleisch und Blut übergehn. – Jahrelang hatte er brav sein Begriffsheu geschluckt und wiedergekäut. „Jetzt hab ich endlich Examen“, muhte er.
Rainer KohlmayerLangue & parole bzw. Monica & Hillary. – Die Zungenfertigkeiten der Hetäre und die der Intellektuellen: Bitte niemals das eine durch das andere verdrängen.
Rainer KohlmayerKalte Höflichkeit. – Er verwechselte Anstand mit Abstand.
Rainer KohlmayerAphoristiker opfern das ganze Wetter für einen einzigen Blitz.
Rainer Kohlmayer