Rainer Kohlmayer Zitate
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Konsequenzen der Arbeitsteilung. – „Ich denke, also existiere ich.“ „Ich arbeite, also denke und existiere ich nicht.“ „Ich arbeite nicht, also muß ich denken, um existieren zu können.“
Rainer KohlmayerTierischer Ernst? – Ungerechtigkeit der Sprache: Nur die Tiere sind tierisch ernst, die den Menschen ausgeliefert sind. Der tierische Ernst der Tiere hat also dieselbe Ursache wie der tierische Ernst von Menschen: Folge einer Beschädigung.
Rainer KohlmayerUnwichtige Außenseiter. – Statisten, die in keiner Statistik vorkommen.
Rainer KohlmayerDie sanfte Tendenzwende zur leistungsorientierten Pädagogik. – Man schlägt den Esel nicht mehr; man streichelt den Sack, den er schleppen soll.
Rainer KohlmayerMutant. – Druckfehler im Buch der Natur.
Rainer KohlmayerMarketing-Ausbildung für Verbraucher. – „Hier, nimm dieses Lexikon – darin steht die ganze Welt.“ „Aber – das ist doch ein Versandkatalog.“ „Richtig. Deine Welt.“
Rainer KohlmayerLieschen Müller hatte die Gürtellinie zum Horizont erklärt. Manche ihrer emanzipierten Töchter bleiben auch heute noch dabei, nur daß sie die Blickrichtung um 180 Grad gewechselt haben.
Rainer KohlmayerVergeßlichkeit – die Muse der Entdeckungen.
Rainer KohlmayerWarum werden Beziehungen ständig „vertieft“? Und vor allem – an welcher Stelle?
Rainer KohlmayerDernier cri. – Die Sensationen begraben einander, jede Neuigkeit ist gleichzeitig eine Beerdigung, ihr Geburtsschrei ist immer zugleich ihr Todesschrei. Die Kultur imitiert dabei den Kreislauf der Natur, aber mit erhöhter Geschwindigkeit.
Rainer KohlmayerIm Frühtau zu Berge. – Spätaufsteher müssen die Flurschäden bereinigen, welche die Frühaufsteher angerichtet haben.
Rainer KohlmayerArbeit des literarischen Übersetzers. – Der lange Marsch durch die Intuitionen.
Rainer KohlmayerSuchen und Finden. – Das Kind findet, ohne zu suchen. Der Jüngling sucht und findet. Der Mann sucht, ohne zu finden. Der Greis vergißt, was er suchen wollte.
Rainer KohlmayerKonsequenz. – Wenn der Bock zum Gärtner gemacht wird, soll man sich nicht wundern, wenn die Gärtner bocken.
Rainer KohlmayerBardame: Die schöne Promillerin.
Rainer KohlmayerRiskantes Termingeschäft. – Wer sich für andere aufopfert, macht einen betrügerischen Bankrott und spekuliert auf fragwürdige Fegefeuererleichterungen oder himmlische Subventionen.
Rainer KohlmayerPerückwärts. – Da er die Perücke falsch herum aufgesetzt hatte, verblüffte er die Leute damit, wie schnell er rückwärts laufen konnte. Niemand schien sein wahres Gesicht zu kennen oder zu vermissen.
Rainer KohlmayerIch, das unbekannte Wesen. – Im Buch der Natur kommt das Personalpronomen der 1. Person Singular nicht vor.
Rainer KohlmayerL’art pour l’art ist längst abgelöst durch la science pour la science.
Rainer KohlmayerCasanova. – Nach sechs Monaten Zuchthaus wegen Polygamie wurde er entlassen. Er galt als polyzahm.
Rainer KohlmayerPolaroid. – Die Gegenwart dient ausschließlich den zukünftigen Erinnerungen. Das Gedächtnis überrundet das Erlebnis.
Rainer KohlmayerCasanovas Hypothese. – Das Lächeln der Mona Lisa sei gar nicht so rätselhaft, meinte er. „Leonardo hat das Kopfkissen übermalt.“
Rainer KohlmayerNot und Tugend. – Der Moralist macht aus der Tugend eine Not. Der Lehrer macht aus der Tugend eine Note. Der Streber macht aus den Noten eine Tugend.
Rainer KohlmayerAus der (n)e(u)rotischen Terminologie einer heutigen deutschen Grammatik. – Nachstellung, Umklammerung, Kontaktstellung, Spreizstellung, emphatische Gliedstellung, Beifügung, Einschub, Figuren, Klimax, Abbruch, Ausklammerung, Wiederholung…
Rainer KohlmayerAus dem Katechismus der Heuschrecken. – „Die Sense hat immer Recht.“
Rainer KohlmayerEnglische Richter sind der letzte Berufsstand, der noch Perücken tragen darf. Spricht das für oder gegen das Rechtsbewußtsein auf der Insel?
Rainer KohlmayerIn Frankreich gibt es an Bahnübergängen Schilder mit der Warnung: „Attention! Un train peut cacher un autre!“ Auf die Psyche übertragen, lassen sich zahlreiche Analogien bilden. „Achtung, ein kluger Einfall kann eine enorme Dummheit verbergen!“
Rainer KohlmayerMillionen unbekannter Genies. – Gescheit, gescheiter, gescheitert.
Rainer KohlmayerKleine Überraschung. – „Wer ist denn die neue Blondine da drüben?“ „Das bin ich.“
Rainer KohlmayerEinsamkeit macht schwerhörig. Das Trommelfell wächst zu.
Rainer KohlmayerHi[nte]rnprodukte. – In Buchrezensionen ist oft erstaunlich ablehnend von „Hirnprodukten“ die Rede. Was hat man bloß gegen das Hirn? Oder ist es ein Druckfehler? (Karl Kraus sprach gelegentlich von „Gehirnfäkalien“).
Rainer KohlmayerBitte nicht stören. – Das Land schlief. Die Zukunft ging auf Zehenspitzen weiter.
Rainer KohlmayerEinfälle können Mauern zum Einsturz bringen. Aber in der ewigen Wiederkehr des Gleichen ist es eigentlich egal, welche Mauern und Metaphern bei den plappernden Säugetieren gerade Mode sind.
Rainer KohlmayerSublimierung. – Die gedrückte Kreatur wird zum gedruckten Kreator.
Rainer KohlmayerSieg nach Punkten. – Nach einem Gespräch unter vier Augen war er wieder k.o.operationsbereit.
Rainer Kohlmayer