Zitate von Rainer Maria Rilke
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Seien Sie aufmerksam gegen das, was in Ihnen aufsteht, und stellen Sie es über alles, was Sie um sich bemerken. Ihr innerstes Geschehen ist Ihrer ganzen Liebe wert, an ihm müssen Sie irgendwie arbeiten und nicht zu viel Zeit und zu viel Mut damit verlieren, Ihre Stellung zu den Menschen aufzuklären.
Liebhaben von Mensch zu Mensch: das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit nur Vorbereitung ist.
Auf einmal faßt die Rosenpflückerin Die volle Knospe seines Lebensgliedes, und an dem Schreck des Unterschiedes schwinden die linden Gärten in ihr hin.
Von einem Unverheirateten erwartet man nicht, dass er glücklich ist. Wenn er heiratet, sind die Menschen erstaunt, dass er es nicht ist.
Man weckt mit einer entschlossenen Arbeit Mächte auf, die selbst an einem zu arbeiten beginnen.
Die Dinge sind alle nicht so faßbar und sagbar, als man uns meistens glauben machen möchte; die Ereignisse sind unsagbar, vollziehen sich in einem Raum, den nie ein Wort betreten hat…
Man muß überhaupt mit den Namen so vorsichtig sein; es ist so oft der Name eines Verbrechens, an dem ein Leben zerbricht, nicht die namenlose und persönliche Handlung selbst.
Und gibt es einen Mund zu ihrem Schutze [der Armen], so mach ihn mündig und bewege ihn.
Wenn du an mich denkst, erinnere dich an die Stunde, in welcher du mich am liebsten hattest.
Aber der Weg zu dir [Gott] ist furchtbar weit und, weil ihn lange keiner ging, verweht.
Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge. Wer viel geben will, muß viel empfangen haben.
Nichts meint das Gedicht weniger, als in dem Lesenden den möglichen Dichter aufzuregen.
Mit dem überlebensgroßen Engel der Einsamkeit kann man nur ringen, wenn man den Saft der Arbeit in den Adern hat, sonst wird seine Dämonie zur Überwältigung und zum fortwährend sich fällenden Urteil.
Unsere Welt ist ein Theatervorhang, hinter dem die tiefsten Geheimnisse verborgen liegen.
Im Grunde ist Entfernung kein Hindernis (wie oft hingegen ist Nähe eines), sich zu erreichen.
O gäb’s doch Sterne, die nicht bleichen, wenn schon der Tag den Ost besäumt; von solchen Sternen ohnegleich hat meine Seele oft geträumt.
Man darf die Klagesaiten nur dann so ausführlich gebrauchen, wenn man entschlossen ist, auf ihnen, mit ihren Mitteln, später auch den ganzen Jubel zu spielen, der hinter jedem Schweren, Schmerzhaften und Ertragenem anwächst und ohne den die Stimmen nicht vollständig sind.
Der liebe Gott muß mir bald sagen, was er will und was ich darf. An ihm ist jetzt der Entschluß.
Es ist manchmal gut, die Sorgen so zu behandeln, als ob sie nicht da wären; das einzige Mittel, ihnen die Wichtigkeit zu nehmen.
Darin besteht die Liebe: Daß sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden.
Vielleicht ist das Schrecklichste im tiefsten Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.
Des Sommers Wochen standen still, Es stieg der Bäume Blut, jetzt fühlst du, dass es fallen will In den, der alles tut.
Wäre es uns möglich, weiter zu sehen, als unser Wissen reicht, vielleicht würden wir dann unsere Traurigkeiten mit größerem Vertrauen ertragen als unsere Freuden.
Ich bin auf der Welt zu allein und doch nicht allein genug, um jede Stunde zu weihen.
Wir sollen nur tiefer und wunderbarer hängen an dem, was war, und lächeln: ein wenig klarer vielleicht als vor einem Jahr.
O Herr, gib jedem seinen eignen Tod. Das Sterben, das aus jenem Leben geht, darin er Liebe hatte, Sinn und Not.
Die Lage eines Menschen ändern, bessern wollen, heißt, ihm für Schwierigkeiten, in denen er geübt und erfahren ist, andere Schwierigkeiten anbieten, die ihn vielleicht noch ratloser finden.
Nur wer auf alles gefaßt ist, wer nichts, auch das Rätselhafteste nicht ausschließt, wird selbst sein eigenes Dasein ausschöpfen.
Unser Wille ist nur der Wind, der uns drängt und dreht; weil wir selber die Sehnsucht sind, die in Blüten steht.
Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben! Sie zu halten, wäre das Problem. Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben, wo ein endlich Sein in alledem?
Alles wird wieder groß sein und gewaltig. Die Lande einfach und die Wasser faltig, die Bäume riesig und sehr klein die Mauern; und in den Tälern, stark und vielgestaltig, ein Volk von Hirten und von Ackerbauern.
Die Lage eines Menschen bessern wollen, setzt einen Einblick in seine Umstände voraus, wie nicht einmal der Dichter ihn besitzt einer Figur gegenüber, die aus seiner eigenen Erfindung stammt.
Das Leben und dazu eine Katze, das ergibt eine unglaubliche Summe, ich schwör’s euch!
Religion ist etwas unendlich Einfaches, Einfältiges. Es ist keine Kenntnis, kein Inhalt des Gefühls […], es ist keine Pflicht und kein Verzicht, es ist keine Einschränkung: sondern in der vollkommenen Weite des Weltalls ist es: eine Richtung des Herzens.
Junge Menschen, die Anfänger in allem sind, können die Liebe noch nicht: sie müssen sie lernen.
Die künstlerischen Ereignisse vollziehen sich, weit unter der Oberfläche des momentanen Lebens, in einer gleichsam zeitlosen Tiefe.
Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), es sind Erfahrungen.