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Das Erz hat Heimweh. Und verlassen Will es die Münzen und die Räder, Die es ein kleines Leben lehren. Und aus Fabriken und aus Kassen Wird es zurück in das Geäder Der aufgetanen Berge kehren, Die sich verschließen hinter ihm.
Rainer Maria RilkeMan hat schon viele Bewegungsbegriffe umdenken müssen, man wird auch allmählich erkennen lernen, daß das, was wir Schicksal nennen, aus den Menschen heraustritt, nicht von außen her in sie hinein.
Rainer Maria RilkeWenn der Mensch doch aufhörte, sich auf die Grausamkeit der Natur zu berufen, um seine eigene zu entschuldigen! Er vergißt, wie unendlich schuldlos auch noch das Fürchterlichste in der Natur geschieht.
Rainer Maria RilkeEines Tages alt sein und noch lange nicht alles verstehen, nein, aber anfangen, aber lieben, aber ahnen, aber zusammenhängen mit Fernem und Unsagbarem bis in die Sterne hinein!
Rainer Maria RilkeDann ward ich ernst. In meinem Herzen brannte ein junges Hoffen und ein alter Gram... Zur Zeit, als einmal dir die Gouvernante den "Werther aus den Händen nahm.
Rainer Maria RilkeIm Frühling oder im Traume bin ich dir begegnet einst, und jetzt gehn wir zusammen durch den Herbsttag, und du drückst mir die Hand und weinst. Weinst du ob der jagenden Wolken? Ob der blutroten Blätter? Kaum. Ich fühl es: du warst einmal glücklich im Frühling oder im Traum...
Rainer Maria RilkeWenn ich in mein Gewissen schaue, sehe ich nur ein Gesetz, unerbittlich befehlend: mich in mich selbst einschließen und in einem Zuge die Aufgabe beenden, die mir im Zentrum meines Herzens diktiert wurde. Ich gehorche.
Rainer Maria RilkeWer von uns müßte nicht dies vor allem erstreben: in seinem Können sicher zu werden, um gegen das von Außen kommende Urteil jeweils die rechten Gegengewichte im eigenen Gewissen zu besitzen.
Rainer Maria RilkeMan kann gar nicht oft genug im Leben das Gefühl des Anfangs in sich aufwecken, es ist so wenig äußere Veränderung dafür nötig, denn wir verändern ja die Welt von unserem Herzen aus, will dieses nur neu und unermeßlich sein, so ist sie sofort wie am Tage ihrer Schöpfung und unendlich.
Rainer Maria RilkeDer Flügelschlag eines hohen Vogels und das Schwanken der Wipfel. Diese beiden Gebärden sollen deine Seele lehren, sich zu bewegen.
Rainer Maria RilkeIch lerne es täglich, lerne es unter Schmerzen, denen ich dankbar bin: Geduld ist alles.
Rainer Maria RilkeSie hatte keinerlei Geschichte, ereignislos ging Jahr um Jahr - auf einmal kam's mit lauter Lichte die Liebe oder was das war. Dann plötzlich sah sie's bang zerrinnen. Da liegt ein Teich vor ihrem Haus. So wie ein Traum scheint's zu beginnen, und wie ein Schicksal geht es aus.
Rainer Maria RilkeMeide den Irrtum, daß es Entbehrungen gäbe für den geschehenen Entschluß, diesen: zu sein!
Rainer Maria Rilke... das halte ich für das beste Gefühl: Einsam und doch in einer großen Gemeinsamkeit...
Rainer Maria RilkeEine gute Ehe ist die, in der der eine den anderen zum Schutzengel seiner Einsamkeit bestellt!
Rainer Maria RilkeIm Schoß der silberhellen Schneenacht dort schlummert alles weit und breit, und nur ein ewig wildes Weh wacht in einer Seele Einsamkeit.
Rainer Maria RilkeWarum wollen Sie irgendeine Beunruhigung, irgendein Weh, irgendeine Schwermut von Ihrem Leben ausschließen, da Sie doch nicht wissen, was diese Zustände an Ihnen arbeiten?
Rainer Maria RilkeDie Zeit der andern Auslegung wird anbrechen, und es wird kein Wort auf dem andern bleiben.
Rainer Maria RilkeWillst Du, ich soll Dir geben, sei, bitte, erst Schale und schön, sei erst bereit zu empfangen und ruhig zum Halten.
Rainer Maria RilkeUm sich zu erfüllen muß sie [die Kunst] dort wirken, wo Alle - Einer sind. Wenn sie dann diesen Einen beschenkt, kommt grenzenloser Reichtum über Alle.
Rainer Maria RilkeSo laß uns Abschied nehmen wie zwei Sterne, durch jedes Übermaß von Nacht getrennt, das eine Nähe ist, die sich an Ferne erprobt und an dem Fernsten sich erkennt.
Rainer Maria RilkeWir müssen unser Dasein so weit, als es irgend geht, annehmen; alles, auch das Unerhörte, muß darin möglich sein.
Rainer Maria RilkeDas ist mein Streit: Sehnsucht geweiht, durch alle Tage schweifen. Dann, stark und breit, mit tausend Wurzelstreifen tief in das Leben greifen - weit aus dem Leben reifen, weit aus der Zeit.
Rainer Maria RilkeWir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Mißtrauen zu haben, denn sie ist nicht gegen uns.
Rainer Maria RilkeSei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir, wie der Winter, der eben geht. Denn unter Wintern ist einer so endlos Winter, daß, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.
Rainer Maria RilkeAch, da wir Hilfe von Menschen erharrten: Stiegen Engel lautlos mit einem Schritte hinüber über das liebende Herz.
Rainer Maria Rilke... Gott war guter Laune. Geizen ist doch wohl nicht seine Art; und er lächelte: da ward Böhmen, reich an tausend Reizen.
Rainer Maria RilkeIch weiß nicht, wie mir geschieht. Weiß nicht, was Wonne ich lausche, mein Herz ist fort wie im Rausche, und die Sehnsucht ist wie ein Lied.
Rainer Maria RilkeDu musst das Leben nicht verstehen, dann wird es werden wie ein Fest. Und lass dir jeden Tag geschehen so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt.
Rainer Maria RilkeAlle Gefühle sind rein, die dir helfen, dich zu sammeln und zu erheben; unrein ist das Gefühl, das nur eine Seite deines Wesens ergreift und dich dadurch verzerrt.
Rainer Maria RilkeFür die Frau ist das Kind eine Vollendung und Befreiung von aller Fremdheit und Unsicherheit: es ist, auch geistig, das Zeichen der Reife.
Rainer Maria Rilke