Zitate von Wilhelm Raabe
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Das Mal der Dichtung ist ein Kainsstempel, welcher einem auch nicht gratis aufgedrückt wird.

Dem Kleinen ist der Große widerlich, denn wo jener hinkommt (meist durch Zufall), ist dieser schon gewesen.

Der Mensch hat auf Erden nichts, was er als sein ewiges Eigentum beanspruchen und aufrechterhalten kann und woran er schreiben darf: Rühre nicht an!

An dem Meineid scheitert alle Philosophie. Es wird da etwas zum Zeugen aufgerufen, daß man nicht lügt, wie sonst den Tag über und das Leben durch.

Alles was Kunst, Literatur usw. usw. durch die Jahrtausende geliefert hat, das „Caput mortuum“* der Menschheit. (*lateinisch: Totenkopf)

Wieviel können die wirklichen Menschen auf dieser Erde durch ein Wort oder nur einen stummen Blick oder durch ein Achselzucken Gutes oder Böses ausrichten!

Solange die Sonne scheint und der Regen regnet, die Kälte beißt, ist’s mir gleichgültig, wie unverschämt und frech das Menschenvolk ist. Ich bin es auch und lasse mich ruhig bescheinen oder naßregnen.

Ist denn nicht unser ganzes Dasein meistens ein Kopfwegstecken vor dem Unvermeidlichen?

Wer denkt, wenn er in die Freuden seiner Kinderjahre zurückblickt, daran, daß seine Eltern auf dem Kampfplatz waren? Auf dem Kampfplatz in der bittersten, bösesten Bedeutung des Wortes!

Wieviel Zeit von seinen eigenen Tagen behält man übrig für die Bedrängnis der anderen?

Man muss sich bei jedem Erdentummel, in den man persönlich mit verwickelt wird, nur immer sofort deutlich machen, wie das nur ein Augenblicksbild ist.

Man glaubt alle Augenblicke vor einer Wand zu stehen, um jedesmal zu finden, daß ein Weg um dieselbe herumführe.

Eine Blume, die sich erschließt, macht keinen Lärm dabei: Unbemerkt kommt alles, was Dauer haben soll, in dieser wechselnden, lärmvollen Welt.

Der Pöbel sagt stets „Du“ zu einem großen Mann, der ihm nichts Besseres zu fressen und zu saufen gibt, oder ihn auf dem Schlachtfeld verhauen läßt, und verlangt durch alle Stände, daß man „Sie“ zu ihm sage.

Was hat unsereiner Bessres von seiner Lebensarbeit, als daß er dann und wann erfährt, sein Werk habe Menschenkindern in guten Stunden noch ein wenig mehr Sonne und zu dunkeln, bösen wenigstens einen lichten Schein von Ferne in den Erdentag getragen.

Über der Wiege des ewigen Kindes „Menschheit“ schweben die guten Genien, die großen Weltdichter, schütten aus ihren Füllhörnern die goldgelben Weihnachtsfrüchte herab und sind mit ihren Wiegenliedern stets da, wenn häßliche, schwarze Kobolde erschreckend dazwischengelugt haben.

Wieviel ruhiger lebten wir in der Welt, wenn wir uns nicht immer aus unserem Schicksal unsere Reue und unsere Gewissensbisse zurechtschnitten, stets in dem Gefühl, uns selber nie das Geringste vergeben zu dürfen.

Alles in der Welt geht in der Wellenlinie. Jede Landstraße und so weiter. Wehe dem, der überall ein Lineal anlegt!

Wen der Strahl der ersten reinen Liebe berührt hat, der ist gezeichnet mit einem göttlichen Scheine vor den Menschen.

Was sind wir allesamt anders als Boten, die versiegelte Gaben zu unbekannten Leuten tragen?

Wie kahl und jämmerlich würde mancher Fleck auf Erden aussehen, wenn kein Unkraut darauf wüchse.

Die Welt ist viel trivialer, oder, wenn du es auf deutsch willst, viel nichtsbedeutender, als sie sich einbildet.

Der Mensch, in seinem Gemäuer gefangen, besinnt sich lange nicht oft genug darauf, dass er lebt, Leben ist und es mit dem Lebendigen zu tun hat solange er lebt.

Ein Weib möchte immer alles gern selber verrichten, aber zugleich immer einen haben, dem es die Verantwortung dafür in die Schuhe schieben könnte.

Wir tragen eben den Frieden wie ein Gewand, an dem wir vorn flicken, während es hinten reißt – der Stoff hält sich eben nicht.

Die Massen in Bewegung zu setzen braucht’s nur der Phrase eines Dummkopfs. Wie lange Zeit braucht der kluge Mann, um nur einen einzigen zu seiner Meinung zu bekehren!

Es ist immer ein Vorrecht anständiger Leute gewesen, in bedenklichen Zeiten lieber für sich den Narren zu spielen als in großer Gesellschaft unter den Lumpen der Lump zu sein.

Ihr sollt in meinem Denken und Reden, Tun und Lassen nicht den und den, dessen Bild ihr gerade vor Augen habt, gelten lassen; sondern mich – mich selber.

Die Billardkugeln sind besser dran als die Menschen, die sich auch von allen möglichen Tölpeln und Lümmeln umherstoßen lassen müssen, aber mit Gefühl.