Zitate von Friedrich Nietzsche
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Wahrlich, ich mag sie nicht, die Barmherzigen, die selig sind in ihrem Mitleiden. Zu sehr gebricht es ihnen an Scham.
Nicht daß du Götzen umwarfst: Daß du die Götzendiener in dir umwarfst, Das war dein Mut.
Die Antithese ist die enge Pforte, durch welche sich am liebsten der Irrtum zur Wahrheit schleicht.
Ein Mensch, der über seinen Jähzorn, seine Gall- und Rachsucht, seine Wollust nicht Meister werden will und es versucht, irgendworin sonst Meister zu werden, ist so dumm wie der Ackersmann, der neben einem Wildbach seine Äcker anlegt, ohne sich gegen ihn zu schützen.
Der getretene Wurm krümmt sich. So ist es klug. Er verringert damit die Wahrscheinlichkeit, von Neuem getreten zu werden. In der Sprache der Moral: Demut.
Man muss der Menschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele, – durch Verachtung…
Ich begreife nicht, wozu man nötig hat, zu verleumden. Will man jemanden schaden, so braucht man ja nur über ihn irgend eine Wahrheit zu sagen.
Nichts ist mehr euer eigen, als eure Träume! Nichts mehr euer Werk! Stoff, Form, Dauer, Schauspieler, Zuschauer, – in diesen Komödien seid ihr alles ihr selber!
Weg zur Gleichheit. – Einige Stunden Bergsteigens machen aus einem Schuft und einem Heiligen zwei ziemlich gleiche Geschöpfe. Die Ermüdung ist der kürzeste Weg zur Gleichheit und Brüderlichkeit.
Zu den Schauspielen, auf welche uns das nächste Jahrhundert einladet, gehört die Entscheidung im Schicksale der europäischen Juden.
Mit Personen, denen die Scheu vor dem Persönlichen fehlt, muß man nicht umgehen oder unerbittlich ihnen vorher die Handschellen der Konvenienz anlegen.
Ein Staatsmann zertheilt die Menschheit in zwei Gattungen, erstens Werkzeuge, zweitens Feinde. Eigentlich giebt es also für ihn nur Eine Gattung von Menschen: Feinde.
Der Dichter, der lügen kann wissentlich, willentlich, der kann allein Wahrheit reden.
Nur Schritt für Schritt – das ist kein Leben, stets Bein vor Bein macht deutsch und schwer.
Und wer unter Menschen nicht verschmachten will, muss lernen, aus allen Gläsern zu trinken; und wer unter Menschen rein bleiben will, muss verstehen, sich auch mit schmutzigem Wasser zu waschen.
Zynismus ist die einzige Form, in welcher gemeine Seelen an das streifen, was Redlichkeit ist.
Und lernen wir besser uns freuen, so verlernen wir am besten, andern wehe zu tun und Wehes auszudenken.
Wenn wir uns stark verwandeln, dann werden unsere Freunde, die nicht verwandelten, zu Gespenstern unserer eigenen Vergangenheit: ihre Stimme tönt schattenhaft-schauerlich zu uns heran – als ob wir uns selber hörten, aber jünger, härter, ungereifter.
Die Dichter, insofern auch sie das Leben der Menschen erleichtern wollen, wenden den Blick entweder von der mühseligen Gegenwart ab oder verhelfen der Gegenwart durch ein Licht, das sie von der Vergangenheit her strahlen machen, zu neuen Farben.
Der Besitz der Wahrheit ist nicht schrecklich, sondern langweilig, wie jeder Besitz.
Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.
Man hat gut reden von aller Art Immoralität! Aber sie aushalten können! Zum Beispiel würde ich ein gebrochenes Wort oder gar einen Mord nicht aushalten.
Die Posse vieler Arbeitsamen. – Sie erkämpfen durch ein Übermaß von Anstrengung sich freie Zeit und wissen nachher nichts mit ihr anzufangen, als die Stunden abzuzählen, bis sie abgelaufen sind.
Die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das Übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.
Ihr Rauchkammern und verdumpfte Stuben, ihr Käfige und engen Herzen, wie wolltet ihr freien Geistes sein!
Die drei großen Feinde der Unabhängigkeit in jenem dreifachen Sinne sind die Habenichtse, die Reichen und die Parteien.
„Die Erkenntnis um ihrer selbst willen“ – das ist der letzte Fallstrick, den die Moral legt: damit verwickelt man sich noch einmal völlig in sie.
Der Sinn der Strafe ist, jemanden in der gesellschaftlichen Ordnung niedriger zu setzen.
Wer seine Seele heilen will, soll über die Veränderung der kleinsten Gewohnheiten nachdenken. Mancher sagt zehnmal des Tages ein böses kaltes Wort an seine Umgebung… Aber er kann sich auch daran gewöhnen, ihr zehnmal wohlzutun.
Der Weise wird unwillkürlich mit den andern Menschen leutselig umgehen, wie ein Fürst, und sie, trotz aller Verschiedenheit der Begabung, des Standes und der Gesittung, leicht als gleichartig behandeln: was man, sobald es bemerkt wird, ihm sehr übel nimmt.
Wenn einer sehr lange und hartnäckig etwas scheinen will, so wird es ihm zuletzt schwer, etwas anderes zu sein.
Man wird die Menge nicht eher zum Hosiannarufen bringen, bis man auf einem Esel in die Stadt einreitet.
Die Demokratie repräsentiert den Unglauben an große Menschen und an Elite-Gesellschaft.
Der Unterleib ist der Grund dafür, dass der Mensch sich nicht so leicht für einen Gott hält.
Die Natur macht keine Sprünge, aber wenn ein echter Heiliger auftaucht, macht sie einen Freudensprung.
Das Gesetz, die gründlich realistische Formulierung gewisser Erhaltungsbedingungen einer Gemeinde, verbietet gewisse Handlungen in einer bestimmten Richtung, nämlich insofern sie gegen die Gemeinde sich wenden.
Dicht neben dem Wehe der Welt, und oft auf seinem vulkanischen Boden, hat der Mensch seine kleinen Gärten des Glücks angelegt.
Am besten wäre es ohnehin, in Hinblick auf das Frauenproblem orientalisch zu denken und die Weiber in den Käfig zu sperren.
Die Gesundheit wird gefördert; asketisch-weltverneinende Denkweisen (mit ihrem Willen zur Krankheit) kaum begriffen. Alles mögliche gilt und wird gelten gelassen und anerkannt, feuchte milde Luft, in der jede Art Pflanze wächst. Es ist das Paradies für alle kleine üppige Vegetation.
Die Geduldigen. Die Pinie scheint zu horchen, die Tanne zu warten: und beide ohne Ungeduld: sie denken nicht an den kleinen Menschen unter sich, den Ungeduld und seine Neugierde auffressen.
Die Griechen haben ein eigenes Wort für die Empörung über das Unglück des anderen: dieser Affekt war unter christlichen Völkern unstatthaft und hat sich wenig entwickelt, und so fehlt ihnen auch der Name für diesen männlicheren Bruder des Mitleidens.