Zitate von Jean Paul
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Ein einziger Geruch weckt ganze Gruppen von alten Empfindungen wieder auf; wirkt mehr auf die Phantasie als selbst das Auge.
Die guten Weiber müssen immer die Himmelsleiter tragen und halten, auf der die Männer ins Himmelblau und in die Abendröte steigen.
Die Mutterliebe durchgreift mit tausend Wurzelzweigen das ganze weibliche Herz, sie zieht alles Blut, sogar das verdorbene in sich an und verdrängt jede Nebenpflanze und blüht endlich ganz allein auf dem umflochtenen Boden.
Mit wieviel tausend kleinen Mitteln muß sich der Mensch abgeben, ehe er mit etwas Großem sich beschäftigen kann.
Das Alter wird geizig und sucht Geld, bloß weil es die kühnen Ideale der Jugend nicht mehr hat, und seine Kräfte ausgesprochen und nun nichts weiter braucht, als Ruhe, die ihm Geld am besten gewährt.
Mäßiges Verleumden… sollte man einer Ehefrau, als einen geringen Ersatz ihrer verlorenen Schmeicheleien, eher erleichtern als versalzen.
Ein guter Mensch ist unter den Gewissensbissen künftiger Handlungen durchaus zum Genusse verdorben.
Der Mensch wird nicht gut (obwohl besser), weil er sich bekehrt, sondern er bekehrt sich, weil er gut ist.
Die vollendete Aufrichtigkeit steht nur der Tugend an: der Mensch, in dem Argwohn und Finsternis ist, lege immer seinem Busen Nachtriegel und Nachtschrauben an; der Böse verschone uns mit seiner Leichenöffnung, und wer keine Himmelstür an sich zu öffnen hat, lasse das Höllentor zu.
Leider versagen die meisten nur darum so viel, weil sie entweder fürchten oder wünschen, nachher zu viel zu geben.
Wenn uns die Menschen verlassen oder verwunden, so breitet ja noch immer der Himmel, die Erde und der kleine blühende Baum seine Arme aus und nimmt den Verletzten darin auf.
Oft gehört nichts dazu, den Ehemann zu stillen, der 100 Fehler vorwirft, als sie alle rein-denkend zuzugestehen.
Ungleich den Franzosen und Engländern, loben die Deutschen nichts (an einem Autor, Menschen), ohne alles zu loben; sie glauben parteiisch sein zu müssen.
Kurze Parenthesen können, bandlos abgebrochen, als neue Perioden mitreden; ein langer Schmarotzer-Periode muß sich durchaus mit dem Stammperioden grammatisch verwurzeln; und die Probe der Güte ist, daß der Leser nicht dabei zurückzulesen hat.
Man gibt seine Kinder auf die Schule, daß sie still werden; auf die Hochschule, daß sie laut werden.
In der Einsamkeit wird der gute Teil des Menschen, in der Menge der schlechte vergrößert; jener bekommt dort die Waffen, dieser fühlt sie hier. In der Gesellschaft lernt man die Tugend nicht.
Niemand könnte sich verhaßter und langweiliger machen als einer, der in allen Sozietäten Menschen nur lobte.
Denkt euch ein Jahrhundert zurück und denkt euch ein Jahrhundert voraus und höret dann die Menschen über euch.
Ein Gelehrter gilt so lange für unfehlbar, bis er vor uns den ersten Irrtum begangen und nachgeben müssen; dann tritt man ihm ohne Gnade keck entgegen.
Der Mensch schämt sich der heftigsten Zeichen des Hasses weniger, als der kleinsten der Liebe.
Es hat mich oft verdrüßlich gemacht, daß ich jeder Vorrede, die ich schreibe, ein Buch anhängen muß
Das schönste an einem Feiertag ist die Aussicht auf einen zweiten. Daher ist der letzte stets ein Aschermittwoch.
Wenn Selbsterkenntnis der Weg zur Tugend ist, so ist die Tugend noch mehr der Weg zur Selbsterkenntnis.
Sei froh, daß du leiden kannst, sei froh, daß du fühlen kannst… Wie willst du wissen, ob es dir gut oder schlecht geht, wenn du nicht beides miteinander vergleichen kannst?
Es ist beinahe noch schwerer, gut zu schreiben, als ebensogut zu reden: denn zu jenem hab ich nicht mehr Zeit als bei diesem, weil gute Gedanken doch schnell entstehen.
Im Reiche des Wissens kommt – anders als im physischen – der Schall immer früher an als das Licht.
Die Schwätzer von lohnendem Bewußtsein guter Taten haben wenig getan – sie hätten sie sonst vergessen -, sie hätten sich sonst erinnert, daß die Gewissensbisse mit der Stärke des Gewissens steigen und daß die besten Menschen sich mehr vorwerfen als die schlimmsten.
Wo einer Zeit Gott, wie die Sonne, untergehet; da tritt bald darauf auch die Welt in das Dunkel; der Verächter des All achtet nichts weiter als sich und fürchtet sich in der Nacht vor nichts weiter als vor seinen Geschöpfen.
Bei dem Leben wird, wie bei dem Montblanc, nicht das Hinauf-, sondern das Heruntersteigen am schwersten, zumal weil man statt des Gipfels Abgründe sieht.