Zitate von Friedrich Nietzsche
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Jede Moral ist, im Gegensatz zum laisser aller, ein Stück Tyrannei gegen die „Natur“, auch gegen die „Vernunft“: das ist aber noch kein Einwand gegen sie, man müsste denn selbst schon wieder von irgendeiner Moral aus dekretieren, dass alle Art Tyrannei und Unvernunft unerlaubt sei.
„Freunde, es gibt keine Freunde!“ so rief der sterbende Weise; „Feinde, es gibt keinen Feind!“ – ruf‘ ich, der lebende Tor.
Und wenn einer durchs Feuer geht für seine Lehre, – was beweist dies! Mehr ist’s wahrlich, dass aus eignem Brande die eigne Lehre kommt!
Die Ehe ist die verlogenste Form des Geschlechtsverkehrs, und eben deshalb hat sie das gute Gewissen auf ihrer Seite.
Auch jetzt noch ist Frankreich der Sitz der geistigsten und raffiniertesten Kultur Europas und die hohe Schule des Geschmacks: Aber man muß dies „Frankreich des Geschmacks“ zu finden wissen.
Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel.
So lange man nicht die Moral des Christentums als Kapital-Verbrechen am Leben empfindet, haben dessen Verteidiger gutes Spiel.
Der gefährlichste Anhänger ist der, dessen Abfall die ganze Partei vernichten würde, also der beste Anhänger.
Die Griechen lernten allmählich das Chaos zu organisieren, dadurch dass sie sich, nach der delphischen Lehre, auf sich selbst, das heißt auf ihre echten Bedürfnisse zurück besannen und die Schein-Bedürfnisse absterben ließen.
Unsere Mängel sind unsere besten Lehrer, aber gegen die besten Lehrer ist man immer undankbar.
Jedermann trägt ein Bild des Weibes von der Mutter hin in sich. Davon wird er bestimmt, die Weiber überhaupt zu verehren oder sie geringzuschätzen oder gegen sie im allgemeinen gleichgültig zu sein.
Bettler aber sollte man ganz abschaffen! Wahrlich, man ärgert sich, ihnen zu geben, und man ärgert sich, ihnen nicht zu geben.
Die Worte machen ein Versprechen unkräftiger, indem sie eine Kraft entladen und verbrauchen, welche ein Teil jener Kraft ist, die verspricht.
Wie wenig moralisch sähe die Welt ohne die Vergeßlichkeit aus! Ein Dichter könnte sagen, daß Gott die Vergeßlichkeit als Türhüterin an die Tempelschwelle der Menschenwürde hingelagert habe.
Die Verachtung durch andere ist dem Menschen empfindlicher, als die durch sich selbst.
Alle Großen waren große Arbeiter, unermüdlich nicht nur im Erfinden, sondern auch im Verwerfen, Sichten, Umgestalten, Ordnen.
Der Bettler empfindet den Mangel lange nicht so, wie er ihn empfinden machen muss, wenn er vom Betteln leben will.
So sehe man die „Leitmotive“ der ganzen Entwicklung der Philosophie an. Eine Art Rache an der Wirklichkeit.
Viele kurze Torheiten – das heißt bei euch Liebe. Und eure Ehe macht vielen kurzen Torheiten ein Ende, als eine lange Dummheit.
Wer in Blut und Sprüchen schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden.
Sodann die Tradition, das ist die Behauptung, daß das Gesetz bereits seit uralten Zeiten bestanden habe, daß es pietätlos, ein Verbrechen an den Vorfahren sei, es in Zweifel zu ziehn.
Zuletzt platzt ein Frosch, der sich zu lange aufblies: da fährt der Wind heraus. Einem Geschwollenen in den Bauch stechen, das heiße ich eine brave Kurzweil. Hört das, ihr Knaben!
Um die unangenehmen Folgen der eigenen Torheit wirklich seiner Torheit und nicht seinem Charakter zur Last zu legen – dazu gehört mehr Charakter, als die meisten haben.
Kann man nicht alle Werte umdrehn? Und ist Gut vielleicht Böse? Und Gott nur eine Erfindung und Feinheit des Teufels?
Die mächtigsten Menschen haben immer die Architekten inspiriert; der Architekt war stets unter der Suggestion der Macht. Im Bauwerk soll sich der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht versichtbaren.
Die Einsamkeit macht uns härter gegen uns und sehnsüchtiger gegen die Menschen: in beidem verbessert sie den Charakter.
In allen Augenblicken, wo wir unser Bestes tun, arbeiten wir nicht. Arbeit ist nur ein Mittel zu diesen Augenblicken.
Wenn Menschen auch noch so eng zusammengehören: es gibt innerhalb ihres gemeinsamen Horizontes doch noch alle vier Himmelsrichtungen, und in manchen Stunden merken sie es.
Oder ist es das: Die lieben, die uns verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten machen will?
Der Mensch ist inmitten der Natur immer das Kind an sich. Dies Kind träumt wohl einmal einen schweren, beängstigenden Traum; wenn es aber die Augen aufschlägt, so sieht es sich immer wieder im Paradiese.
Im Gebirge der Wahrheit kletterst du nie umsonst: entweder du kommst schon heute weiter hinauf, oder du übst deine Kräfte, um morgen höher steigen zu können.
Ich will, ein für allemal, vieles nicht wissen. – Die Weisheit zieht auch der Erkenntnis Grenzen.
Schicksal, ich folge Dir, und wollt ich nicht, so müßt ich’s doch und unter Seufzen tun.