Zitate von Hugo von Hofmannsthal
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Fünf Schicksale leiten den Menschen: seine geistige Natur, sein Körper, sein Volk, seine Heimat, die Sprache. Sich über alle fünf zu erheben, ist das Göttliche.
Daß wir sie überschätzen, dazu ward die Vergangenheit unserem Gedächtnis einverleibt.
Es ziemt uns nicht im Glück und nicht im Leid, die Hände in den Schoß zu legen.
Ein Autor, ob er will oder nicht, kämpft immer mit der ganzen Mitwelt. Er lernt alle Widerstände der Epoche fühlen, aber er wird bei seinen Lebzeiten nie erfahren, ob die Gewichte, die ihn zu erdrücken drohten, aus Eisen oder aus Papier waren.
Wenn ein Mensch dahin ist, nimmt er ein Geheimnis mit sich: wie es ihm, gerade ihm – im geistigen Sinn zu leben möglich gewesen sei.
Eine schwere Zeit ist wie ein dunkles Tor. Trittst du hindurch, trittst du gestärkt hervor.
Die Deutschen sind ernsthaft, sie sind tüchtig, sie arbeiten wie keine Nation auf der Welt, sie erreichen das Unglaubliche – aber es ist keine Freude, unter ihnen zu leben.
Man kann sechzig Jahre alt geworden sein, ohne zu ahnen, was ein Charakter ist. Nichts ist verborgener als die Dinge, die wir beständig im Munde führen.
Das, was den großen Künstler ausmacht, ist ein großer Wille, aber ein Wille, der gewollt wird, nicht der will.
Es ist nichts im Innern wesentlich, das nicht zugleich im Äußern wahrgenommen wird.
Fürchterlich ist diese Kunst! Ich spinn aus dem Leib mir den Faden, Und dieser Faden zugleich ist auch mein Weg durch die Luft.
Unserem Reisen fehlt das Malerische und das Theatralische, das Lächerliche und das Sentimentale, kurz alles Lebendige.
Das plötzliche Erkennen: Wie nichtig ist alles! wie ähnlich sind wir alle untereinander, wie gleich!
Wüßt ich genau, wie dies Blatt aus seinem Zweig herauskam, schwieg ich auf ewige Zeit still, denn ich wüßte genug.
Der gute Geschmack ist die Fähigkeit, fortwährend der Übertreibung entgegenzuwirken.
Kein Stück der Oberfläche einer Figur kann geschaffen werden, außer vom innersten Kern aus.
Das kluge Kind: Kannst du einen Stern anrühren? fragt man es. Ja, sagt es, neigt sich und berührt die Erde.
Es ist ein entscheidender Unterschied, ob Menschen sich zu anderen als Zuschauer verhalten können, oder ob sie immer Mitleidende, Mitfreudige, Mitschuldige sind: diese sind die eigentlich Lebenden.
Wer Freiheit hat und ist ihrer würdig, der fragt: Wozu habe ich Freiheit? Und ruht nicht, bis er erkennt, welche Frucht sie bringt. Die Frucht aber der Freiheit ist eine: das Rechte zu tun.
Große Gedanken, die eigentlichen Lebensgedanken der „oberen Seele“ stimmen die „untere“ nicht weihevoll, und wir können ganz gut einer abgebrochenen Gedankenreihe Nietzsches nachspüren und zugleich einen blöden crevé um sein englisches smoking beneiden.
Der Mensch wird in der Welt nur das gewahr, was schon in ihm liegt; aber er braucht die Welt, um gewahr zu werden, was in ihm liegt; dazu aber sind Tätigkeit und Leiden nötig.
Wir haben nicht die Geschichte, die uns zusammenhalte – da sind bis ins sechzehnte Jahrhundert zurück keine allen Volksteilen gemeinsamen Taten und Leiden, und auch das Geistige, das hinter den Leiden noch steht, und diese zu einem Besitz machen könnte, ist nicht gemeinsam.
Man muß im Ganzen an jemanden glauben, um ihm im Einzelnen wahrhaft Zutrauen zu schenken.
Es gibt nicht zwei Menschen auf der Erde, die nicht durch eine teuflisch ausgedachte Indiskretion zu Todfeinden gemacht werden können.
Selbstliebe und Selbsthaß sind die tiefsten von den irdischen produktiven Kräften.
Trennt ihr vom Inhalt die Form, so seid ihr nicht schaffende Künstler. Form ist vom Inhalt der Sinn, Inhalt das Wesen der Form.
Jede neue bedeutende Bekanntschaft zerlegt uns und setzt uns zusammen. Ist sie von der größten Bedeutung, so machen wir eine Regeneration durch.
So lang einer im Glück ist, der hat Freunde die Menge, doch wenn ihm das Glück den Rücken kehrt, verläuft sich das Gedränge.
Um überhaupt etwas zu sehen, muß man den Sand aus den Augen kriegen, den die Gegenwart beständig hineinstreut.
Man hat etwas weniger Freunde, als man annimmt, aber etwas mehr, als man kennt.
Geistreicher und schöner als Sprachkritik wäre ein Versuch, sich der Sprache auf magische Weise zu entwinden, wie es in der Liebe der Fall ist.
Es gibt ein Enthusiastisches aus Schwäche und eines aus Stärke; das erste ist der Sentimentalität verwandt, das andere ist ihr entgegengesetzt.
Im Anfang des Lebens ist man am subjektivsten und begreift am wenigsten die Subjektivität der anderen.
Nicht durch unser Wohnen auf dem Heimatboden, nicht durch unsere leibliche Berührung in Handel und Wandel, sondern durch ein geistiges Anhängen von allem sind wir zur Gemeinschaft verbunden.
Unsere Gedanken über die wichtigsten Gegenstände unseres Lebens bedürfen immer aufs neue der Klärung.