Zitate von Jacob Burckhardt
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Die Freiheit, daß vom bevorstehenden Tod alter Leute offen gesprochen werden darf, hat ihren Grund darin, daß noch keine optimistische Heuchelei die Taxation des Lebens beherrscht.

Die Geschichte ist aber etwas anderes als die Natur, ihr Schaffen und Entstehen- und Untergehenlassen ist ein anderes.

Aber so wenig als im Leben des Einzelnen ist es für das Leben der Menschheit wünschenswert, die Zukunft zu wissen.

Bei allen Zerstörungen lässt sich aber immer eins behaupten: weil uns die Ökonomie der Weltgeschichte im großen dunkel bleibt, wissen wir nie, was geschehen sein würde, wenn etwas, und sei es das Schrecklichste, unterblieben wäre.

Wenn die Geschichte uns irgendwie das große und schwere Rätsel des Lebens auch nur geringstenteils soll lösen helfen, so müssen wir wieder aus den Regionen des individuellen und zeitlichen Bangens zurück in eine Gegend, wo unser Blick nicht sofort egoistisch getrübt ist.

Nach außen ist Napoleon Terrorist, aus der Schule von 1793/94. Und dabei ist er vielleicht der erste Feldherr aller Zeiten. Bei völliger moralischer Unbedenklichkeit verfügt er über höchste militärische Fähigkeit.

Der Ruhm, welcher von denen flieht, die ihn suchen, folgt denen nach, welche sich nicht um ihn bemühen.
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Was sie [die alten Griechen] taten und litten, das taten und litten sie frei und anders als alle frühern Völker.

Sprichwörtlich heißt es: Kein Mensch ist unersetzlich. Aber die wenigen, die es eben doch sind, sind groß.

Wenn jemand den Leuten den Vorhang der Zukunft hätte lüften und zeigen können, wie man nach hundert Jahren das so kinderleicht Gewonnene noch einmal würde zahlen müssen!

Die Religionen sind der Ausdruck des ewigen und unzerstörbaren metaphysischen Bedürfnisses der Menschennatur.

Das Wahre und Gute ist mannigfach zeitlich gefärbt und bedingt; auch das Gewissen ist zeitlich bedingt; aber die Hingebung, zumal die mit Gefahren und Opfern verbundene, an das zeitlich bedingte Wahre und Gute ist etwas unbedingt Herrliches.

Der Mensch ist nicht bloß, was er ist, sondern auch, was er sich zum Ideale gesetzt hat, und auch, wenn er jenem nicht völlig entspricht, wird durch das bloße Wollen auch ein Teil seines Wesens bestimmt.

Das scheinbar kränkste Volk kann der Gesundheit nahe sein und einen mächtig entwickelten Todeskeim in sich bergen, den erst die Gefahr an den Tag bringt.

Der Begriff der Gleichheit ist zweischneidig; sie schlägt um in die Abdikation des Individuums.

Womit beginnt Größe? Mit Hingebung an eine Sache, welche es auch sei, mit gänzlichem Absterben der persönlichen Eitelkeit.

Die unvermeidliche letzte Konsequenz jeder Demokratie, der Hader um den Besitz, führt zu einem wahren Höllenleben; immer wieder tritt der Kommunismus auf, und beide Parteien nehmen jede Allianz an, die zum Ziele führt, und erlauben sich alle Mittel.

Der Kleinstaat ist vorhanden, damit ein Fleck auf der Welt sei, wo die größtmögliche Quote der Staatsangehörigen Bürger im vollen Sinne sind.

Es gibt kein edleres Bildungsmittel als Unterredung mit einem Gleichgesinnten von ungleichen Ansichten.

Die Bewegung des Lebens geschieht nicht immer durch diametrale, große Gegensätze, sondern durch eine Zersetzung hindurch. Das Leben selber bleibt stets sichtbar.

Unmöglich ist es zu vergleichen, welcher Prozeß der größere gewesen: die Entstehung des Staates oder die einer Religion.

Die Poesie hat ihre Höhepunkte, wenn sie dem Menschen Geheimnisse offenbart, die in ihm liegen und von welchen er ohne sie nur ein dumpfes Gefühl hätte, wenn sie mit ihm eine wundervolle Sprache redet, wobei ihm zumute ist, als müßte dies einst in einem bessern Dasein die seinige gewesen sein.

Auch auf das Schrecklichste, was geschehen, muss ja die Menschheit sich wieder einrichten, ihre noch heilen Kräfte herbeibringen und weiterbauen.

Der Geist ist die Kraft, jedes Zeitliche ideal aufzufassen. Er ist idealer Art, die Dinge in ihrer äußeren Gestalt sind es nicht.

Es ist schon in den alten Zeiten ein entsetzliches Bild, wenn man sich die Summe von Verzweiflung und Jammer vorstellt, welche das Zustandekommen z.B. der alten Weltmonarchien voraussetzte.

Das Christentum hatte wohl sich als rettenden Fortschritt betrachtet, indes nur für die Seinen, und neben sich ein um so böseres Säkulum statuiert mit Einbedingungen der Flucht vor dieser Welt.

Man ehrt allerdings Geist und Bildung. Nur ist leider die Literatur meist ebenfalls eine Industrie geworden. […] Heute geht das wenigste noch aus innerer Nötigung hervor. Das weitmeiste hat seinen Daseinsgrund entweder im Honorar oder in der Hoffnung auf eine äußere Stellung.

Überhaupt geschehen alle geistigen Entwicklungen sprung- und stoßweise. Die Krisis ist als ein neuer Entwicklungsknoten zu betrachten.
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Ihre [der Kultur] äußerliche Gesamtform aber gegenüber von Staat und Religion ist die Gesellschaft im weitesten Sinne.

Die dem Bösen aufs stärkste entgegenwirkende sittliche Kraft: Es ist die rätselhafte Mischung aus Gewissen und Selbstsucht, welche dem modernen Menschen noch übrig bleibt, auch wenn er alles Übrige, Glaube, Liebe und Hoffnung eingebüßt hat.

Die Künste sind ein Können, eine Macht und Schöpfung, ihre wichtigste zentrale Triebkraft, die Phantasie, hat zu jeder Zeit als etwas Göttliches gegolten.

Die Menschen sind Menschen im Frieden wie im Kriege; das Elend des Irdischen hängt ihnen in beiden Zuständen gleich sehr an.

Das wahrste Studium der vaterländischen Geschichte wird dasjenige sein, welches die Heimat in Parallele und Zusammenhang mit dem Weltgeschichtlichen und seinen Gesetzen betrachtet.

Alles Geschehen hat eine geistige Seite, von welcher aus es an der Unvergänglichkeit teilnimmt.

Aber zum Untergang ist die Menschheit noch nicht bestimmt, und die Natur schafft so gütig wie jemals.

Wie große Wälder einmal und dann, wenn ausgerottet, nicht wieder wachsen, so besitzen oder erwerben Mensch und Volk gewisse Dinge in der Jugend oder nie.

Wenn aber beim Elend noch ein Glück sein soll, so kann es nur ein geistiges sein, rückwärts gewandt zur Rettung der Bildung früherer Zeit, vorwärts gewandt zur heitern und unverdrossenen Vertretung des Geistes in einer Zeit die sonst gänzlich dem Stoff anheimfallen könnte.

Die Geschichte liebt es bisweilen, sich auf einmal in einem Menschen zu verdichten, welchem hierauf die Welt gehorcht. Diese großen Individuen sind die Koinzidenz des Allgemeinen und des Besonderen, des Verharrenden und der Bewegung in Einer Persönlichkeit.

So spricht der Charakter ganzer Nationen, Kulturen und Zeiten aus ihrem Gesamtbauwesen als der äußeren Hülle ihres Daseins.

Das Allerseltenste aber ist bei weltgeschichtlichen Individuen die Seelengröße. Sie liegt im Verzichtenkönnen auf Vorteile zugunsten des Sittlichen, in der freiwilligen Beschränkung […], während die politische Größe egoistisch sein muss und alle Vorteile ausbeuten will.