Zitate von Jean-Jacques Rousseau
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Der Geschmack ist allen Menschen natürlich; sie haben ihn aber nicht alle in gleichem Maße.
Das wird eine knechtische Seele werden, bei der man nur mit Strenge etwas erreicht.
Die Namen „Gerechtigkeit“ und „Gehorsam“ werden immer als Werkzeug der Gewalt und als Waffe der Unfähigkeit benutzt.
Nur mittels des kleinen Vaterlandes, das die Familie ist, wendet sich das Herz dem großen zu.
In der Welt Augen ist eine gemutmaßte Wahrheit beinahe so viel wie eine Gewißheit.
Die Erziehung des Menschen beginnt bei seiner Geburt; bevor er sieht und hört, wird er schon unterrichtet. Die Erfahrung kommt vor der Lehre.
Wenn die Arme viel arbeiten, ruht die Einbildungskraft aus; wenn der Leib sehr müde ist, erhitzt das Herz sich nicht.
Wer die Dinge gut genug kennt, daß er allen ihren wahren Wert geben kann, redet niemals zu viel.
Man kritisiert mit dem absprechenden Ton eines Meisters; um Vorschläge zu machen, muß man jedoch einen anderen anschlagen, an welchem die philosophische Erhabenheit weniger Gefallen findet.
Der moralische Zustand eines Volkes ergibt sich weniger aus dem absoluten Zustand seiner Mitglieder als aus ihren Beziehungen untereinander.
Das Herz spricht zum Herzen, und die ganze Sittlichkeitslehre eines Schulmeisters wiegt nicht so viel wie das liebevolle, zärtliche Geplauder einer verständigen Frau, der man von Herzen zugetan ist.
Das Gewissen ist furchtsam, es liebt die Zurückgezogenheit und den Frieden: die Welt und der Lärm erschrecken es.
Wie viele Talente werden nicht vergraben, wie vielen Neigungen des Herzens wird nicht durch unbesonnenen Zwang der Väter Gewalt angetan.
Der Stärkste ist nie stark genug, um immerdar Herr zu bleiben, wenn er seine Stärke nicht in Recht und den Gehorsam nicht in Pflicht verwandelt.
Sachen, Sachen! Ich kann es nicht oft genug wiederholen, wir legen den Worten zuviel Gewicht bei: mit unserer geschwätzigen Erziehung erzeugen wir nur Schwätzer.
Um einen guten Liebesbrief zu schreiben, musst du anfangen, ohne zu wissen, was du sagen willst, und endigen, ohne zu wissen, was du gesagt hast.
Der Widerwille gegen alles, was unsere Freuden stört und bekämpft, ist eine natürliche Regung.
Eines Vaters Herz fühlt, daß es gemacht ist, zu verzeihen und nicht, der Verzeihung zu bedürfen.
Tausende von Nationen, die nie gute Gesetze hätten ertragen können, haben auf Erden geglänzt, und selbst solche, die dazu imstande gewesen wären, haben es während ihres ganzen Bestandes nur eine sehr kurze Zeit vermocht.
Unsere moralischen Übel beruhen alle, ein einziges, das Laster, ausgenommen, auf Einbildung, und dieses eine hängt von uns ab.
Das Kind wird von einem vernünftigen, wenn auch, was die Kenntnisse betrifft, etwas beschränkten Vater besser als von dem geschicktesten Lehrer der Welt erzogen werden; denn der Eifer wird das Talent eher als das Talent den Eifer ersetzen.
Die List ist eine natürliche Gabe des weiblichen Geschlechts, und da ich überzeugt bin, daß alle natürlichen Neigungen an sich gut sind, bin ich der Meinung, daß man diese wie die anderen pflegen sollte.
Wenn die Eitelkeit jemals jemand glücklich gemacht hat, so war dieser jemand sicherlich ein Dummkopf.
Beim Streit gibt es keine Schonung: Wer sich vom Gegner mit ganzer Kraft angegriffen fühlt, muß sich mit all seiner Kraft verteidigen und so gewinnt der Geist an Genauigkeit und Schärfe.
Seitdem alle Empfindungen der Natur durch die äußerste Ungleichheit erstickt sind, kommen von der höchst unbilligen despotischen Herrschaft der Väter die Laster und das Unglück der Kinder.
Wer unter uns die Freuden und Leiden des Lebens am besten zu ertragen vermag, der ist meines Erachtens am besten erzogen.
Ein Kind wird mit zunehmendem Alter kostbarer. Mit dem Wert seiner Person verbindet sich der Wert der Sorgen.
Unsere ganze Weisheit besteht aus knechtischen Vorurteilen; alle unsere Gebräuche bedeuten Unterwürfigkeit, Unterjochung und lästigen Zwang.
Dieses nachahmende Volk könnte voller Originale sein, ohne dass es möglich wäre, etwas davon zu wissen, denn niemand getraut sich, er selbst zu sein. Man muss so handeln wie die andern, lautet hierzulande der Weisheit erster Grundsatz.
Indem das Christentum solche hohen Anforderungen stellt, macht es sich undurchführbar und unnütz.
Alles Seelenstreben, welches uns Gott nähert, befreit uns vom Gedanken an uns selbst.
Es ist schwierig, edel zu denken, wenn man nur daran denkt, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Völker, die daran gewöhnt sind, Herrscher über sich zu haben, können diese nicht mehr entbehren. Sie halten Zügellosigkeit, die der Freiheit entgegengesetzt ist, für Freiheit und geraten durch ihr Aufbegehren fast immer Verführern in die Hände.
Man übt sich im Sehen wie im Empfinden; oder vielmehr ist ein scharfes Auge nichts als ein zärtliches, feines Gefühl.
Auch ein Dummkopf pflegt manchmal nachzudenken, aber immer erst nach der Dummheit.
Wer sein Leben auf Kosten anderer erhalten will, muß es, sobald es nötig ist, auch für sie hingeben.