Zitate von Joseph Joubert
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Manche Leute unterhalten in ihren Köpfen Fremdenzimmer für die Meinungen anderer Menschen.

Die Berufskritiker können rohe Diamanten und Goldbarren nicht unterscheiden und würdigen. Sie sind Kaufleute und kennen nur die gangbare Münze in der Literatur. Ihre Kritik hat Waage und Maßstab, aber weder Schmelztiegel noch Probierstein.

Ich danke dem Himmel, daß er meinen Geist aus leichtem Stoff geschaffen hat, fähig, sich aufzuschwingen.

Politik ist die Kunst, die Menge zu leiten: nicht, wohin sie gehen will, sondern, wohin sie gehen soll.

Der eine spricht gern über das, was er weiß, der andere lieber über das, was er denkt.

Ein echter Witz ist eine Eingebung. Er entsteht gleichsam ohne unsere Mitwirkung und überrascht deshalb ebenso sehr den Sprecher wie den Hörer.

Ein Teil von Liebenswürdigkeit besteht darin, die Menschen mehr zu schätzen und zu lieben als sie verdienen.

Alle schönen Worte schließen mehr als eine Bedeutung in sich. Wenn ein Wort einen schöneren Sinn bietet, als ihm der Autor gab, so muß man ihn akzeptieren.

Jenseits dieser Welt und dieses Lebens tastet und sucht man nicht mehr. Es gibt dort nur ein Schauen, und alles Geschaute ist Wahrheit.

Wer mit Muße studiert, weiß, daß er alt wird, fühlt es aber nicht; er ist immer gleichmäßig für seine Studien tauglich.

Ich möchte die Weisheit ausmünzen, das heißt sie in Maximen, Sprichwörtern und Sentenze prägen, die leicht zu behalten und mitzuteilen sind.

Unser Geist hat mehr Gedanken, als das Gedächtnis behalten kann, er spricht mehr Urteile aus, als er motivieren kann, er sieht weiter, als er reicht und weiß mehr Wahrheiten, als er erklären kann.

Freundlichkeit ist die Kunst, den Menschen mehr Liebe entgegenzubringen, als er verdient.

Die Wissenschaft vermengt alles: Sie gibt den Blumen die tierische Lust und nimmt selbst den Pflanzen die Keuschheit.

Wenige Menschen sind der Erfahrung würdig. Die meisten lassen sich von ihr korrumpieren.

Muße ist dem Geist so notwendig wie Arbeit. Man ruiniert sich den Geist, wenn man zu viel schreibt, man verrostet, wenn man nichts schreibt.

Frömmigkeit ist eine erhabene Weisheit, welche alle anderen übertrifft, eine Art besonderer Begabung, die den Geist beflügelt.

Wenig weise, wer es nur aus seiner Weisheit, wenig gelehrt, wer es nur aus seiner Wissenschaft ist.

Die Achtung Gottes – wenn es erlaubt ist, so zu sprechen – läßt sich leichter gewinnen als die Achtung der Menschen, denn Gott rechnet uns unsere Bemühungen an.

Erinnern wir uns wohl, daß Erziehung nicht bloß darin besteht, das Gedächtnis zu bereichern und das Verständnis zu erleuchten; sondern daß sie sich vor Allem mit der Richtung der Willenskraft beschäftigen soll.