Zitate von Joseph Joubert
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Alle Eroberer sind einander irgendwo ähnlich in ihren Plänen, in ihrem Geist und Charakter.

Man sollte seiner Empfindung nur nach einer langen Ruhe der Seele glauben und der Erinnerung, nicht dem Gefühl, zum Ausdruck verhelfen.

Man glaubte früher, daß die Gerechtigkeit nicht aus dem Gesetz kommen sollte, sondern das Gesetz aus der Gerechtigkeit.

Es gibt auf Abenteuer ausgehende Geister, die ihre Ideen nur vom Zufall erwarten und empfangen.

Abwesenheit muß man durch Erinnerung ergänzen. Das Gedächtnis ist der Spiegel, in dem wir die Abwesenden erblicken.

Zwischen Völkern, die sich lange bekriegt haben, bilden sich echte Bündnisse. Der Krieg ist eine Art Handel, die diejenigen vereinigt, die er entzweit.

Man darf zu den Menschen von der Zerstörung nur sprechen, um sie an die Dauer zu erinnern, vom Tode nur, um sie auf das Leben zu verweisen, denn der Tod strömt zum Leben, und die Zerstörung stürzt sich in die Dauer.

Man soll in ein Buch nur so viel Geist legen wie nötig, man kann aber im Gespräch mehr haben als nötig ist.

Kultur ist nichts Sichtbares, sondern das unsichtbare Band, das die Dinge zusammenhält.

Man begreift die Erde erst, wenn man den Himmel erkannt hat. Ohne die religiöse Welt bleibt die sinnliche ein trostloses Rätsel.

Es ist schön, daß die Gedanken strahlen, aber sie dürfen nicht funkeln, oder doch nur selten. Am besten ist es, wenn sie einen Widerschein geben.

Man muß nicht nur seine Freunde, sondern auch die Freundschaft als solche pflegen. Man muß sie sozusagen begießen.

Der Teil meines Gehirns, welcher zur Aufnahme nicht klarer Begriffe bestimmt ist, ist sehr beschränkt.

Jede Naivität läuft Gefahr, lächerlich zu werden, verdient es aber nicht, denn es liegt in jeder Naivität ein unreflektiertes Vertrauen und ein Zeichen von Unschuld.

Es gibt heute keine unversöhnlichen Feindschaften mehr, weil es keine Gefühle ohne Hintergedanken mehr gibt: das ist etwas Gutes, das von etwas Schlechtem stammt.

Die Kinder gehorchen den Eltern nur, wenn sie sehen, daß diese der Regel gehorchen. Ordnung und Regel, einmal gültig und anerkannt, sind die stärkste Macht.

Der Triumph der Frauen beseht nicht darin, ihre Verfolger zu ermüden und zu besiegen, vielmehr darin, sie zu erweichen und entwaffnen.

Am leichtesten erträgt man noch die Gewalt, die man eines Tages selbst auszuüben hofft.

Geistreiche Gespräche mit Männern ergeben Einklang, mit Frauen Zusammenklang. Jene befriedigen, diese entzücken.

Es gibt Gedanken, die durch sich selbst leuchten, andere, die nur glänzen durch die Stelle, an der sie stehen; man könnte sie nicht umstellen, ohne sie auszulöschen.

Wer nicht versteht, was er gerade liest, soll sich nicht darauf versteifen, es begreifen zu wollen. Laß die Lektüre, nimm das Buch an einem anderen Tag wieder zur Hand, dann geht es mühelos. Unser Geist ist nicht immer offen, um einen fremden Geist aufzunehmen.