Zitate von Karl Kraus
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Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigsten keine Unannehmlichkeiten mit der Polizei.
Die neuen Seelenforscher sagen, daß alles und jedes auf geschlechtliche Ursachen zurückzuführen sei. Zum Beispiel könne man ihre Methode auch als Beichtvater-Erotik erklären.
Die Kinder würden es nicht verstehen, warum die Erwachsenen sich gegen die Lust wehren; und die Greise verstehen es wieder nicht.
Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muß mit einem Satz über sie hinauskommen.
Auch die Dummheit hat Ehre im Leib, und sie wehrt sich sogar heftiger gegen den Spott, als die Gemeinheit gegen den Tadel. Denn diese weiß, daß die Kritik recht hat; jene aber glaubt’s nicht.
Die Weiber sind nie bei sich und wollen darum, daß auch die Männer nicht bei sich seien, sondern bei ihnen.
Humanität ist das Waschweib der Gesellschaft, das ihre schmutzige Wäsche in Tränen auswindet.
Heutzutage ist der Dieb vom Bestohlenen nicht zu unterscheiden: beide haben keine Wertsachen bei sich.
Die Mission der Ämter ist es, die Erhebungen zu pflegen, die eben dadurch zu entstehen pflegen.
Die intellektuelle Presse macht dem Schwachsinn des Philisters Mut und erhebt Plattheit zum Ideale.
In der Kunst kommt es nicht darauf an, daß man Eier und Fett nimmt, sondern daß man Feuer und Pfanne hat.
Es gibt kein unglücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten, der sich nach einem Frauenschuh sehnt und mit einem ganzen Weib vorlieb nehmen muß.
Seit Heine wird nach dem Leisten: „Ein Talent, doch kein Charakter“ geschustert. Oho, meine Herren, so fein unterscheiden wir nicht! Ein Talent, weil kein Charakter.
Man muß die Schriftsteller zweimal lesen, die guten und die schlechten. Die einen wird man erkennen, die andern entlarven.
Weil beim Mann auf Genuß Verdruß folgen muß, muß folgen, daß beim Weib auf Treue Reue folgt.
Wer wird denn einen Irrtum verstoßen, den man zur Welt gebracht hat, und ihn durch eine adoptierte Wahrheit zu ersetzen?
Es ist eine Erbsünde der Liberalen, daß sie in einer entscheidenden Frage anstatt tüchtiger Losgeher seichte Provocateure ins Treffen schicken.
Ist es erlaubt, im Quell der deutschen Sprache ein Fußbad zu nehmen? So sollte ein Labetrunk verboten sein!
Der Sinn nahm die Form, sie sträubte und ergab sich. Der Gedanke entsprang, der die Züge beider trug.
Um einen Irrtum gut zu machen, genügt es nicht, ihn mit einer Wahrheit zu vertauschen. Sonst lügt man.
Der Voyeur besteht die Kraftprobe des natürlichen Empfindens: Der Wille, das Weib mit dem Mann zu sehen, überwindet selbst den Widerwillen, den Mann mit dem Weib zu sehen.
Sexuelle Aufklärung ist jenes hartherzige Verfahren, wodurch es der Jugend aus hygienischen Gründen versagt wird, ihre Neugierde selbst zu befriedigen.
Alles Leben in Staat und Gesellschaft beruht auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß der Mensch nicht denkt. Ein Kopf, der nicht in jeder Lage einen aufnahmsfähigen Hohlraum darstellt, hat es gar schwer in der Welt.
Jede Erziehung hat es darauf abgesehen, das Leben reizlos zu machen, indem sie entweder sagt, wie es ist, oder daß es nicht ist. Man verwirrt uns in einem fortwährenden Wechsel, man klärt uns auf und ab.
Moderne Architektur ist das aus der richtigen Erkenntnis einer fehlenden Notwendigkeit erschaffene Überflüssige.
Die Erotik ist von der Soziologie nicht mehr zu trennen und also auch nicht von der Ökonomie. In irgendeinem Verhältnis steht die Liebe immer zum Geld. Es muß dasein, gleichgültig, ob man es gibt oder nimmt.
Eines Dichters Sprache, eines Weibes Liebe – es ist immer das, was zum erstenmal geschieht.
Ihre Brauen waren Gedankenstriche – manchmal wölbten sie sich zu Triumphbogen der Wollust.
Wozu schreite ich durch das Leben? Schreite, statt zu fragen, dann wird dir Antwort werden.