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Es mag sein, daß wir durch das Wissen anderer gelehrter werden - weiser werden wir nur durch uns selbst.
Michel de MontaigneViele nennen Diensteifer, was weiter nichts ist als ihr Hang zur Bosheit und Gewalttätigkeit; bei ihrem Eifer haben sie nicht die Sache, sondern ihren Vorteil im Auge.
Michel de MontaigneWir bestehen aus lauter Äußerlichkeiten; wir denken an das äußere Gebaren und vernachlässigen darüber das Wesentliche.
Michel de MontaigneWir können sagen, was wir wollen: die Gewohnheit und das Beispiel reißen uns fort. Die Mehrzahl meiner Handlungen beruht auf Beispiel, nicht auf Überzeugung.
Michel de MontaigneDer Mensch ist doch höchst unbesonnen! Nicht eine Käsemilbe kann er machen, und Götter und Heilige macht er zu Dutzenden!
Michel de MontaigneWir verlassen uns so vollständig auf die Hilfe von außen, daß unsere eigenen Geisteskräfte verkümmern.
Michel de MontaigneEs gibt nur wenige Dinge, die wir ganz richtig zu beurteilen vermögen, weil wir an den meisten auf die eine oder andere Art allzu persönlich Anteil nehmen.
Michel de MontaigneZu Anfang haben wir unser Tun in der Hand, es ist in unserer Gewalt; aber dann, wenn die Sache läuft, führt sie die Zügel und nimmt uns mit, und wir haben zu folgen.
Michel de MontaigneWas Cicero betrifft, so bin ich der allgemeinen Meinung, daß es bei ihm, außer der Wissenschaft, nichts Ausgezeichnetes gibt.
Michel de MontaigneSpricht man über rein Menschliches, so ist eine andere, eine weniger erhabene Ausdrucksweise angebracht, als wenn es sich um Gottes Wort handelt; wir sollten dessen Würde, Majestät und sakrale Kraft nicht mißbrauchen.
Michel de MontaigneUnentschlossenheit scheint mir wenigstens der gewöhnlichste und auffallendste der Fehler unserer Natur zu sein.
Michel de MontaigneEinfach tätig sein, wird unserem Geist so leicht, daß er sogar beim Schlafen weiterarbeitet; aber man muß ihn vorsichtig anstoßen.
Michel de MontaigneIn den natürlich gewachsenen Früchten leben und wirken die eigentlichen, die nützlichsten, die natürlichen Kräfte und Eigenschaften; durch die Umzüchtung in der Richtung unseres verdorbenen Geschmacks haben wir gerade diese Naturkräfte in ihnen verkümmern lassen.
Michel de MontaigneWenn ein Mann mich drängte, ihm einen Grund anzugeben, warum ich ihn liebe, könnte ich nur folgende Antwort geben: weil er es ist, weil ich es bin.
Michel de MontaigneWir wagen es nicht, unsere Glieder mit ihren eigentlichen Namen zu benennen, und benutzen sie ohne weiteres zu allerart nicht sehr anständigen Funktionen.
Michel de MontaigneIch schildere nicht das Sein, ich schildere das Unterwegs sein; weniger von einem Lebensalter zum anderen als von Tag zu Tag, von Minute zu Minute.
Michel de MontaigneDer Mut zu einem Fehltritt wird in gewissem Sinne gebunden und kompensiert durch den Mut, ihn zuzugeben: Wer sich an die Verpflichtung hielte, alles zu sagen, der fühlte auch die Verpflichtung, nichts zu tun, was man verschweigen muß.
Michel de MontaigneAlle gerechten und berechtigten Vorhaben sind ihrer Natur nach gemäßigt und nicht übertrieben; sonst bleiben sie nicht so, sondern werden meuterisch und gesetzwidrig.
Michel de MontaigneDas Magazin meines Gedächtnisses ist immer besser angefüllt als das Magazin der Erfindungsgabe.
Michel de MontaigneDas Staunen ist die Grundlage aller Philosophie, das Forschen ist ihr Fortschritt, die Unwissenheit ihr Ende. Man kann mit gutem Grund sagen, daß es ABC-schülerhafte Unwissenheit gibt, die dem Wissen vorhergeht, die auf das Wissen folgt, ja die vom Wissen erzeugt und geboren wird.
Michel de MontaigneFast alle unsere Ansichten fassen wir auf die Autorität anderer hin und auf Treu und Glauben.
Michel de MontaigneEs ist, wie man sagt, ein Gedanke des Demosthenes: der Anfang aller Tugend sei Überlegung und Nachdenken, ihr Ziel Vollkommenheit und Beharrlichkeit.
Michel de MontaigneBeim Sterben hat die Gemeinschaft nicht mitzuspielen; dieser Akt ist ein Monolog.
Michel de MontaigneMangel und Überfluß lassen uns im Grunde gleich unbefriedigt. Das Unbehagen, welches unsere Wünsche uns bereiten, ist ähnlich dem, welches ihrer Erfüllung folgt.
Michel de MontaigneDas Erste, was ich über die fünf Sinne des Menschen denke, ist, daß ich es als zweifelhaft hinstelle, ob er über alle Sinne verfügt, die es gibt.
Michel de MontaigneJede Meinung ist stark genug, um sich der Menschen auf Kosten ihres Lebens zu bemeistern.
Michel de MontaigneDein Tod gliedert sich in die Weltordnung ein, er ist ein Stück Leben dieser Welt.
Michel de MontaigneEs hat freilich seine Bequemlichkeit, zu befehlen, und wäre es auch nur in einer Scheune, wenn man die Seinigen gehorchen sieht; aber es ist ein langweiliges und einförmiges Vergnügen. Außerdem hat man notwendigerweise viele verdrießliche Gedanken.
Michel de MontaigneSo sprach ein alter Kapitän bei schwerem Seegang zu Poseidon: O, Gott! Du kannst mich retten, wenn du willst. Es ist in deiner Hand, mich zu vernichten, wenn du willst. Ob du nun das eine oder das andere tust, höre aber, daß ich unerschrocken das Schiff steuere.
Michel de MontaigneWir selbst, wir bewahren und hüten die Meinungen und das Wissen anderer, und sollten uns diese lieber zum Eigentum machen.
Michel de MontaigneWer einen wirklich klaren Gedanken hat, kann ihn auch darstellen. Ist der Geist einmal der Dinge Herr, folgen die Worte von selbst.
Michel de MontaigneEine außerordentliche Sorge trieb den Menschen, sein Dasein zu verlängern. Er hat alles, was ihm möglich war, dazu getan. In betreff seines Körpers die Grabmäler, in betreff seines Namens den Ruhm.
Michel de MontaigneAuch wenn wir auf noch so hohen Stelzen daherkommen, stehen wir doch mit unseren Füßen darauf. Auch wenn wir den höchsten Thron der Welt einnehmen, sitzen wir doch auf unserem Gesäß.
Michel de Montaigne