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Was ich nunmehr sein werde, das wird nichts als ein halbes Wesen sein, das werde nicht mehr ich sein. Ich schlüpfe mir täglich durch die Finger und entwische mir selbst.
Michel de MontaigneAn sich ist es ja gleichgültig, ob man sein Geld spart oder ausgibt; gut oder schlecht kann nur genannt werden, was wir damit wollen.
Michel de MontaigneWir treiben die Sache, von der wir besessen sind und getrieben werden, niemals gut vorwärts.
Michel de MontaigneGeringer von sich zu sprechen, als es die Wahrheit verlangt, ist Dummheit, nicht Bescheidenheit.
Michel de MontaigneAlles, was über das Wesen der Gottheit an Gedankengebäuden aufgebaut und abgebaut wird, wird vom Menschen erfunden, so wie er von sich aus die Beziehung zur Gottheit ansieht.
Michel de MontaigneDie Frauen haben nicht Unrecht, wenn sie sich den Vorschriften nicht fügen wollen, welche in der Welt eingeführt sind: weil die Männer sie verfaßt haben, ohne die Frauen zu fragen.
Michel de MontaigneKein potenter Geist ruht in sich; er strebt immer nach etwas und will über seine Grenzen hinaus; bei seinem Aufschwung begnügt er sich nie mit dem Erreichbaren: Er ist nur halb lebendig, wenn er nicht vorstürmt, hastet, sich bäumt, sich stößt und dreht.
Michel de MontaigneUnser Denken ist ein kühnes, riskantes Spiel, weil auch unser Denken, genau wie unser Schicksal, nicht erhaben ist über den unberechenbaren Zufall.
Michel de MontaigneSelbst jene, welchen das Alter die körperlichen Kräfte geraubt hat, zittern, wiehern und spreizen sich vor Liebe.
Michel de MontaigneDie Gerechtigkeit an sich, die natürliche und allgemein gültige, ist in einem anderen und in einem vornehmeren Sinne als Gerechtigkeit zu bezeichnen als die besondere, national beschränkte Gerechtigkeit, die den Forderungen unserer politischen Wirklichkeit unterworfen ist.
Michel de MontaigneTugend und Laster haben im Gewissen ihr schweres Eigengewicht; ohne Gewissen liegt alles darnieder.
Michel de MontaigneDie Feuerwaffen haben - bis auf die Betäubung der Ohren - so wenig Wirkung, dass man sie nicht mehr anwenden wird.
Michel de MontaigneWie die Pflanzen bei zu viel Nässe eingehen und die Lampen bei zu reichlicher Olzufuhr ausgehen, so wird der Geist bei Überanstrengung und Überfütterung aktionsunfähig.
Michel de MontaigneVenus und Bacchus sind gerne beisammen, wie das Sprichwort sagt. Bei mir ist Venus munterer, wenn sie von der Nüchternheit begleitet ist.
Michel de MontaigneIch greife nicht gerne nach neuen Büchern, weil mir die alten mehr Kern und Kraft zu haben scheinen.
Michel de MontaigneWir heiraten nicht für uns, wie es zunächst scheint; wir heiraten ebensosehr für unsere Nachkommenschaft wie für unsere Familie.
Michel de MontaigneWir haben das Recht, uns auf andere zu lehnen, aber nicht, uns mit unserer ganzen Last über sie herzuwerfen, oder uns so auf sie zu stürzen, daß sie darunter biegen und brechen.
Michel de MontaigneEinsamkeit und Ehrgeiz vertragen sich schlecht. Ruhm und Ruhe sind Dinge, die nicht beisammen wohnen können.
Michel de MontaigneDas Urteil, das ich selbst über mich spreche, trifft mich unmittelbarer und härter als das der Richter; diese müssen mich so nehmen, wie ich nach dem Zivilrecht verpflichtet erscheine; mein Gewissen packt viel fester zu und ist viel strenger.
Michel de MontaigneDie Ehe ist eine fromme Bindung, die auf Ehrerbietung beruht; die Freuden, die sie gewähren kann, sollten deshalb einen Schleier von Zartheit, Zurückhaltung und Ernst bewahren; der Geschlechtsgenuß sollte etwas von der Verantwortung gedämpft bleiben.
Michel de MontaigneWenn man in mich dringt, zu sagen, warum ich ihn liebte, so fühle ich, dass sich dies nicht aussprechen lässt, ich antworte denn: Weil er er war; weil ich ich war.
Michel de MontaigneDie meinigen widersprechende Urteile regen mich nicht auf und beleidigen mich nicht; sie regen mich nur an und setzen mich in Tätigkeit.
Michel de MontaigneDie Natur war nur gerecht, als sie jedem von uns seinen Anteil an Verstand zuteilte. Es finden sich wenige Menschen, die mit dem ihnen zugemessenen Anteil unzufrieden sind.
Michel de MontaigneEin edles Herz verleugnet seine Gesinnung nicht; es ist ihm recht, wenn man ihm bis ins Innere sieht.
Michel de MontaigneZugunsten der Wahrheit und der Freiheit muß man sich manchmal über die üblichen Regeln des guten Tons hinwegsetzen.
Michel de MontaigneNichts ist so schön und ehrenhaft, als wahrhaft und wie es sich gehört ein Mensch zu sein, und keine Kunst so schwer wie die, dieses Leben recht und natürlich zu leben; und die schrecklichste unserer Krankheiten ist die Verachtung unseres eigenen Wesens.
Michel de MontaigneMancher will sprechen lernen zu einem Zeitpunkt, wo er lernen sollte, endgültig zu schweigen.
Michel de MontaigneIch verbessere nur die Fehler, die ich aus Unachtsamkeit begehe, nicht die, welche meiner Art entsprechen.
Michel de MontaigneEin Verzicht auf das Wirken ist unter Umständen ebenso verdienstlich wie das Wirken selbst.
Michel de MontaigneFreundschaft kann nicht geknüpft werden, wo die Gleichheit in den Voraussetzungen für den geistigen Austausch fehlt.
Michel de MontaigneIn gewissen Händen ist sie [die Gelehrsamtkeit] ein Szepter, in anderen eine Narrenkappe.
Michel de MontaigneUnser Geist ist ein Arbeitsgerät, unruhig, gefährlich und vermessen, ein gefährliches Schwert, gefährlich auch für den, der es trägt, wenn er die Waffen nicht ordentlich und vorsichtig zu gebrauchen versteht.
Michel de MontaigneEs liegt in eurem Willen, nicht in der Anzahl der Jahre, daß ihr hinlänglich gelebt habt.
Michel de Montaigne