Zitate von Otto von Leixner
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Ein schönes Antlitz ist oft mit einem Empfehlungsbrief verglichen worden. Es ist auch einer, aber ein versiegelter. Man muß erst den Umschlag entfernen und dann zu lesen verstehen.
Das nötigste für jeden begabten Menschen ist: die Grenzen seiner Begabung zu erkennen. Viele sind schon zu Grunde gegangen, weil sie mit fieberhaftem Ehrgeiz erstrebten, was ihrem Wesen widersprach.
Was die Außenwelt an sinnlich erfahrbaren Dingen enthält, kann nicht als Ding in mich hinein, sondern muß sich in Empfindung verwandeln, um in mir sein zu können.
Ein von unreinen Leidenschaften beherrschter Mensch kann toll und übermütig sein, niemals aber jene leuchtende Fröhlichkeit entfalten, die auch ernsten Menschen ein Lächeln entlockt.
Die Verdammer alles Alten sind ebenso thöricht, wie dessen blinde Vergötterer. Beide verbauen den Weg gesunden Fortschritts, der einzig dem Wesen des Geistes entspricht.
Manche Menschen gehen an dem Zauber zu Grunde, den sie auf andere ausüben. Sie lernen ihre Macht kennen und beginnen mit ihr zu spielen, bis die Folgen sich vernichtend gegen sie wenden.
Die Menge hat Arme – doch es fehlt ihr das Haupt. Ein Thor nur und Schwärmer es anders glaubt.
Mancher besitzt Kraft genug, den höchsten Berg zu erklimmen, aber er verschwendet sie mit dem Abtragen von Maulwurfshügeln an dessen Fuße.
Niemals ist zu überzeugen, wer zu wissen glaubt. Darum wird der Halbgebildete so leicht zum zügellosen Eiferer.
Unser Wissen lastet oft wie Schutt auf unseren Seelen, so daß die Saat des Gemüts erstickt wird.
Für jeden, der es nicht lernt, ichlos zu lieben, muß da Leben einmal finster werden. Im Licht wandelt nur, wer aus Gotteinheit heraus liebt.
Die meisten Menschen haben den Mittelpunkt ihres Lebens außerhalb ihres Selbst. Es gelingt ihnen nicht, um die eigene Mitte zu schwingen. Die ganze Bewegung ihres Lebens ist ein Mitgerissensein.
Wer im richtigen Sinne der Gegenwart leben will, muß auch der Vergangenheit und Zukunft leben wollen; denn in ihr reichen sich beide die Hand. Wer das nicht erkennt, ist nicht ein Gegenwarts- sondern ein Augenblicksmensch, eine Springpuppe der Sekunde.
Mancher Philosoph gleicht einer Spinne, die gar künstliche Netze webt. Wer sich darin verfängt, dem saugt sie das Blut aus und läßt nichts zurück wie die Hülle des abstrakten Verstandes.
Die bequemsten Besucher sind die Redseligen. Man kann so hübsch dabei denken, wenn das Bächlein ihrer Reden plätschert, und sie freuen sich, daß wir sie nicht unterbrechen. So scheiden zuletzt beide Teile befriedigt voneinander.
Einsamkeit gleicht einem reinigenden Bade. Wer aber immer in der Wanne säße, verweichlicht sich. So auch ist’s mit der Weltflucht, sie verwöhnt so, daß jeder rauhe Hauch der Wirklichkeit die Seele frieren macht.
Zur Liebe hat das Weib vielleicht eine größere Begabung als der Mann; zur Freundschaft ist sicher der Mann mehr beanlagt als das Weib. Darum suchen so oft eigenartige Frauen Freundschaft im besten Sinne nicht bei Geschlechtsgenossinnen, sondern bei Männern.
Im Wechseleinfluß durch sittliche Taten wandeln sich die Menschen, Erzogene und Erzieher zugleich, empfangende Geber, die reicher werden, je mehr sie geben.
Die Jugend jeder Zeit verspottet gar vieles, was sie, zur Mannheit gelangt, achten und verehren wird; und sie bewundert, worüber sie einst lächeln wird.
Du willst mit nüchternem Verstand das Göttliche beweisen? Das heißt, nach einem Fabelland auf Eisenbahnen reisen.
Echtes Gottvertrauen ist wie das tiefe Meer im Tagesschimmer: es leuchtet im Sonnenglanze der Liebe und spiegelt den Himmel, trotzdem alle gescheiterten irdischen Hoffnungen in seinen Tiefen versunken ruhen.
Stell einen alten Schuh auf einen köstlichen Untersatz – die Welt wird ihn als eine Seltenheit anstaunen.
Wenn einer, der deinem Herzen nahe steht, einen teuren Menschen durch den Tod verloren hat, so tröste ihn nicht, sondern liebe ihn mit doppelter Kraft.
Die Begierde schleicht sich ins Herz als niedliches Schmeichelkätzchen und wächst darin in kurzer Zeit zum Königstiger. Darum seid vorsichtig den Kätzchen gegenüber; es ist leichter, gegen Pfötchen sich zu wehren als gegen Pranken.
Lehrsätze Mancher Lehrsatz, den mit Achtung Vormals ich gelesen, Ist bei näherer Betrachtung Leerer Satz gewesen.
Unsere größten Schwächen sind die, von denen niemand etwas bemerkt, weil wir die größte Kraft aufwenden, sie zu unterdrücken.
Zum Teil leben wir, zum andern Teil werden wir gelebt von einem Verborgenen in uns. Strebe jeder nach Kräften, daß es das Beste seines Wesens sei, von dem er sich erleben läßt. Dann erst wird er in höherem Sinne frei leben.
Spott und Spott sind nicht gleich; der eine kommt aus blutendem Herzen, der andere aus vereistem Gemüt.
In Zeiten der Begeisterung für das Vaterland zu sterben ist leichter, als in den nüchternen Tagen dafür zu leben mit Gedanken, Wort und Tat.
Ein Weib kann den Künstlergeist beflügeln; die Weiber richten ihn zugrunde. Diese Wahrheit hat sehr wenige Ausnahmen.
Wie geht es Ihnen? Ich sah Sie lange nicht. Recht gut, zu dienen Ich sah sie lange nicht.
Geldmenschen verzeihen dir alles, nur eines nicht: Mangel an Demut vor dem Geldsack.
Unser tiefstes Denken ist nur halb selbsttätig. Ohne daß wir es wissen, denken die Kräfte des Alls in uns mit.
Es bedarf für ein weiches Herz ebensoviel Kraft, nicht in Weichlichkeit zu verfallen, als für ein starkes, der Härte auszuweichen.
Will Dummheit majestätisch treten in Erscheinung, tritt sie vor uns vermummt als öffentliche Meinung.
Es gehört mehr Willenskraft dazu, kleiner Schwächen Herr zu werden, als offenbare Laster zu beseitigen.
Menschen und Kunstwerke vertragen nur einen bestimmten Grad von Feinheit. Darüber hinaus werden sie krank und kraftlos.
Reisen ist oft nichts anderes, als die Flucht vor sich selbst. Aber das Ich holt dich immer ein.
Du hast gelitten – was willst du klagen? Du leidest heute – warum verzagen? Das Heut wird Gestern, wie schwer es sei – Denn Tag und Nacht, sie gehn vorbei.
Wenn alle Männer und Weiber unserer Zeit so wären, wie sie in den Werken verschiedener modischer Roman- und Schauspielschreiber geschildert sind, dann könnten nur eine allgemeine Pest und eine Neuschöpfung des Menschengeschlechts die Verhältnisse bessern.
Es nennt „Charakter“ sich so mancher Narr, Der in der Blüte schon geworden starr; Von dem wird dann als „Renegat“ behandelt, Wer sich indessen hat zur Frucht gewandelt.
Tertium non datur Wer nicht dein Gutes will begreifen, Der muß sich auf Dein Übles steifen.
Auch im Brummen und Nörgeln muß ein Genuß liegen, sonst übten es nicht so manche Menschen ihr Leben hindurch. Wahrscheinlich genießen Sie dabei die Vorstellung, daß sie klüger und besser als andere sind.
Fremde Schuld kann die deinige veranlassen, aber niemals entschuldigen. Wer sich erst einmal erkannt hat, klagt nie mehr jemand anderen an als sich selbst.
Liebe, die in Haß umschlagen kann, ist niemals echte Liebe gewesen, denn sie wollte nur besitzen.