seite 2
"Echte Begabung bricht sich immer Bahn." Unverstand und Lieblosigkeit hat diesen Ausspruch erfunden, und die erfolgreiche Mittelmäßigkeit hat ihn verbreitet, um für echte Begabung zu gelten.
Otto von LeixnerMan erkennt nur mit ruhigem Verstande. Fühlen aber wird man nur mit bewegtem Herzen. Darum handelt man oft so ganz anders, als man denkt.
Otto von LeixnerEs ist etwas Schönes um eine Stimme, die wie Musik klingt. Hüte dich aber vor Menschen, die dieses Instrument mit bewußter Künstlerschaft verwenden. Es sind durchweg berechnende Schauspieler der Lebensbühne.
Otto von LeixnerJeder, der ein anständiger Mensch zu scheinen strebt, bekennt unbewußt, daß er es sein müßte.
Otto von LeixnerWeder Gefühle noch Gedanken kannst du geschenkt erhalten. Du selbst mußt sie nachfühlen und nachdenken, wenn du sie nachleben willst.
Otto von LeixnerEs gibt eins, von dem man um so weniger besitzt, je mehr man davon andern raubt: Ehre.
Otto von LeixnerDer Durchschnittsmensch wird durch alle Erfahrungen nicht weise, sondern bestenfalls vorsichtig.
Otto von LeixnerZerrissen Es kann ein Ganzes werden nie dein Wissen, Wenn Du im tiefsten Sein bist selbst zerrissen.
Otto von LeixnerDie Albernheit des Standesdünkels hat es sehr bequem, hochmütig zu sein. In beneidenswerter Ahnungslosigkeit weiß sie nicht, daß sie in allem, was den höheren Menschen bildet, eine Null ist.
Otto von LeixnerBestes Mittel Bist du dem Feind selbst mild gesinnt, Verfliegt oft Haß, wie Rauch im Wind.
Otto von LeixnerTrösten ist eine Kunst des Herzens. Sie besteht oft nur darin, liebevoll zu schweigen und schweigend mitzuleiden.
Otto von LeixnerEine Klippe Wenn einer je als Dichter will Genügen seiner Sendung, Der meide wie ein tötend Gift Gemütsverschwendung.
Otto von LeixnerDie Leidenschaft ist ein stets lodernder Scheiterhaufen, auf dem wir gar oft unsere besten Vorsätze verbrennen.
Otto von LeixnerVieler Menschen Leben ist ein stetes Unterhandeln mit dem Laster. Sie unterwerfen sich ihm nicht und besiegen es nicht. Man nennt sie "anständige Leute".
Otto von LeixnerMagst alles werfen in des Lebens Fluten, nur eines halte fest: Die Sehnsucht nach dem Guten.
Otto von LeixnerWas ein anderer errungen hat, schreiben wir meistens dem Glück zu, was wir erringen, dem Verdienst.
Otto von LeixnerUnsere Vorzüge sind für die Selbsterziehung oft viel gefährlicher als unsere Mängel.
Otto von LeixnerNicht vor dem Tode, nur vor dem Leben sollte man sich fürchten, denn nur dieses kann die Seele töten.
Otto von LeixnerUnd Ich und Du, und Du und Ich: Das haßt, verfolgt und peinigt sich - Und leider wird dann unterdessen Gar oft so ganz das Wir vergessen.
Otto von LeixnerEin edler Feind, der dich Im Zorne hat geschlagen, Der wird sein lebenlang In sich die Wunde tragen.
Otto von LeixnerWas zehn schlechte Weiber einem Manne vom Glauben an die Menschheit genommen haben, kann ein edles hundertfach ersetzen.
Otto von LeixnerDie schwächlichen Menschen führen gerne das Wort im Munde: "Alles begreifen, heißt alles verzeihen." Sie meinen nämlich an sich selber alles zu begreifen - und verzeihen darum sich selber alles, auch das, was sie an anderen unverzeihlich finden.
Otto von LeixnerDie Menschenkenntnis, die man bei einem Volke errungen hat, darf man nicht ohne weiteres auf die Mitglieder eines zweiten übertragen.
Otto von LeixnerNichts enthüllt so sehr die Tiefe einer Mädchenseele, als die Art, wie sie eine Täuschung ihres liebenden Herzens trägt.
Otto von LeixnerDie Gerechtigkeit ehelichte Ungerechtigkeit. Sie bekamen ein Kind und tauften es Gesetz.
Otto von LeixnerUnd glaubt es mir: eine kleine bescheidene Wahrheit, die ich in der Stille, nach Leid und Kampf selbst gefunden habe, fördert mehr und macht männlicher als die größte Wahrheit, die andere zu besitzen oft nur vorgeben und mir schenken.
Otto von LeixnerSelbstsüchtige schmeicheln den kleinen Schwächen der Mitmenschen, um desto sicherer die großen ausnützen zu können.
Otto von LeixnerEin Teil unserer besitzenden Gesellschaft... hat die "Duldung des Schlechten" zur Kunst ausgebildet... Wir haben heute nicht mehr nötig, die Verderbtheit von Paris zu beziehen; die heimischen Erzeugnisse übersteigen den Bedarf so, daß wir bereits auszuführen imstande sind.
Otto von LeixnerIn Zeiten, wo die Gemütskräfte erschlaffen, hört man viel mehr reden von Menschenrechten, als von Menschenpflichten.
Otto von LeixnerDas Vorgeschaffene nachzuschaffen, ist das Geheimnis des Kunstgenusses; flüssig war das nun vor uns feststehende Bildwerk oder Gemälde, als es entstand; wir müssen dieses Feste nun gleichsam neu werden lassen, es flüssig machen im Feuer unseres Gefühls. Dazu aber bedarf es der Sammlung.
Otto von LeixnerDie großen Toten können dem Schicksal nicht entgehen, daß sich ihnen drei Menschenarten an die Fersen heften; Verklärer, Erklärer und Zerklärer.
Otto von LeixnerNeueste Bildung Der Menge Bildung sich zusammensetzt Aus Worten, die zu Tode man gehetzt.
Otto von LeixnerFrau Gegenwart ist in gesegneten Umständen. Nur weiß man noch nicht, ob sie eines frischen Kindes oder eines Ogers genesen werde. Es ist gut, sich mit beiden Möglichkeiten vertraut zu machen.
Otto von LeixnerZuweilen kann man von einem Narren mehr lernen als von zehn Weisen. Das mag wohl daher kommen, daß wir, d.h. die Mehrzahl der Menschen, jenen verwandter sind als diesen.
Otto von LeixnerZwiefaches Recht Wer unvergolten das Unrecht läßt, Das er von andern hat erlitten, Hat oft sich zwiefach Recht erstritten.
Otto von Leixner"Einmal ist keinmal" hat die Volksweisheit in einem Augenblick gesagt, wo sie töricht war. Gewöhnlich ist einmal immer oder doch sehr sehr oft.
Otto von LeixnerDie Verräter unseres Innern sind Augen, Mundwinkel, Nasenflügel und Fingerspitzen. Bei jedem Menschen ein anderer dieser Teile. Welcher - das lehrt andauernde Beobachtung.
Otto von LeixnerDem Dichter Feile sorgsam, unerbittlich Streng verwirf, was dir mißfällt, Und dann lasse ruhig tadeln, Was sie mag und kann, die Welt.
Otto von Leixner"Schreien hilft nichts, Tatsachen beweisen." So sagt man häufig. Sollte der Spruch umgekehrt dem heutigen Brauche nicht noch mehr entsprechen?
Otto von LeixnerSelbstbeherrschung bezeichnet nicht, daß beherrscht werde das Selbst, sondern daß es selber herrscht und das Ich dient.
Otto von LeixnerSpotte nie der Menschen mit schlichter Empfindung. Vielleicht tragen sie längst in sich jenes "Himmelreich", welches du mit deinem selbstbewußten Geiste niemals oder erst nach schweren Kämpfen erringen wirst.
Otto von LeixnerDie Leidenschaften gehorchen nicht der Logik, sondern die Logik gehorcht den Leidenschaften.
Otto von LeixnerNur wer seine Kraft bindet, erhält ihr die Spannung, durch die sie Wirkung erzeugt. Die ganz entfesselte verzittert in nichtigen Wellen.
Otto von Leixner