Zitate von Otto von Leixner
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Wohltaten von Menschen anzunehmen, mit denen man geistig und herzlich übereinstimmt, bedrückt nicht, aber solche annehmen zu müssen, wenn des Gebers Weltansicht der unsrigen durchaus widerspricht, das demütigt uns vor uns selber.
Verdienstlose Tugend Nur selten ruht auf gutem Grunde, Was man im Leben „Tugend“ nennt, Denn halb entstammt’s der guten Stunde, Und halb dem Temperament.
Der gewöhnliche Schriftsteller ist ein Mensch, der Dinge aufschreibt, die anderen eingefallen sind.
Im Grunde gibt es für das tiefste Selbst des Menschen nur ein Ereignis im Leben: sein Ich. Damit muß er fertig werden, sonst wird’s mit ihm fertig.
Auch ein Nachruf: Gestorben ist der Mann! Nie werd‘ ich ihn vergessen: Man hat bei ihm so viel, und ach! so gut gegessen!
Wer lügt, spinnt sich in ein Gewebe ein, das scheinbar von einem Hauche zerrissen werden kann. Aber ehe er es merkt, können die Spinnweben zu einem Netze eiserner Stäbe werden, das ihn von allen Seiten gefangen hält.
Manche Menschen haben im Herzen eine Essigmutter. Gieße das Süßeste in ihre Seelen, es wird sauer.
Die Kraft, um in der Gemeinschaft zu wirken, läßt sich nur in der Einsamkeit gewinnen.
Mit jedem Fehler, den du im neuen Jahr ablegst, verstopfst du einen Quell des Leibs.
Einige Zeit glaubte man, daß die Menge alles sei und der einzelne nichts; jetzt beginnt sich die schon seit langem vorbereitete Meinung zu verbreiten, daß die Menge nichts ist und der einzelne alles. Beide Standpunkte führen am letzten Ziele zum Widersinn.
Wir haben in den trübsten Stunden ein Heilmittel zur Hand: das Denken an eine geliebte Menschenseele.
Der Jugend scheinbar tolle Kraft Ist oft nur Wallung im Geblüte, Des reifen Mannes Leidenschaft Wohnt still im innersten Gemüte.
Werde recht empfindlich für jeden Schmerz, den du anderen bereiten könntest und härte dich seelich ab gegen jedes Leid, das andere dir bereiten.
Wer Bibliotheken mit dem inneren Auge schaut, dem erscheinen sie mehr als Leichenhäuser denn als Saatfelder des Geistes.
Für menschliche Güte und menschliche Schlechtigkeit gibt es keine bestimmenden Grenzen. Spricht man von Gottinnigkeit, sollte man auch von Teufelsinnigkeit sprechen können. Es gibt beides.
Es ist unzweifelhaft, daß höchstgesteigerter Kunstgeschmack mit tiefster sittlicher Verderbtnis sich verträgt. Diese Tatsache sollte allen zu denken geben, die da glauben, daß ein Volk in seiner Gesamtheit durch Kunst auf eine höhere Stufe sittlicher Bildung gehoben werden kann.
Gutes erfährst du im Gespräche mit lieben guten Menschen; das Beste in offener Zwiesprache mit deinem Selbst. Vergiß über dem Guten nicht das Beste, über dem Besten nicht das Gute.
Der Mensch ohne Religion verarmt im Gemüt. Für diese Verarmung gibt es kein Heilmittel. Und besäßest du alle Schätze und blendenden Geist, dein Zustand wäre nur glänzendes Elend.
Der nun halb verflossene Naturalismus war eine Circe: Er hat manche Schriftsteller in Schweine verwandelt.
Jedes Glück, das wir genießen, indem wir andern Schmerz bereiten, träufelt einen Tropfen Gift in unsere Seele.
Von niemandem geliebt zu sein, großes Leid! Niemanden lieben können: Tod mitten im Leben.
In der Einsamkeit tugendhaft zu sein, ist ein Kinderspiel. Solche Tugend ist vorgestellte Kraft – sie hebt keine Lasten.
Blüte und Kind Zwei Dinge hier auf Erden Zum Weinen traurig sind: Vom Wurm zerstörte Blüte Und ein verderbtes Kind.
Alles Erdenglück erschöpft sich, nur nicht das Glück eines warmen Herzens, das Mitleid und Mitfreude versteht.
Begeisterung ist ein Feuer, das die Innenwelt in Fluß erhält. Aber Vernunft muß ihr die Gußform richten, in die sich das geschmolzener Metall ergießt, sonst verfließt alles halt- und gestaltlos.
Bei gar manchen Frauen wohnt die Leidenschaft in der Einbildungskraft. Sie können dabei innerlich kühl sein.
Keine Insel ist von so vielen Klippen und Untiefen umgeben wie die des Glücks. Nur Ruhe steuert hindurch.
Wer sich einer Sippe (Partei) zugesellt, legt meist seinen Geistesaugen Scheuklappen an.
Wer echten Glücks ist wert, Der strebt nicht erst nach Glück, Er hat ja schon davon Das allergrößte Stück.
Wenn wir in der Jugend so klug wären wie in den Jahren der Reife, dann gäbe es überhaupt keine Jugend.
Sich selbst belächeln ist ein Heilmittel. So kann Selbstspott zum weisen Hofnarren des Königs Gewissen werden.
Ahnung und Wissen Daß wir so lang‘ nur ahnen, Wo Wissen thäte not, Und wenn wir’s endlich wissen, Verfallen wir dem Tod!
Zürne nicht den Traumbildern deiner Jugend, die sich so rasch im Nebel auflösen. Gedenk: du warst glücklich, als du träumtest. Und auch als Erwachter kannst du es werden, wenn du dein Selbst gewinnst, das deiner im Innern still und geduldig harrt.
Wer von seinem Freunde nicht Offenheit ertragen will, wird sie einmal, ausgedrückt durch Worte des Hasses, von seinem Feinde ertragen müssen.
Hundert kluge Leute zusammen sind selten so klug, wie jeder einzelne für sich gewesen wäre. Was dann die Klugheit von hundert mittelmäßigen Köpfen zu bedeuten hat, kann man durch eine einfache Gleichung herausbekommen.
Wirklichkeit und Ideal Die plumpe Wirklichkeit aufs Ideal zu hetzen, Das heißt die Kunst im tiefsten Kern verletzen.
Der Weg des Gelehrten ist, zu sammeln, was andere wissen; der Weg der Tugend aber, zu können, was das Selbst weiß. Damit es aber spreche, muß das Ich schweigen.
Immer Nein zu sagen, ist nicht ein Zeichen von Kraft, sondern nur von Beschränktheit.
Wen man nur lieben oder hassen kann, Das ist zumeist ein ganzer Mann. Der halbe ist mir stets zuwider baß, Taugt nicht zur Liebe, nicht zum Haß.
Die komischste Gattung von Demokraten ist jene, die Wagen und Bediente hält, immer über den „Druck von oben“ schreit, und sich jetzt unbehaglich fühlt und empört zeigt, weil der „Druck von unten“ sich bemerkbar macht. Die Geschichte unsrer Zeit ist reich an solchen Zügen dämonischen Humors.
Ein Gewolltes soll zugleich ein Gefühltes und Gedachtes sein, dann erst tritt der reife Mensch als ein Freier mit der Vollkraft seines Wesens hinaus in das irdische Leben.
Lerne echte Heiterkeit, und du wirst, ohne sie zu sehen, an Lebensklippen vorbeischiffen, an denen du scheitern würdest, wenn du sie gesehen hättest.
Man sollte seine Meinungen stets mit dem Vorbehalt vertreten: „Vielleicht habe ich recht.“ Man bliebe dadurch bewahrt, das Recht der Andersdenkenden zu verletzen.
Den „ersten Schritt“ auf einer gefährlichen Bahn geht, schon den nächsten stürzt man.