seite 6
Die Abenddämmerung ist Morgenrot für die andere Erdenhälfte. Mensch, der du dem Ende entgegenwandelst, gedenke dessen immerdar!
Otto von LeixnerEine kleine Stelle, die du ganz ausfüllst, ist ein Ehrenplatz, die größte, der du nicht genügst, ein Pranger.
Otto von LeixnerDie Blasierten Mit dreißig Jahren thatenlos, An Geistes Mattheit riesengroß - Man kann's auf ihren Stirnen lesen, Weil niemals Kinder sie gewesen.
Otto von LeixnerDie beste Erziehung ist jene, die einen festen, gesunden Grund legt zur Selbsterziehung.
Otto von LeixnerMenschen von lebhaftem Geist darf man nie nur nach ihren Worten beurteilen. Oft reizt es sie nur, ihre Kraft zu üben, und sie führen einen Gedanken aus, oder verteidigen eine Meinung, denen ihr Gemüt die Zustimmung versagt.
Otto von LeixnerHeute ist es eine Hauptpflicht des echten Mannes, von den Strömungen des Tages sich unbeeinflußt zu erhalten. Das kann er aber nur, wenn er sich, soweit es geht, von dem Sippenwesen fern hält.
Otto von LeixnerMan spricht heute oft vom "Herdeninstinkt" der Menschen. Wäre man nun folgerichtig im Denken, so müßte man auch zugeben, daß die Zahl der Hirten, also der Herrscher und Führer, nur eine kleine sein könne. Im Gegenteil aber lehrt man, daß jedes Schaf das Recht habe, Hirt zu sein.
Otto von LeixnerDie Bildung unseres Kopfes eilt oft der Bildung unseres Herzens so weit voran, daß beide sich niemals im Leben zu gemeinsamer Arbeit vereinen können.
Otto von LeixnerWenn zwei Notwendigkeiten mit den Köpfen zusammenstoßen, so gibt es einen Funken - die Menschen nennen ihn "Zufall".
Otto von LeixnerDas Verständige von heute ist oft das Törichte von morgen - und umgekehrt. Das lehrt uns: kriech weder vor den Tageswahrheiten noch verachte die Torheiten des Tages, sondern betrachte beides mit Ruhe.
Otto von LeixnerDer Menge stets zu schmeicheln, ist ein Zeichen von niedriger Gesinnung; ihr stets grobe Wahrheiten zu sagen, spricht für Hochmut und Lieblosigkeit.
Otto von LeixnerArbeite treu! Und die Hälfte der dir bestimmten Leiden geht wie blind an dir vorüber.
Otto von LeixnerEin Schmerz begleitet auch den ernstesten Wahrheitssucher manche Strecke des Lebens: das Bewußtsein, hinter dem Leitbilde seiner eigenen besten Stunden zurückgeblieben zu sein.
Otto von LeixnerFeiner Geschmack Er duldet schlechte Verse nicht in seinem Haus. Darum auch gab die seinen er heraus.
Otto von LeixnerDas größte Glück dieser Erde besteht darin, Herzen zu gewinnen. Das größte Verbrechen, mit den gewonnenen zu spielen.
Otto von LeixnerEs ist merkwürdig, mit wie wenig Verstand man glatt durchs Leben kommen kann, und wie viel Vernunft und Gemütskraft oft nötig sind, um überall zu scheitern.
Otto von LeixnerDer zu laut und zu oft seinen eigenen Namen kräht, erweckt den Verdacht, auf einem Misthaufen zu stehen.
Otto von LeixnerEiner der feinsten Genüsse des Menschenkenners besteht darin, zu erleben, wie bei seinem Mitmenschen die ursprüngliche Empfindung in Berechnung übergeht und Berechnung zur Natur wird.
Otto von LeixnerWer viel verlangt, der hastet viel, den flieht das heißbegehrte Ziel; wer stille strebt auf graden Wegen, dem kommt zuletzt das Ziel entgegen.
Otto von LeixnerEs mag Propheten gegeben haben, an die, außer ihnen selbst, niemand glaubte. Heute aber gibt es kleine flaumbärtige "Erlöser", die im geheimen nicht einmal an sich selbst glauben und dann empört sind, daß andere nicht offen für sie eintreten.
Otto von LeixnerWir unterliegen im Leben selten der Kraft der Angreifer, die zumeist schwach sind und es blieben, kämpfte nicht unsere eigene Schwäche mit ihnen gegen uns.
Otto von LeixnerWie mitleidlos sind oft die mitleidigen Seelen! Sie können über einen toten Kanarienvogel oder kranken Hund weinen und im nächsten Augenblick kalt und überlegend einen Mitmenschen ins tiefste Herz verwunden.
Otto von LeixnerDie wortlauten Pächter der Zeitgedanken wiederholen immer, daß der Mensch in und mit dem Ganzen leben müsse. Bei ihnen ist der geheime Urheber des Spruchs der Wunsch, das Ganze zu beherrschen.
Otto von LeixnerGerechte Strafe O hüte Dich, zu stehlen je Ein durch die Pflicht verbotnes Glück. Das Schicksal fordert's grausam einst Von Dir mit Zinseszins zurück.
Otto von LeixnerGesund sich zu erhalten ist nicht nur ein Gebot der alltäglichen Klugheit, sondern, richtig gefaßt, ein sittliches Gesetz.
Otto von LeixnerAus Büchern kann niemand weise werden, und hätte auch ein Weiser sie geschrieben. Solange er liest, ist das Licht des andern für ihn nur Schwingung des Äthers. Erst wenn es lebt und lebend seinem Wesen gemäß umbildet, beginnt es zu leuchten und zu erwärmen.
Otto von LeixnerEs ist leicht, über alles zu schreiben, wenn man es zu vermeiden weiß, über irgend etwas zu denken.
Otto von LeixnerWer sich in sich selbst verliebt, Den faßt noch einmal bitt're Reue: Das Ich nimmt alles, was man gibt, Doch kennt's nicht Dank noch Treue.
Otto von LeixnerAllen Kräften des Gemüts ruft die Zeit unbarmherzig ein hartes "Genug" zu. Nur einer nicht: der Kraft, zu lieben.
Otto von LeixnerAuch eine ungeliebte Pflichtarbeit kann uns in Tagen innerer Zerrissenheit und äußerer Kämpfe zu der Ruhe verhelfen, die der Mensch im Leben nötig hat.
Otto von LeixnerHegel hat recht mit seiner Ansicht, daß jeder Satz aus sich seinen Widerspruch hervortreibe und sie sich in einem höheren dritten vereinen. Denn dieses Höhere, das sittlich freie Selbst in der sittlichen Gemeinsamkeit ist das Ziel, dem unsere Zeit unbewußt entgegenstrebt.
Otto von LeixnerKunstrichters Wahlspruch Was selber man nicht machen kann, Das sieht man als mißlungen an.
Otto von LeixnerEs gibt Mädchenaugen, die eine Million von Gefühlen versprechen, und Gant (Konkurs, öff. Versteigerung) ansagen müssen, sollten sie ein einziges bar auszahlen.
Otto von LeixnerDie Leidenschaften können sich an die geringsten Dinge knüpfen. Ich kenne zwei Männer, die sich grimmig hassen, weil der eine für die Herrschaft der lateinischen Schrift eintritt, die der andere bekämft.
Otto von LeixnerDie frömmsten Worte werden alltäglich, wenn man sie mit Salbung vorträgt. Diese hat den Kirchen schon Tausende von Seelen entfremdet. Der Priester soll darum den törichten Jungfrauen gleichen: nämlich das Öl zu Hause lassen.
Otto von LeixnerMancher große Mann muß erst seinen Platz verlassen, damit man ganz erkenne, wie viele kleine und minder große nötig sind, um deren leeren Raum auszufüllen.
Otto von LeixnerDie Menschen gleichen den Unterscheidungszeichen. Mancher ist ein Beistrich, sogar oft ein ganz überflüssiger, der andere ein Fragezeichen oder ein Gedankenstrich. Die Bedeutenden aber sind Punkte. Sie schließen einen Gedanken ab; danach muß ein neuer Satz beginnen.
Otto von LeixnerAm heftigsten bekämpfen sich Anschauungen, die im Grunde aus derselben Wurzel hervorgegangen sind. Siehe die Kämpfe der religiösen Bekenntnisse.
Otto von LeixnerMenschen von innerlich rohem Wesen haben oft ein merkwürdig feines Gefühl für die geistige Überlegenheit edler Naturen. Sie werden dadurch selbst gedemütigt und vergelten diese Kränkung meist mit unversöhnlichem Haß.
Otto von LeixnerEin Herz ist kein Gasthaus, in dem man nach Belieben ein- und ausziehen kann. Wer ein Herz verläßt, in dem er Wohnung hatte, der darf sich nicht wundern, es verschlossen zu finden, wenn er wieder einziehen möchte, weil er obdachlos ist.
Otto von Leixner