Zitate von Peter Rudl
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Gewissen: etwas, das so selten benutzt wird, ist selten nicht rein. Vielleicht einer der Gründe, warum es mit dem Geist und denen, die ihn leben, nie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen ist.
Nirgends fühlt sich der Spießer so sauwohl und mordssicher wie bei seinen Tabus und Vorurteilen.
Wenn Haß sublim wird, nennt er sich gern Verachtung. Wenn Verachtung sublim wird, nennt sie sich gern Moral.
Es sind nicht die schlechtesten Schriftsteller, die für ein Talent zum Schreiben das Talent zum Leben eingebüßt oder eingetauscht haben.
Der Mensch hat immer das Potential des tief Animalischen in sich, das er am positivsten in der Sexualität ausleben und sich so auch immer wieder für eine kleine Zeit der Last des Menschseins entheben kann. Katharsis, Euphorie, aber auch triste Elegien bilden denn die übliche Nachhut.
Die Liebe beruht in neun von zehn Fällen auf optischer respektive intellektueller Verführung – sprich Täuschung.
Um mit Gottfried Benn zu reden, wirken die Ansichten des Nihilismus neben denen des rücksichtslos verengten Materialismus allenfalls wie „der Rotz aus einer Konfirmandennase“.
Immer hart am Limit. Darunter sollte man es nicht tun, geschweige denn leben und sterben.
Wenig ist wohl schmutziger als das Sterben, das freilich vom selben Schmutz wie das Leben genährt wird. Nur daß er hier noch schamloser und offener zutage tritt.
Das Schönste am Winter sind die idealerweise in ihren Häusern festgesetzten und so von der Straße wie Wäldern und Feldern ferngehaltenen Leute.
Unter bestimmten Gesichtspunkten und Blickwinkeln haben Herzen und Hinterteile eine sehr große Ähnlichkeit.
Irgendwann im Laufe seines Lebens hat man sich mit seiner Inkonsequenz abgefunden und dies rettet es einem schließlich auch.
Kaum etwas wird vom Menschen so nachdrücklich entsorgt wie der Geist. Ganze sogenannte Zivilisationen sind auf seinem Verschwinden errichtet.
Der Geist muß nichts gegen Extreme haben, verbieten sie sich ihm durch den Embarras ihrer Unappetitlichkeit doch gewissermaßen von selbst.
Der tiefsinnige Maler René Magritte stellte treffend fest, daß der Sinn das Unmögliche sei. Ich möchte diesen gar das Prokrustesbett des unterlegenen Geistes nennen.
Sei schonungslos mit anderen, und schon bekommst du sie los. Sei schonungslos mit dir selbst, und schon bekommst du dich ganz.
Das Kreuz des Agnostikers ist, daß er an nichts glaubt und ihm nichts unmöglich erscheint, was ihn im täglichen Umgang praktisch unmöglich macht.
Perfekte Harmonie gibt es nirgends, sie ist allenfalls ein Produkt menschlicher Scheinheiligkeit.
Wo der Wahnsinn nicht enden will, scheint der Mensch langsam zu sich zu kommen. Nur, er nennt’s nicht mehr Mensch. Zerschlägt schon wieder den Spiegel. Unbelehrbare Ausgeburt wessen? Und laßt endlich Gott aus dem entgleisten Spiel.
Das Wichtigste, was ein Mensch hinterlassen kann, sind gleich dem Verbrecher, der den Tatort verläßt, keine Spuren.
Das Leben ist eine ausgesuchte Qual für höhere Geister und ein seltenes Glück für alle anderen.
Jesus Christus: sicherlich eine der in ihrer Wohlfahrt über- und in ihrer destruktiven Wirkung unterschätztesten Figuren der Weltgeschichte.
Egoist, mal geistig gesehen: einer, der sein Ding durchzieht ohne sich um etwaige Niedrigkeiten, nennen sie sich scheinheilig Moral oder soziolatrisch Gesellschaftsfähigkeit, zu kümmern.
Allerdings gilt: was lange währt, wird langsam schlecht. Und immer erst wenn alles längst zu spät ist, wird man dessen vollauf gewahr. Indem Gestank aufzieht.
Der Verlust der Neugier kann der Ausdruck großer Reife auf dem Weg zur Weisheit sein und ihr genaues Gegenteil.