Zitate von Rainer Maria Rilke
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Wenn zwei oder drei Menschen zusammenkommen, sind sie deshalb noch nicht beisammen.
Jedem, der sein Blut hinaufhob in ein Werk, das lange wird, kann es geschehen, daß ers nicht mehr hochhält und daß es geht nach seiner Schwere, wertlos. Denn irgendwo ist eine alte Feindschaft zwischen dem Leben und der großen Arbeit.
Ich lerne sehen, ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen.
Der Wunsch, einen eigenen Tod zu haben, wird immer seltener. Eine Weile noch, und er wird ebenso selten sein wie ein eigenes Leben.
Meine Welt beginnt bei den Dingen -, und so ist in ihr auch der mindeste Mensch so erschreckend groß, ja, beinah ein Übermaß.
Gegen geborgte Bücher behält man stets eine gewisse formelle Höflichkeit. Man gewinnt kein Verhältnis zu solchen Büchern, man bleibt stets „per Sie“ mit ihnen.
Gegen das Leben an irgendeiner Stelle ablehnend zu sein, ist mir nie eingefallen.
Ich glaube, daß fast alle unsere Traurigkeiten Momente der Spannung sind, die wir als Lähmung empfinden, weil wir unsere befremdeten Gefühle nicht mehr leben hören.
Über einen Menschen, der einem sehr nahe steht, mag man andere, selbst Berufene, nicht reden hören.
Wir bauen an dir mit zitternden Händen Und wir türmen Atom auf Atom. Aber wer kann dich vollenden, Du Dom.
Im Leben hat alles denselben Wert, und ein Ding ist nicht schlechter als ein Wort oder ein Duft oder ein Traum.
… Unsere Aufgabe ist es, diese vorläufige, hinfällige Erde uns so tief, so leidend und leidenschaftlich einzuprägen, daß ihr Wesen unsichtbar in uns aufersteht. Wir sind die Bienen des Unsichtbaren.
Jeder muss in seiner Arbeit den Mittelpunkt seines Lebens finden und von dort aus strahlenförmig wachsen können, soweit es geht.
Der Ruhm ist der öffentliche Abbruch eines Werdenden, in dessen Bauplatz die Menge einbricht, ihm die Steine verschiebend.
Ein weißes Schloß in weißer Einsamkeit In blanken Sälen schleichen leise Schauer Todkrank krallt das Geränk sich an die Mauer, uns alle Wege weltwärts sind verschneit.
Es muss eine Zeit für mich kommen, mit meinem Erleben allein zu sein, ihm zu gehören, es umzubilden, denn es drückt mich all das Unverwandelte und verwirrt mich.
Und bang und sinnlos sind die Zeiten, wenn hinter ihren Eitelkeiten nicht etwas waltet, welches ruht.
Das namenlose Leid der Liebe ist immer dieses gewesen: daß von ihr verlangt wird, ihre Hingabe zu beschränken.
Es gibt keine Klassen im Leben für Anfänger, es ist immer gleich das Schwierigste, was von einem verlangt wird.
Die Nacht im Silberfunkenkleid streut Träume eine Handvoll, die füllen mir mit Trunkenheit die tiefe Seele randvoll.
Ist es möglich, daß man von den Mädchen nichts weiß, die doch leben? Ist es möglich, daß man „die Frauen“ sagt, „die Kinder“, „die Knaben“ und nicht ahnt (bei aller Bildung nicht ahnt), daß diese Worte längst keine Mehrzahl mehr haben, sondern nur unzählige Einzahlen?
Vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.
Sei geduldig mit allen Fragen in deinem Herzen, und versuche, die Fragen an sich zu schätzen.
Das Jahrhundert wird zu den größten gehören, wenn dieser Traum, in seinen ersten Tagen geträumt, in seinen letzten einmal in Erfüllung geht: Freie Kinder zu schaffen, wird die vornehmste Aufgabe dieses Jahrhunderts sein.
Mich kränkt es nicht, daß die Wahrheit hart ist, die ganz großen Seligkeiten sind immer jenseits der Härte und im Allgemeinen.
…man muß abseits gehen in irgendeine unzugängliche Stille, vielleicht sind die Toten solche, die sich zurückgezogen haben, um über das Leben nachzudenken.
Hier ist das Wunder, das allen immer widerfährt, die wirklich lieben; je mehr sie geben, desto mehr besitzen sie von der kostbaren erhaltenden Liebe, die Blumen und Kindern Stärke verleiht und die allen Menschen helfen könnte, wenn sie sie ohne Zweifel hinnähmen.
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich es.
In jenem Unabhängigen und Zeitlosen ist uns alles wirklich Geliebte gesichert, ja immer noch grenzenloser erwerbbar.
Diese unglückselige Meinung, daß die Kunst sich erfülle in der Nachbildung, sei es nun der idealisierten oder möglichst getreuen Wiederholung, der Außenwelt, wird immer wieder wach.
Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft werden weniger… Überzähliges Dasein entspringt mir im Herzen.
Es ist viel Wehleidigkeit in unserem Vaterlande, so daß, wenn einer sich nur einmal frei bewegt, alle Nachbarn, an die er rührt, sich geschlagen fühlen!
Selbst der Irrtum erweist sich ja so oft als Stufe einer kleinen Plattform, auf der sich dann fußen läßt.
Nichts ist so unbedingt aufgegeben, wie das tägliche Erlernen des Sterbens, aber nicht durch Absagen an das Leben bereichert sich unser Wissen um den Tod, erst die ergriffene und aufgebissene Frucht des hiesigen verteilt in uns seinen unbeschreiblichen Geschmack.