Zitate von Jean Paul
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O, die Wunde des Gewissens wird keine Narbe, und die Zeit kühlt sie nicht mit ihrem Flügel, sondern hält sie bloß offen, mit ihrer Sonde.
Die Freude fliegt als ein so schönfarbiger, schmeichelnder, nichts verletzender Goldfalter um uns; nur legt und läßt er so oft Eier zu gefräßigen Raupen zurück, welche viel und lange verzehren, bis sie sich wieder entpuppen zu leichten Goldfaltern.
Alles Vergnügen kommt von ungefähr und fället aus den Wolken; an dem, das man lange erwartet, ist selten viel.
Ein Familienzirkel ist ein Gegengift gegen eine große Stadt; eine Stube voll Kinder ist so gut wie ein Dorf.
Recht hat hierüber jeder Beter; vor dem Unendlichen ist eine Bitte um eine Welt und die um ein Stückchen Brot in nichts verschieden als in der Eitelkeit der Beter, und er zählt entweder Sonnen und Haare, oder beide nicht.
Er hatte Lebensart, nicht um sie zu zeigen, sondern aus Menschenliebe und Schonung: denn Lebensart ist die Tugend auf kleine Gegenstände angewandt.
Nach einem bösen Traum sieht man, welchen Stoff zu einer Hölle ein bloßes Gehirn in sich aufbewahrt.
Lasse sich doch keine Seele vom Glauben an Gott in ihrer Lebens-Geschichte etwan dadurch abneigen, daß sie zu klein dafür sei in der Menge der Geister und Sonnen.
Die Stöße, die uns der Wagen des Schicksals gibt, lassen unser Inneres noch in Ruhe und Gleichmut. Aber Wunden, die uns der Mensch, seine Meinung und Betragen gegen uns gibt, wirren in uns alles durcheinander. Das Ich fühlt sich von seinesgleichen erschüttert.
Freunde, habt nur vorzüglich wahres, herrliches Genie, dann werdet ihr euch wundern, wie weit ihrs treibt!
Wie eine Sonne geht das Herz durch die blassen Gedanken und löschet auf der Bahn ein Sternbild nach dem andern aus.
Man lernt Verschwiegenheit am meisten unter Menschen, die keine haben – und Plauderhaftigkeit unter Verschwiegenen.
Es gibt Menschen, die man nicht hasset und nicht sehr liebt, aber ein wenig, die verschwinden, ohne daß man es merkt, wiederkommen ohne Freude – für Große gibt es keine andern, und sie sind keine andern.
Ganz anders und besser versteht und goutiert man einen Autor, wenn man ihn über eine Sache lieset, über deren Aufklärung man eben jetzt verlegen ist.
Die Lüge, der fressende Lippenkrebs des inneren Menschen, wird vom Gefühl der Völker schärfer gerichtet und bestimmt als von den Philosophen.
Die eine Zeit braucht Männer, um zu entstehen, die andere, um zu bestehen; die unsrige hat sie zu beidem nötig.
Viele Lehrstunden hintereinander heißt in einem fort säen, so daß nichts wachsen kann; und mit der Saat die Ernte ersticken. Solange ihr die Uhr aufzieht, geht sie nicht.
Man glaubt, man erhebe sich über alle die Leute, über die man nachdenkt und Reflexionen macht.
Aus Instinkt übt man die feinsten Umgangsregeln aus, über die man erstaunt, wenn man sie liest.
Zweck und Erfolg, dem Körper Arbeit zuzumuten, ist nicht sowohl Gesundheitsanstalt und Verlängerung des Lebens, als die Aus- und Zurüstung desselben wider das Ungemach und für die Heiterkeit und Tätigkeit.
Nicht die wenigen Strahlen von Vergnügen, die in dieses Leben fallen, machen es uns so wert: sondern das unnennbar süße Gefühl, zu sein, das Leiden kaum stören, machts.
Warum lieben wir die Tugend an andern zehnmal mehr als an uns? Warum fühlen wir so viel Wärme gegen einen Aufopfernden und halten’s für Schuldigkeit bei uns? Einmal müssen wir uns irren.
Der schönste, reichste, beste und wahrste Roman, den ich je gelesen habe, ist die Geschichte.
Das frohere Kind ist überall das bessere, und die Not ist die Mutter der Künste, aber auch die Großmutter der Laster.
Oft ist die Ehe wie zwei Fettropfen, die auf dem Wasser schwimmen, ohne zusammenzufließen.
Leichter gönnen sogar gute Menschen dem andern jedes Glück, sogar das unverdiente, aber nie das unverdiente Lob.
Die Bewunderung nützt nicht sowohl dem Gegenstande als dem Subjekt am meisten; man freuet sich über die Größe des Menschen und daß man sie empfindet.
Kein großer Philologe hat ein poetisches oder philosophisches Meisterstück geschaffen; man ist nur froh, wenn er seine Sprache halb so gut schreibt, als er die fremde versteht.