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Jedes Zeitalter schlägt von der hinter ihm liegenden Literatur anderer Bücher auf und andere zu, lernt Vergessenes wieder und vergißt Erlerntes.
August PaulyGute Bücher denken für uns, bei schlechten Büchern müssen wir für sie denken. Darum sind uns diese oft nützlicher als jene.
August PaulyFreundlichkeit ist das Öl der Streber, mit dem sie sich salben, um leichter durch die Menge nach oben zu schlüpfen.
August PaulyDass unter unseren Füßen so viel Unendlichkeit ist wie über unserem Haupt, das bedenken wohl nur die wenigsten, und dass in uns selbst so viel Geheimnis und Göttlichkeit ist als in irgendeinem Punkt außer uns. Darum suchen sie alle ihren Gott über den Sternen.
August PaulyAuf dem unreinen Strom des Lebens schwimmt für die meisten das Glück; fern von ihm in reinen Lüften schwebt es für andere, wenige.
August PaulyDer moderne Mensch hat seine Körperoberfläche so sehr vergessen, daß ihm seine Kleider besser gefallen, als seine Haut.
August PaulyUnser ganzes Leben hindurch zieht die Erde an uns, als wollte sie uns Flüchtlinge wieder haben, und endlich bekommt sie uns auch.
August PaulyDas Publikum verhält sich gegenüber den Künsten, wie jener Bauer gegenüber dem Schnepfendreck: Schmeck wie du willst, ich weiß, daß du gut bist.
August PaulyWas alles die Menschen als Zeichen von Vornehmheit ansehen, das macht sie gerade zum Pöbel.
August PaulyEs ist ein sonderbarer Unterschied zwischen den Narren, die man einsperrt, und denen, die man in Freiheit lässt. Jene glauben nicht an ihre gegenseitigen Wahnideen, diese dagegen sammeln sich oft zu den größten Scharen unter der Fahne einer Verrücktheit.
August PaulyMan denkt sich den Priester der Kunst, der Wissenschaft oder der Religion so sehr in seine ideale Welt versunken, daß ihm die nutzbringende wirklich ganz darüber verloren geht; in Wahrheit aber vergessen die meisten von ihnen nicht diese, sondern jene.
August PaulyFür gewissen Naturforscher besteht das Welträtsel nur in der Existenz des Philosophen und der Philosophie.
August PaulyHoffen und gewinnen, verlieren und resignieren, das ist die steigende und fallende Welle des Lebens.
August PaulyMenschen, welche alles auf den Kopf stellen, bringen dadurch zuweilen eine Wahrheit auf die Beine.
August PaulyNicht nur das Organische, sondern die Welt überhaupt muss in ihrem Innersten aktiv sein, denn passive Wesen haben keine Entwicklung.
August PaulyEs kann sich kein Sperling in Wolkenhöhe behaupten; und wenn ihn ein Adler hinauftrüge, er strebte wieder hinunter, wo ihm das Pferd seinen unverdauten Hafer hinterlassen hat.
August PaulyJedes Volk, das in Knechtschaft liegt, hat an den Netzen, die es umfangen, selber mitgestrickt.
August PaulyMit den dicken Büchern geht es wie mit den dicken Leuten. Sie sehen stärker aus als sie sind.
August PaulyEs ist mir manchmal ein Mensch, den ich vergeblich eine Wahrheit zu eröffnen suchte, vorgekommen, wie ein Mann, dem ich auf den Gaul helfen wollte, der aber immer wieder drüben herunter fiel.
August PaulyEs gibt im Seelenleben des Menschen feine, liebliche Dinge, die so zart sind, daß sie zerstört werden, wenn man sie mit Worten berührt.
August PaulyIrrtum und Wahrheit breiten sich in der Wissenschaft gleich schnell aus, werden gleich willig aufgenommen und gleich stark festgehalten, aber nicht gleich lang.
August PaulyWie viel hat doch der religiöse Mensch vor dem Philosophen voraus, da er mit dem Innersten der Natur in heiligen Personen menschlich verkehren kann.
August PaulyEs gibt Dinge im Leben und in der Wissenschaft, welche nur die kühnste Phantasie zu erfassen vermag, und andere, die nur der ruhigste Verstand sieht. Darum gehören auch so oft zwei Menschen dazu, um eine Sache richtig zu sehen.
August PaulyEs war der Fehler unserer Zeit, dass sie glauben konnte, durch Naturforschung allein zu einer Philosophie zu kommen, aber zu einer so langsamen Philosophie besitzen wir nicht Lebenszeit genug und nicht genug Begehrungslosigkeit.
August PaulyLauter als unsere redseligsten Verteidiger redet die stumme Zeit für uns, darum vertraut dieser, wo ihr ohnmächtig seid gegen den Schein oder den bösen Willen der Menschen.
August PaulyEs gibt keine größere Glückseligkeit, als in den vollen Besitz seiner selbst zu gelangen, in feierlichen Augenblicken zu einem feinern Instrument geworden zu sein, auf dem die Natur eines ihrer großen Stücke spielt.
August PaulyEs ist vielleicht die köstlichste Eigenschaft an der Pflanze, dass sie schweigend und bewegungslos in der Welt steht und doch lebt und fühlt, ganz Innerlichkeit.
August PaulyLaßt ihnen allen die Freiheit zu schaffen und ans Licht zu kommen, den Begabten wie den Unbegabten, den Gescheiten wie den Dummen, den Vernünftigen wie den Narren. Einer wird es dabei doch immer am härtesten haben, durchzukommen: das Genie.
August PaulyEs ist das Gefühl, daß in diesem Weltmechanismus etwas Ewiglebendes enthalten sein muß, was sich in allen das Ganze erfassenden Menschenseelen zu der Vorstellung "Gott" gestaltet.
August PaulyAuge und Seele erhalten sich ein ganzes Leben lang im reinen zarten Genuß der Natur, nur die Hand nimmt Gewohnheiten an. Dieses verleiht dem Genießenden einen Vorzug vor dem Künstler, der in der Wiedergabe der Natur die bescheidene Unschuld seiner Jugend verliert und durch Gewohnheit ersetzt.
August PaulyWelche Triebkraft muß doch die Eitelkeit haben, daß sie die Menschen so groß von sich selbst denken läßt, da doch alles in der Welt uns klein zu machen geeignet ist.
August PaulyWie ohnmächtig stehen wir da vor dem Weltgang, indem es keine rückwärtsleitende Macht über geschehene Dinge gibt, welche wieder herstellen könnte, was wir verloren haben.
August PaulyWeltgeschichte macht es wie die Bauern, wenn sie Pferde nicht haben kann, läßt sie ihren Wagen durch Ochsen ziehen.
August PaulyMit 32 Figuren auf 64 Feldern kann man endlos ein interessantes Spiel treiben. In seinem Geist aber hat der Mensch eine unbegrenzt wachsende Zahl von Figuren und Feldern. Darum kann die Menschheit bis zu ihrem Ende das Schachspiel der Gedanken nicht ausspielen.
August PaulyDer moderne Mensch hat auch in seinem Äußern das unscheinbare Gewand einer Ameise angenommen, der er in seinem Wesen jetzt so sehr gleicht, während er ehedem sich schmückte wie ein Schmetterling.
August PaulyEs ist wohltuender, der Größe des Unerforschten inne zu werden, als sich im Genuß des Erforschten zu ergehen.
August PaulyWir nennen es Helligkeit, wenn uns mit dem Aufgang der Sonne das Nahe sichtbar gemacht und die Sterne verfinstert werden.
August PaulyIhr sucht den Wert der Welt zu ermessen. Lebet und nehmt sie mit allen Kräften auf, dann werdet ihr bald inne werden, daß sie alles Maß und allen Wert übersteigt.
August PaulyUrteile über Menschen und Dinge der Welt, die als Bilder in uns liegen und so viel Zweige haben, als ein Baum Wurzeln hat und ebenso langsam gewachsen sind wie ein solcher, lassen sich nicht in einem Sprung aus einem Kopf in den anderen verpflanzen.
August Pauly