seite 5
Delinquenten des Lebens, die wir sind, von denen keiner eine Begnadigung zu erhoffen hat, bitten wir nun um eine schmerzlose Hinrichtung.
August PaulyDie Menschen haben viele Götter erfunden und werden dies auch weiterhin tun, aber keinen, den sie nicht glaubten hinterhergehen zu können.
August PaulyFür die größten Tragödien, welche Leidenschaft und Niedertracht in der Welt aufführen, kann nur ein Gott den Humor aufbringen.
August PaulyDie meisten Menschen können nicht messen, weder auf dem Gebiet der Kunst, noch der Menschenkenntnis, und darum die mittleren von den höchsten Werten nicht unterscheiden.
August PaulySie würden nicht mit dem falschen Geld der Höflichkeit zufrieden sein, wenn sie sich das echte Gold der Achtung verdienen könnten.
August PaulyMit dem Lernen betrügen wir die Zeit, die alles mit sich fortnimmt. Sie muß uns etwas zurücklassen.
August PaulyGute Gedanken sind gleich wie Wichtelmännchen. Sie kommen erst aus ihren Ecken hervor, wenn niemand da ist.
August PaulyDenken ist eine große Lustbarkeit, bei der uns, wenn wir uns hineinbegeben, unablässig etwas geschenkt wird.
August PaulyJede Zeit glaubt sich auf der Höhe des Berges, den menschliche Kultur langsam ersteigt, und jede folgende seht sich zurück nach dem heimlichen Tal, das jene für das Ende ihres Weges gehalten hatte.
August PaulyEs gibt Frauen, welche durch ihre Laune zur Essigmutter der Familie werden, die fortwährend alle Süßigkeiten des Lebens in Säure verwandeln.
August PaulyNirgends sollst du stolz sein als im Geistigen. Aber dort sollst du nur mit Königen verkehren.
August PaulyMehr noch als der Reiche, der sein Geld in eisernen Truhen verwahrt hat, mußt du vor dem Räuber Schicksal zittern, der du deine Schätze in Menschenherzen angelegt hast.
August PaulyWenn die Vernunft irgendeinmal am Seile zieht, so hängen sich sofort hunderttausend Narren ans andere Ende, sich dagegen zu stemmen.
August PaulyReligion ist die philosophische Poesie der Welt. Bei ihrer Gestaltung waren die poetischen und philosophischen Kräfte des Menschen zugleich tätig. Sie zu mißachten ist darum immer eine Rohheit.
August PaulyReligion, Sitte und Recht haben mit ihren Vorschriften die menschliche Seele oft geknechtet. Aber immer hat sie sich ihre Rechte wieder erkämpft, die älter sind, als die all jener; und in diesem Kampf waren Dichter und Künstler ihre Heerführer.
August PaulyWissenschaftliche Phantasie ist nicht immer ein geflügeltes Götterroß, sondern oft nur ein galoppierender Esel, den sein Reiter nicht mehr zu bändigen vermag.
August PaulyAuch an der Spitze der wissenschaftlichen Armee marschieren Tamboure, d.h. Leute niedrigen Grades, welche Lärm machen.
August PaulyGleicht das Leben nicht einem Akrobaten, der auf einer rollenden Kugel läuft, sich mit Kunst lange oben hält, aber endlich doch herunter muß aus Müdigkeit?
August PaulyNur einmal im Leben weidet unsere Seele auf der lieblichen Himmelswiese ihrer Träume - in der Kindheit. Leitet sie darum leise in dieser einzigen Zeit, daß sie nicht dann schon das harte Geschirr fühlt, das Ihr ihr auftragen werdet.
August PaulyWie wäre es möglich, daß einer, der den Blick auf das Universum gerichtet hat, noch den kleinen Unterschied zwischen einem Bettler und einem König wahrnehmen könnte?
August PaulyÄußerlicher Adel braucht Gesellschaft, um etwas vorzustellen, innerer braucht Einsamkeit.
August PaulyWas schlechte Richter sind, können wir an uns selbst lernen, wenn wir die Vergehen unserer Kinder strafen.
August PaulyDer Organismus ist ein historisches Wesen, daher voll erzählender Momente im Eindruck seiner Erscheinung.
August PaulyWas ist es doch Schönes und Heiliges um das Recht und wie schmutzig und verworren sind die Wege zu ihm!
August PaulyWir reden viele Sprachen mit Worten, Augen, Händen, Zeichen; viele, viele, und Liebe spricht sie alle.
August PaulyWas die Menschen Glück nennen, ist das Gemeinste am Leben, den Niederträchtigsten am leichtesten erreichbar.
August PaulyWenn die Menschen sich ihre Köpfe selbst heraussuchen dürften, bekämen die meisten keine Gescheiteren.
August PaulyZeit nimmt die kleinen Menschen auf den Arm und hebt sie zu den Häuptern der Großen empor, dass sie so weit sehen wie diese.
August PaulyStarke Individualitäten sind widerspenstig gegen Erziehung, weil sie schon einen Erzieher in sich haben, der dem zweiten widerspricht.
August PaulyLange Zeit ist die Schule unsere Lehrerin, bis es endlich die Welt selber wird, so dass wir nur mehr sie fragenden Auges betrachten. Dann erst saugen wir das Schulwissen mit innern Wurzeln auf und verwandeln es in unser eigenes Urteil, werden reif. Aber kaum reif geworden, fallen wir ab.
August PaulyWir haben auch unter uns Menschen solche Tiefseefische mit großen gierigen Augen und gewaltigen Mäulern, welche umherschießen, um den Nutzen zu verschlingen.
August PaulyMerkwürdiges Wesen mit seinen zwei Lichtbrechern, mit denen es umherwandelnd eine strahlende Welt in Bildern auffängt und begreift!
August PaulyMan begegnet zuweilen Menschen, deren Verstand sehr beschränkt, aber doch in einem Punkt stark genug ist, um den Weg hell zu beleuchten, auf welchem fremdes Geld in ihre Taschen zu wandern vermag.
August PaulyDie Naturforscher sind wie Menschen, welche die Welt durch Schlüssellöcher ansehen. Jeder steht vor seiner Tür und sieht sein eigenes Stückchen Welt, keiner das seines Nachbarn.
August PaulyEs gibt Menschen, die nur so lange auf unserer Erde bleiben, als das Leben des Menschen ein engelhaftes ist, d.h. in der Kindheit, und uns dann lächelnd verlassen. Den Zurückgebliebenen ist es dann, als ob sie einen Blick in den Himmel hätten tun dürfen und Engel spielen sehen.
August Pauly