Zitate von Jean Paul
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Die Menschen bewohnen und bewegen das große Tretrad des Schicksals und glauben darin, sie steigen, wenn sie gehen.
Jeder modisch Gekleidete hält sich für den Repräsentanten des Jahrhunderts oder Dezenniums.
Der Ungläubige an die Menschheit wird ebenso oft betrogen, als der Gläubige an die Menschen.
Überhaupt nie stelle sich der Vater mit einem Karenz- und Pönitenz-Gesicht oder leidtragendem Anstand vor das Kind, als sei in einem Leben so viel zu verlieren, das man doch selber verliert.
Man ist jung, solange man sich für das Schöne begeistern kann und nicht zuläßt, daß es vom Nützlichen erdrückt wird.
Die Liebe wirft den Jüngling aus seinem Ich hinaus unter andre Ich, das Mädchen aber aus fremden in das ihrige hinein.
Leider sind drei Dinge schwer zu finden und zu geben: einen Charakter haben – einen zeichnen – einen erraten.
Ein weiches Herz hängt, wie das weiche Obst, so tief herab, daß es jeder erreichen und verwunden kann; die harten Früchte hängen höher.
In der erziehenden Welt geht nichts über das Schreiben, nicht einmal Lesen und Sprechen. Ein Mensch liest dreißig Jahre mit weniger Ertrag seiner Bildung, als wenn er ein halbes schreibt.
Die Armut und die Hoffnung sind Mutter und Tochter. Indem man sich mit der Tochter unterhält, vergißt man die andere.
Schreib‘ alles auf; gerade wenn etwas sich zuträgt, glaubt man, es nie zu vergessen, weil die Gegenwart glänzt; aber die nächste tut’s auch, und dann vergisst man.
Schwache und verschrobene Köpfe verschieben und verändern sich am wenigsten wieder, und ihr innerer Mensch kleidet sich sparsam um. Ebenso mausern sich Kapaune nie.
Nur in den Minuten des Wiedersehens und der Trennung wissen es die Menschen, welche Fülle der Liebe ihr Busen verbarg, und nur darin wagen sie es, der Liebe eine zitternde Zunge und ein überfließendes Auge zu geben.
Der blödeste Mensch ist, wenn viel Phantasie unter seinen Taten glimmt, der Herzhafteste, wenn sie emporlodert.
Ein guter Arzt rettet, wenn nicht immer von der Krankheit, so doch von einem schlechten Arzte.
Der gute Mensch sucht oft durch aufopfernde Taten sein Gewissen wieder mit seinen Gelenken auszusöhnen.
Auf der Erde hat man tausend feine unvergängliche reiche Freuden in der – Erinnerung: unsere Obstkammer ist ein pomologisches wächsernes Kabinett der Phantasie. Hingegen auf dem Fruchtteller des Glücks treff‘ ich selten weichere Obstarten an als Steinobst.
Auf dem Wasserfalle der beweglichen Zeit ruht der Regenbogen der Gegenwart fest, und rückt und fällt nicht, denn das Ich steht als feste Sonne, die ihn macht.
Je weiblicher eine Frau ist, desto uneigennütziger und menschenfreundlicher ist sie; und die Mädchen besonders, die das halbe menschliche Geschlecht lieben, lieben das ganze von Herzen.
Der Aberglaube ist das ungeheure, fast hilflose Gefühl, womit der stille Geist gleichsam in der wilden Riesenmühle des Weltalls betäubt steht und einsam.
Das Unglück der Erde war bisher, daß zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden, indes es besser, wenn auch nicht gut gewesen wäre, daß Millionen ihn beschlossen hätten und zwei gestritten.
Eine Frau ist der widersinnigste Guß aus Eigensinn und Aufopferung, der mir noch vorkam. Sie läßt sich für ihren Mann wohl den Kopf abschneiden, aber nicht die Haare daran.
Ach nicht das bunte Ufer fliehet vorüber, sondern der Mensch und sein Strom; ewig blühen die Jahreszeiten in den Gärten des Gestades hinauf und hinab, aber nur wir rauschen einmal vor den Gärten vorbei und kehren nicht um.
Die Eitelkeit des Umgangs wächst am meisten durch Leute, an denen man kein Interesse nimmt und mit denen man doch spricht.
Unsere zwecklose Tätigkeit, unsere Griffe nach Luft müssen höheren Wesen vorkommen wie das Fangen der Sterbenden nach dem Deckbette.