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Der Mensch wird wie der Stahl hart - durch öfteres Abkühlen nach Erhitzung.
Jean PaulEin sanftes Nachgeben besiegt besonders den Mann weit mehr als starres Widerstreben.
Jean PaulDie Menschen bewohnen und bewegen das große Tretrad des Schicksals und glauben darin, sie steigen, wenn sie gehen.
Jean PaulIronie ist der Weg und Übung zur Laune.
Jean PaulEmpfindelei bessert sich mit den Jahren, Koketterie verschlimmert sich mit den Jahren.
Jean PaulJeder modisch Gekleidete hält sich für den Repräsentanten des Jahrhunderts oder Dezenniums.
Jean PaulDer Ungläubige an die Menschheit wird ebenso oft betrogen, als der Gläubige an die Menschen.
Jean PaulÜberhaupt nie stelle sich der Vater mit einem Karenz- und Pönitenz-Gesicht oder leidtragendem Anstand vor das Kind, als sei in einem Leben so viel zu verlieren, das man doch selber verliert.
Jean PaulManche halten ihre veränderte Ansicht eines Menschen für eine Veränderung desselben.
Jean PaulMan ist jung, solange man sich für das Schöne begeistern kann und nicht zuläßt, daß es vom Nützlichen erdrückt wird.
Jean PaulDie Liebe wirft den Jüngling aus seinem Ich hinaus unter andre Ich, das Mädchen aber aus fremden in das ihrige hinein.
Jean PaulWas für die Zeit erzogen wird, das wird schlechter als die Zeit.
Jean PaulDie Feder eines außerordentlich guten Autors ist eine Lichtputze der Wahrheit.
Jean PaulEin Staat ist leichter zu regieren als ein Mensch.
Jean PaulLeider sind drei Dinge schwer zu finden und zu geben: einen Charakter haben - einen zeichnen - einen erraten.
Jean PaulWie dem Geiste nichts zu groß ist, so ist der Güte nichts zu klein.
Jean PaulFurcht und Mut stecken an.
Jean PaulEin weiches Herz hängt, wie das weiche Obst, so tief herab, daß es jeder erreichen und verwunden kann; die harten Früchte hängen höher.
Jean PaulIn der erziehenden Welt geht nichts über das Schreiben, nicht einmal Lesen und Sprechen. Ein Mensch liest dreißig Jahre mit weniger Ertrag seiner Bildung, als wenn er ein halbes schreibt.
Jean PaulJeder hat etwas, worin er selbst denkt, und etwas, worin er nachbetet.
Jean PaulDie Armut und die Hoffnung sind Mutter und Tochter. Indem man sich mit der Tochter unterhält, vergißt man die andere.
Jean PaulSchreib' alles auf; gerade wenn etwas sich zuträgt, glaubt man, es nie zu vergessen, weil die Gegenwart glänzt; aber die nächste tut's auch, und dann vergisst man.
Jean PaulSchwache und verschrobene Köpfe verschieben und verändern sich am wenigsten wieder, und ihr innerer Mensch kleidet sich sparsam um. Ebenso mausern sich Kapaune nie.
Jean PaulNur in den Minuten des Wiedersehens und der Trennung wissen es die Menschen, welche Fülle der Liebe ihr Busen verbarg, und nur darin wagen sie es, der Liebe eine zitternde Zunge und ein überfließendes Auge zu geben.
Jean PaulAn einem Glück oder Unglück ist man nie schuld, aber am wiederkehrenden.
Jean PaulDie Untertanen jagen nach keiner Freiheit als der Steuerfreiheit.
Jean PaulDer blödeste Mensch ist, wenn viel Phantasie unter seinen Taten glimmt, der Herzhafteste, wenn sie emporlodert.
Jean PaulEin guter Arzt rettet, wenn nicht immer von der Krankheit, so doch von einem schlechten Arzte.
Jean PaulVäter geben an unseren Geist das Licht, Mütter geben an unseren Geist die Zärtlichkeit.
Jean PaulDer gute Mensch sucht oft durch aufopfernde Taten sein Gewissen wieder mit seinen Gelenken auszusöhnen.
Jean PaulAuf der Erde hat man tausend feine unvergängliche reiche Freuden in der - Erinnerung: unsere Obstkammer ist ein pomologisches wächsernes Kabinett der Phantasie. Hingegen auf dem Fruchtteller des Glücks treff' ich selten weichere Obstarten an als Steinobst.
Jean PaulAuf dem Wasserfalle der beweglichen Zeit ruht der Regenbogen der Gegenwart fest, und rückt und fällt nicht, denn das Ich steht als feste Sonne, die ihn macht.
Jean PaulJe weiblicher eine Frau ist, desto uneigennütziger und menschenfreundlicher ist sie; und die Mädchen besonders, die das halbe menschliche Geschlecht lieben, lieben das ganze von Herzen.
Jean PaulDas Ziel muß man früher kennen, als die Bahn.
Jean PaulDas Einfältigste sagt man im Anfang in einer Gesellschaft, das Beste zuletzt.
Jean PaulWas heiter und selig macht und erhält, ist bloß Tätigkeit.
Jean PaulEin ganz Tugendhafter muß viel Geist oder Feuer haben, um nicht langweilig zu sein.
Jean PaulDer Aberglaube ist das ungeheure, fast hilflose Gefühl, womit der stille Geist gleichsam in der wilden Riesenmühle des Weltalls betäubt steht und einsam.
Jean PaulGerade der Freie sucht den Schein der Freiheit am wenigsten.
Jean PaulEin witziger Kopf ist nirgends vergnügter und glänzender, als wo ein Narr mit ist.
Jean PaulDas Unglück der Erde war bisher, daß zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden, indes es besser, wenn auch nicht gut gewesen wäre, daß Millionen ihn beschlossen hätten und zwei gestritten.
Jean PaulEine Frau ist der widersinnigste Guß aus Eigensinn und Aufopferung, der mir noch vorkam. Sie läßt sich für ihren Mann wohl den Kopf abschneiden, aber nicht die Haare daran.
Jean PaulAlles Thun kann nur stärken und spornen, nicht stillen.
Jean PaulJedem Jahrhundert sendet der Unendliche einen bösen Genius zu, der es versuche.
Jean PaulDie einzigen Arzneien, die Weibern mehr nützen als schaden, sind höchstens Kleider.
Jean PaulAch nicht das bunte Ufer fliehet vorüber, sondern der Mensch und sein Strom; ewig blühen die Jahreszeiten in den Gärten des Gestades hinauf und hinab, aber nur wir rauschen einmal vor den Gärten vorbei und kehren nicht um.
Jean PaulDie Menschen widerlegen einander ewig nur die Irrtümer, die der andere nicht behauptet.
Jean PaulDie Eitelkeit des Umgangs wächst am meisten durch Leute, an denen man kein Interesse nimmt und mit denen man doch spricht.
Jean PaulJede Frau ist feiner als ihr Stand.
Jean PaulUnsere zwecklose Tätigkeit, unsere Griffe nach Luft müssen höheren Wesen vorkommen wie das Fangen der Sterbenden nach dem Deckbette.
Jean Paul