Zitate von Sigbert Latzel
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Wir fragen nur immer, ob das Leben für uns einen Sinn habe, viel seltener: ob wir für das Leben einen Sinn haben. Das könnte entscheidender sein.
Viele spielen des Gewinns wegen und ahnen nicht, daß das Spielen der eigentliche Gewinn ist.
Das Glück kommt nur. Man kann nicht zu ihm gehen, denn es hat keinen Aufenthaltsort, aber es kommt immer aus einer bestimmten Richtung, und in die kann man sich bewegen.
Es gibt Gedankeneinwanderungsquoten, die jeder produktive Geist setzt. Dennoch: wir sind alle überfremdet.
Es gibt mehr Langweiler als Langweilerinnen. Fast jede Frau hat gegenüber dem Manne einen Munterkeitsvorsprung. Es gibt auch Männer, die langweilig aussehen, bei Frauen ist dies kaum der Fall.
Auf eine Tugend kommen nach Aristoteles immer zwei Untugenden. (Dem Leben nach wohl noch mehr.)
Den in der Bibel fehlenden Bericht über die Schöpfung der Hölle schreibt die Weltgeschichte nach.
Gedankenbotanik, Gedankenzoologie erforderlich. Es gibt unter den Gedanken Pflanzen und Tiere.
In der Schule des Lebens ist das Unglück ein besserer Lehrer als das Glück, aber auch hier gilt: Der beste Lehrer ist bei den Schülern nicht immer der beliebteste.
Manche Heilanstalten sind auf das Leben gesehen auch Lehranstalten; das Umgekehrte ist kaum je der Fall.
Mancher stellt das Licht eines anderen unter den Scheffel. Er vergißt dabei, daß es ewige Lichter, aber keine ewigen Scheffel gibt.
Er war ein großer Schauspieler. Erst die Totenmaske zeigt (wahrscheinlich) sein wahres Gesicht.
Wir sind Utilitaristen. Wir benutzen die Geschichte. Wir benutzen alles. Uns wird auch die Vergangenheit zu einem Gebrauchsgegenstand. Und was noch schlimmer ist: die Zukunft als ein politisches Hilfsmittel.
Illustrierte. Wenn der Metzger das Hundefutter in sie einpackt, stinkt sie nach Fleisch. Sonst auch.
Der Ruhm und die Fingernägel wachsen noch nach dem Tode. Sie setzen auch beide im Leben schon Schmutz an.
Glücklich der Mensch, der von sich sagen kann, daß er älter als alle seine Wünsche geworden ist.
Jeder dient einem Herrn. Die meisten sind, wenn sie keinen haben, wenigstens Sklaven ihrer Zeit.
Der Streit um die moderne Poetik erschöpft sich in der Frage, ob ein Gedicht eine Entdeckung ist oder eine Erfindung.
Selten ärgert man sich als Lehrer über die Dummheit der Schüler, sondern meistens nur über die Unannehmlichkeiten, die diese Dummheit mit sich bringt.
Wir haben immer mehr Kritik abzugeben, als wir aufnehmen können – eine seltsame Ökonomie.
Daß Sokrates Sokrates sein konnte, hängt damit zusammen, daß die Leute auf den Marktplätzen Zeit hatten.