Zitate von Sigbert Latzel
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Man stirbt als ein Lesefragment. Man geht aus der Welt als ein Buch, in dem viele ein paar Seiten gelesen haben, aber keiner das ganze Buch. Und: dieses ganze Buch entstünde auch nie, wenn man die gelesenen Seiten zusammensetzte.
Man verbringt dieses Leben im Wartezimmer Gottes. Und es ist wie beim Zahnarzt: keiner will drankommen.
Die Gegenwart fließt und gefriert zur Vergangenheit – scheinbar, denn die Erinnerung als etwas immer Gegenwärtiges ist auch ständig in Bewegung und verflüssigt, wenn auch in schwachem Grade, ständig die Vergangenheit.
Hunderttausende haben die christliche Menschenliebe nicht überlebt und Millionen nicht die marxistische.
Was ist er für ein Kritiker? – Er findet auch dort ein Haar in der Suppe, wo der Koch eine Glatze hat.
Man kann die Menschen gut kennenlernen, wenn man darauf achtet, bei welcher Gelegenheit sie schweigen.
Spricht man von heiligem Fanatismus, dann ist das so, als wenn man von göttlicher Teufelei redete.
Ein General bekommt in der Regel eine Tapferkeitsmedaille, wenn er mutig zwanzigtausend Mann geopfert hat.
Wenn schon sinken, dann auf den Grund. Mit dieser Maxime kann man ein Philosoph werden.
Das Alter ist von dem her, was man leiblich hat, immer proletarisch. Nackte Alte sehen arm aus.
Ich glaube, daß kein bedeutender Mensch die Bedeutung hat, die man ihm zuschreibt, sobald man ihn allgemein weithin als bedeutend anerkannt hat. Dieser Akt führt in 90 von 100 Fällen zu einer Überhöhung.
Die Regierung erließ eindringliche Maßhalteappelle an die Bürger, nicht zu viel Geduld zu verbrauchen.
Man widerlegt selten einen Philosophen. Meistens widerlegt man nur die Auffassung, die man von ihm hat.