Zitate von Emanuel Wertheimer
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Wenn Liebe zur Freundschaft wird, folgt sie nur einem Rate, den ihr die Natur befiehlt.
So ist die Liebe: erst wollen sie für einander sterben, dann nicht einmal mit einander leben.
Moralische Vergehen verdammt man um so strenger, je mehr Genuß dabei zu beneiden ist.
Harren die Genüsse jederzeit unsers Befehls einzutreten, dann empfängt man sie kalt, ja zuweilen weist man ihnen sofort die Thüre.
Es dauert lange, ehe man zwanzig Jahre alt wird – sechzig ist man im Handumdrehen.
Wer nur aus Mitleid gut ist, bedarf immer stärkerer Reizmittel, um es zu bleiben.
Während des Denkens darf man weder einer Nation, noch einer Konfession angehören.
Nur einmal im Leben hält man sich für allwissend: wenn man das ABC zu lernen beginnt.
Die Großen sehen Geschöpfe um sich, die stolz darauf sind, sich demütigen zu dürfen.
Mit immer größerer Sehnsucht blickt man den Jahren nach, die uns verlassen; durch Erinnerungen winkt man sie zurück – vergebens… das Pendel hat nur verneinende Bewegungen.
Das eigne Verdienst noch zu erhöhen, überträgt die frömmelnde Bescheidenheit den Ruhm einer gelungenen That auf Gott, auf sich bloß den reellen Erfolg.
Wir werden weder besser noch schlechter: zu ersterem fehlt uns die Fähigkeit, zu letzterem die Möglichkeit.
Das Glück besteht, nach der Weisheit vieler, die es im Übermaß besitzen, aus Entbehrungen.
Wie oft kann man einen Menschen genießen? Alle schmecken bitter, sowie der Zucker oben weg ist.
Wenn das Leben zur Neige geht, beurteilt man es wie alle entschwundenen Genüsse: mit Undank.
Die Musik hat die literarische Bildung zurückgedrängt, sie ist eine Art geistigen Müßiggangs geworden; ihre Pflege ist daher gesichert.