Zitate von Johann Wolfgang von Goethe
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Die christliche Religion ist eine intentionierte politische Revolution, die, verfehlt, nachher moralisch geworden ist.
Die Krücke und die Kräfte kommen aus einer Hand. Darin sind wir einig, und das ist genug!
Dabei lern ich denn auch, alles wohl berechnet, daß es nicht gut ist, daß der Mensch allein sei, und sehne mich recht herzlich zu den Meinigen.
Shakespeare reicht uns im Gegenteil die volle reife Traube vom Stock, wir mögen sie nun beliebig Beere für Beere genießen, sie auspressen, keltern, als Most, als gegorenen Wein kosten oder schlürfen, auf jede Weise sind wir erquickt.
Die Form will so gut verdaut sein als der Stoff; ja, sie verdaut sich viel schwerer.
Der Himmel führt oft Unglückliche zusammen, daß beider Elend gehoben werde.
Ich finde nichts vernünftiger in der Welt, als von den Torheiten anderer Vorteil zu ziehen.
Die sogenannte Gesundheit kann nur im Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte bestehen, wie das Aufheben derselben entsteht und besteht nur aus einem Verwalten der einen über die andern.
Frei will ich sein im Denken und Dichten. Im Handeln schränkt die Welt genug uns ein.
Von Natur aus besitzen wir keinen Fehler, der nicht zur Tugend, keine Tugend, die nicht zum Fehler werden könnte.
Sehen wir unsre Literatur über ein halbes Jahrhundert zurück, so finden wir, daß nichts um der Fremden willen geschehen ist.
Gegen die Kritik kann man sich weder schützen noch wehren; man muß ihr zum Trutz handeln, und das läßt sie sich nach und nach gefallen.
Und merke dir ein für allemal den wichtigsten von all den Sprüchen. Es liegt dir kein Geheimnis in der Zahl – allein ein großes in den Brüchen.
Die Deutschen können erst über Literatur urteilen, seitdem sie selbst eine Literatur haben.
Das ist in der Welt nun einmal nicht anders, keiner gönnt dem andern seine Vorzüge, von welcher Art sie auch seien, und da er sie ihm nicht nehmen kann, so verkleinert er oder leugnet sie, oder sagt gar das Gegenteil. Genieße also, was dir das Glück gegönnt hat, und was du dir erworben hast.
Weil jedes Geschäft seinen eigenen Rat mit sich bringt, so ist es Pflicht, auch im Gang desselben es noch einmal von vorn durchzudenken und zu überlegen.
Wenn Licht und Finsternis ihr im ganzen verschiedene Stimmungen geben, so werden schwarze und weiße Bilder, die zu gleicher Zeit ins Auge fallen, diejenigen Zustände nebeneinander bewirken, welche durch Licht und Finsternis in einer Folge hervorgebracht wurden.
Theorie und Praxis wirken immer auf einander; aus den Werken kann man sehen, wie es die Menschen meinen, und aus den Meinungen voraussagen, was sie tun werden.
Schlägt mich ein Mächtiger, daß es schmerzt, So tu ich als hätt‘ er nur gescherzt; Doch ist es einer von meinesgleichen, Den weiß ich wacker durchzustreichen.
Die Constanz der Phänomene ist allein bedeutend; was wir dabei denken, ist ganz einerlei.
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn, Dass Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand, Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Unser Fehler besteht darin, daß wir am Gewissen zweifeln und das Ungewisse fixieren möchten. Meine Maxime bei der Naturforschung ist: das Gewisse festzuhalten und dem Ungewissen aufzupassen.
Es macht die Geburt uns weder edel noch gut, noch kann sie zu Schanden gereichen; aber Tugend und Laster, sie unterscheiden die Menschen.
Kurzgefaßte Sprüche jeder Art weiß ich zu ehren, besonders wenn sie mich anregen, das Entgegengesetzte zu überschauen und in Übereinstimmung zu bringen.
Molière ist so groß, daß man immer von neuem erstaunt, wenn man ihn wieder liest. Er ist ein Mann für sich, seine Stücke grenzen ans Tragische, sie sind apprehensiv, und niemand hat den Mut, es ihm nachzutun.
Täglich werf‘ ich eine neue Schale ab und hoffe als ein Mensch wiederzukehren. … Ich habe in der Welt nichts zu suchen als das Gefundne, nur dass ichs genießen lerne, das ist alles, warum ich mich hier noch hämmern und bearbeiten lasse.
Man hört oft über weit verbreitete Immoralität in unserer Zeit klagen und doch wüßte ich nicht, daß irgendeiner, der Lust hätte, moralisch zu sein, verhindert würde, es um so mehr und mit desto mehr Ehre zu sein.
Jedes Übel soll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorschein kommt, und man bekümmert sich nicht um jenen Punkt, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt, woher es wirkt.
Die Astrologie entspringt dem unbestimmten Empfinden, daß es eine große kosmische Einheit gibt.
Am Ende des Lebens gehen dem gefaßten Geiste Gedanken auf, bisher undenkbare; sie sind wie selige Dämonen, die sich auf den Gipfeln der Vergangenheit glänzend niederlassen.
Der Witz setzt immer ein Publikum voraus. Darum kann man den Witz auch nicht bei sich behalten. Für sich allein ist man nicht witzig.
Die Deutschen der neueren Zeit haben nichts anders für Denk- und Preßfreiheit gehalten, als daß sie sich einander öffentlich mißachten dürfen.
Phantasiekranz Bunte Blumen, Malven ähnlich, Aus dem Moos ein Wunderflor! Der Natur ist’s nicht gewöhnlich, Doch die Mode bringt’s hervor.
Nichts ist dem Dilettantismus mehr entgegen als feste Grundsätze und strenge Anwendung derselben.
Alle Schöpfung ist Werk der Natur. Von Jupiters Throne Zuckt der allmächtige Strahl, nährt und erschüttert die Welt.
Der Mensch kommt moraliter ebenso nackt auf die Welt als physice. Daher ist seine Seele in der Jugend so empfindlich gegen die äußere Witterung.
Nichts ist auf der Erde ohne Beschwerlichkeit! Nur der innere Trieb, die Lust, die Liebe helfen uns Hindernisse überwinden.
Der Alte verliert eines der größten Menschenrechte: Er wird nicht mehr von seinesgleichen beurteilt.
Ich weiß wohl, daß man dem das Mögliche nicht dankt, von dem man das Unmögliche gefordert hat.
Der Philister negiert nicht nur andere Zustände, als der seinige ist, er will auch, daß alle übrigen Menschen auf seine Weise existieren sollen.
In unseren Gesichtern verlaufen die Züge regellos durch- und ineinander, oft ohne irgendeinen Charakter anzudeuten, oder es hält wenigstens schwer, das Original herauszufinden. Man kann sagen: In einem deutschen Gesicht ist die Hand Gottes weniger leserlich als auf einem italienischen.